Mit Diamantdraht zum Photovoltaikwafer

Steinbeis-Innovationszentrum erforscht Diamantdrahttechnologie

Das Schneiden mit Diamantdraht ist eine ganz eigene Technologie, mit deren Erforschung sich das Oberndorfer Steinbeis-Innovationszentrum Entwicklungstechnologie beschäftigt. Professor Matthias Vogel, Leiter des Zentrums und Studiengangsleiter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, und sein Team entwickeln dazu die nötigen Komponenten für die Drahtverbindungstechnik, den Diamantdraht und die Sägen an sich sowie die eigentliche Diamantdrahttechnologie.

Seit 2010 war das Steinbeis-Innovationszentrum mit drei Projekten bei der Bewerbung um mehr als 1,5 Millionen Euro Fördergelder in Programmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) erfolgreich. Ein erstes ZIM-Projekt zur Entwicklung einer neuen Generation von Drahtschneideanlagen haben die Steinbeis-Experten in Oberndorf bereits erfolgreich abgeschlossen. Dabei stellt die Konstruktion und Herstellung einer Endlos-Drahtsäge für Drähte mit einem Durchmesser von 0,12 Millimeter eines der wichtigsten Ergebnisse dar. Die Maschine wurde insbesondere zum Sägen von Siliziumwafern für die Photovoltaikindustrie mit diamantbeschichteten Drähten entwickelt. Ihre Bedeutung für die Grundlagenuntersuchungen im Bereich des Drahtschneidens wurde in zahlreichen Zerspanungsversuchen validiert. Neben der Ermittlung grundsätzlicher Prozessparameter wurden im Rahmen der Versuchsreihen sowohl Trocken- als auch Nassschnitte durchgeführt. Dadurch konnte das Projektteam optimierte Schnittparameter und die Wirkung der Kühlung auf die Standzeit eines diamantbeschichteten Drahtes ermitteln.

In einem weiteren, aktuellen ZIM-Projekt knüpft das Steinbeis-Innovationszentrum an die bisherigen Ergebnisse an und entwickelt zusammen mit der HK Präzisionstechnik GmbH, dem industriellen Kooperationspartner des Innovationszentrums, eine neuartige Vieldrahtsäge zur Herstellung von Photovoltaikwafern. In diesen Anlagen werden mit einem Drahtfeld teilweise über 2000 Wafer gleichzeitig aus einem Siliziumblock geschnitten, jeder einzelne von ihnen ist dünner als 200 Mikrometer. Das Projekt hat zum Ziel die Herstellkosten in diesem Prozessschritt durch ein neues Maschinenkonzept drastisch zu senken. Das wird einerseits durch die Nutzung der aufsteigenden Diamantdrahttechnologie, vor allem jedoch durch die gezielte Anpassung und Optimierung des Prozesses und des Maschinenkonzeptes an diese Technologie, erreicht.

Im BMU-Projekt, dem dritten und jüngsten Projekt, arbeiten die Steinbeis- Experten zusammen mit namhaften Industriepartnern und Instituten daran, durch den Einsatz von diamantbesetztem Draht die Produktionskosten für Photovoltaikwafer zu senken und deren Qualität zu steigern. Das Steinbeis-Innovationszentrum Entwicklungstechnologie befasst sich dabei insbesondere mit Grundsatzuntersuchungen des Drahtsägens und analysiert beispielsweise detailliert Kühlmittel, Schnittparameter oder Drahtschwingungen. Wesentlich zum Einsatz kommt dabei die High-Tech Ausrüstung des Innovationszentrums. Neben der aus dem ersten Projekt resultierenden Endlos-Drahtsäge, mit der alle Schneidparameter herkömmlicher Sägen simuliert werden können, stehen unter anderem eine Kraftmessplattform und eine Hochgeschwindigkeitskamera zur Analyse von Drahtschwingungen zur Verfügung. Darüber hinaus kann das Team mit einer Hochgeschwindigkeits-Infrarotkamera Temperaturverläufe im Schnitt untersuchen und mit einem Rasterelektronenmikroskop Verschleiß und Brüche an Drähten beurteilen. Ein Wafermessgerät mit integriertem Konfokalmikroskop bewertet die erzeugte Qualität. Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes liegt auf der Entwicklung einer Verbindungseinrichtung für die sehr dünnen Schneiddrähte. Sie müssen prozesssicher geschweißt werden und Kräften von über 35 Newton standhalten, was einer Gewichtsbelastung von etwa 3,5 Kilogramm entspricht. Unter Berücksichtigung der Dimensionen der Drähte stellt dies ein äußerst ambitioniertes Ziel dar. Die angestrebten Festigkeitswerte übersteigen hier 3000 Newton je Quadratmillimeter.

Diamantdrahtsägen

Beim Drahtsägen wird durch die Schnittbewegung eines Drahtes an einem Werkstück mechanisch Material abgetragen. Wird ein Draht verwendet, der mit Diamanten als Schneidmittel bestückt ist, spricht man von Diamantdrahtsägen. Dieses Verfahren wird insbesondere beim Trennen sehr harter Werkstoffe, wie Stein, Keramik oder Glas eingesetzt. Die wichtigste Anwendung liegt in der Herstellung von Wafern für die Photovoltaik- und Halbleiterindustrie. Dort ist das Slurrysägen das gängige Verfahren: dabei wird ein Siliziumblock mit einem blanken Draht und dem sogenannten Slurry, einer Schleifemulsion aus Glycol und Siliziumkarbidkörnern, in dünne Scheiben, die Wafer, geschnitten. Technisch gesehen handelt es sich hierbei um ein Trennläppverfahren, was mitunter erklärt, warum die Schnittzeiten bis über zehn Stunden dauern können. Nach und nach zeichnet sich für diese Anwendung der Trend ab, dass diamantbesetzte Drähte die Kombination aus Draht und Slurry ablösen. Grund dafür sind in erster Linie deutlich verkürzte Prozesszeiten und die dadurch verbesserte Wirtschaftlichkeit. Fortschritte bei der Herstellung der Diamantdrähte, deren Qualität stetig steigt und deren Preise weiter fallen, begünstigen die Entwicklung dieser Technologie. Da im Diamantdrahtsägen noch nicht ausreichend Know-how vorhanden ist, gilt es hier Kompetenzen aufzubauen, bevor dieses aussichtsreiche Verfahren sich auf breiter Linie in der Industrie durchsetzen kann.

Seite teilen