Werte im Wandel?

Steinbeis-Studie in Kooperation mit den Wirtschaftsjunioren Deutschland

Mehr als 1.000 Wirtschaftsjunioren beteiligten sich 2010 an einer Onlinebefragung als Basis für die Studie „Werte im Wandel?“, die die Steinbeis-Stiftung in Kooperation mit den Wirtschaftsjunioren Deutschland durchgeführt hat. Zwei der zentralen Ergebnisse: Selbstständige erscheinen werteorientierter als Angestellte. Und Angestellte erwarten von ihren Arbeitgebern vor allem Fairness; der zentrale Wert, um die Identifikation der Mitarbeiter mit dem eigenen Unternehmen zu steigern.

Die Studie wurde wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Konrad Zerr und Prof. Dr. Stephan Fischer, die Berater des Steinbeis- Beratungszentrums Marketing – Intelligence – Consulting (MIC) und Professoren der Hochschule Pforzheim sind. Zentrale Fragen der Studie waren, wie werteorientiert Selbstständige und Angestellte sind und was Selbstständige von ihrer Selbstständigkeit und Angestellte von ihrem Arbeitgeber erwarten. Die Befragten konnten im Onlinefragebogen verschiedenen Thesen zustimmen oder diese ablehnen. Aus den Rückmeldungen wurden die Einstellungen zu Werten wie Nachhaltigkeit, Fairness und Kundenorientierung ermittelt.

1) Moral oder Kommerz: Wie werteorientiert sind Selbstständige und Angestellte? Nach ihrer persönlichen Meinung gefragt, stimmt nur eine Minderheit aller Wirtschaftsjunioren der These zu, dass wirtschaftlicher Erfolg letztlich wichtiger als Moral und Ethik sei. Unter den Zustimmenden finden sich doppelt so viele Angestellte (14%) wie Selbstständige (7%). Die etwas geringere Werteorientierung der Angestellten im Vergleich zu den Selbstständigen bestätigt sich in der Tendenz auch in den Antworten auf andere Thesen. Demnach messen Angestellte der sozialen und ökologischen Verantwortung aber auch der Kundenorientierung von Unternehmen eine etwas geringere Bedeutung bei. Ausnahme ist die Fairness im Umgang mit Mitarbeitern, hier liegt der insgesamt sehr hohe Zustimmungswert (95% Selbstständige) bei den Angestellten geringfügig höher (96%). Rund 55% aller Selbstständigen können als stark werteorientiert in ihren geäußerten Einstellungen bezeichnet werden, bei den Angestellten sind es 41%.

2) Erwartungshaltungen: Was ist Selbstständigen und Angestellten wichtig? Die Erwartungshaltungen Selbstständiger zu Beginn der Selbstständigkeit oder Angestellter beim Start in ein neues Angestelltenverhältnis ähneln sich. An erster Stelle stehen „freie Entfaltungsmöglichkeiten“ (96% Selbstständige) bzw. „Entwicklungsmöglichkeiten hinsichtlich Aufgabe und Verantwortung“ (88% Angestellte). Wirtschaftliche Aspekte bzw. der Verdienst sind nicht unwichtig, stehen bei beiden Gruppen jedoch nicht im Fokus (60% Angestellte, 46% Selbstständige). Immerhin 57% der Selbstständigen haben zu Beginn den Anspruch, mit ihrem Tun einen „gesellschaftlichen Nutzen“ zu erzeugen. Aus Sicht der Angestellten sind ein fairer (81%) und sozial verantwortlicher (73%) Umgang mit Mitarbeitern, eine gute Arbeitsatmosphäre (79%) sowie ein fairer Umgang mit Kunden (78%) entscheidend. Knapp ein Drittel (29%) der Angestellten erwartet, auch international arbeiten zu können. Bei der überwiegenden Mehrheit der Angestellten (61%) und Selbstständigen (66%) haben sich die mit der Selbstständigkeit oder dem neuen Arbeitsverhältnis verbundenen Erwartungen voll und ganz oder zumindest weitgehend erfüllt.

3) Anspruch und Wirklichkeit: Wie schätzen Selbstständige das eigene Handeln, Angestellte das ihres Managements ein? Selbstständige schätzen ihr eigenes Handeln als nachhaltiger, kundenorientierter und fairer ein, als Angestellte das Handeln des Managements in ihren Unternehmen. Hier stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser Diskrepanz. Fehlt es den Selbstständigen an einer realistischen Selbsteinschätzung oder wird die Werteorientierung selbstständiger Unternehmer von den Angestellten nicht wahrgenommen? Ein weiterer Erklärungsansatz könnte darin bestehen, dass viele Angestellte in größeren Unternehmen arbeiten, die befragten Selbstständigen jedoch überwiegend ein KMU führen. Tendenziell scheint jedoch zu gelten: Je größer das Unternehmen, umso geringer die Werteorientierung des Managements.

Die größten Diskrepanzen zeigen sich bei der Wertedimension Fairness. Während sich jeweils mehr als 2/3 der Selbstständigen als empathisch, fürsorglich und partizipativ im Führungsstil einschätzen, bestätigen dies jeweils weniger als die Hälfte der befragten Angestellten mit Blick auf das Management in ihren Unternehmen. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Einschätzung der Nachhaltigkeit des Managementhandelns: 74% der Selbstständigen bezeichnen ihr Verhalten als von gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung geprägt, aber nur 51% der Angestellten teilen diese Meinung. Lediglich hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte Gleichberechtigung und Mäzenatentum (Unterstützung sozialer Projekte) beurteilen Angestellte das Managementhandeln besser, als Selbstständige ihr eigenes Handeln. Auch hinsichtlich der Kundenorientierung gehen die Meinungen zwischen Angestellten und Selbstständigen auseinander. Fast alle Selbstständigen (94%) bezeichnen ihr Handeln als kundenorientiert, aber weniger als 75% der Angestellten das Handeln ihres jeweiligen Managements.

4) Motivatoren: Welche Werte steigern das Commitment? Das Commitment der Angestellten umfasste in der Studie folgende Aspekte: Inwieweit identifizieren sich die angestellten Wirtschaftsjunioren mit ihren Unternehmen, inwieweit sind sie von den in ihren Unternehmen gelebten Werten selbst auch überzeugt, fühlen sich zum Unternehmen zugehörig oder sind gar stolz auf ihr Unternehmen? Die Ergebnisse zeigen ein mehrheitlich hohes Commitment der Wirtschaftsjunioren zu ihren jeweiligen Unternehmen. Eine differenzierte Analyse zeigt auch den zentralen Einflussfaktor zur Steigerung des Commitments: Je fairer sich Mitarbeiter behandelt fühlen, umso ausgeprägter ist ihr Commitment.

Selbstständige Unternehmer sind sich ihrer gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Verantwortung sehr bewusst. Allerdings nehmen angestellte Mitarbeiter das Handeln ihres Managements nicht immer im gleichen Ausmaß als werteorientiert wahr. Werteorientierung bedeutet für Angestellte vor allem Fairness gegenüber Mitarbeitern und Kunden: Empathie, Partizipation, Rücksichtnahme und Fürsorge sind die zentralen Parameter zur Steigerung des Mitarbeiter- Commitments. Nachhaltigkeit und Kundenorientierung kommen erst danach. Ähnlich sind sich Angestellte und Selbstständige hinsichtlich ihrer Erwartungen an das Arbeitsumfeld: Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten sind wichtiger als Verdienst und wirtschaftlicher Erfolg.

Die Steinbeis-Studie ist in der Steinbeis-Edition (ISBN 978-3-941417-37-3) erschienen.

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