Wie HR-Shared-Service-Center effektiver werden

Forschung an der Steinbeis-Hochschule Berlin

Zahlreiche DAX-Unternehmen und Mittelständler haben in den vergangenen Jahren HR-Shared-Service-Center aufgebaut, die nichtstrategische, kernkompetenzunterstützende personalwirtschaftliche Leistungen erbringen. In jüngster Zeit ist neben die ursprüngliche Zielsetzung der Kosteneinsparung (Effizienzverbesserung) die Steigerung der Dienstleistungsqualität (Effektivitätsverbesserung) getreten. Stefan Röder untersucht im Rahmen seiner Promotion an der Steinbeis-Hochschule Berlin die Entstehung des Dienstleistungsqualitätsurteils in dieser spezifischen unternehmensinternen Kunden-Lieferanten-Beziehung aus Kundensicht und versucht die Wirkungen auf nachgelagerte Konstrukte offenzulegen.

Beim Shared-Service-Konzept handelt es sich um eine führungsabhängige, (bedingt) markt- und wettbewerbsorientierte, langfristig ausgerichtete, hybride und somit innerhalb des Markt-Hierarchie-Kontinuums angesiedelte Erstellungs- und Bereitstellungsalternative für ausgewählte, unterstützende, nicht wertschöpfende – hier personalwirtschaftliche – Leistungen (z. B. Entgeltabrechnung). Als Träger der Leistungserfüllung fungiert eine eigens geschaffene Organisationseinheit: Human-Ressource- Shared-Service-Center (kurz: HRSSC). Unter Auslösung einer Konkurrenzsituation mit unternehmensexternen Leistungsanbietern und unter Berücksichtigung übergeordneter Zielsetzungen des jeweiligen Unternehmens erbringt das HRSSC im Sinne eines (unternehmensinternen) Dienstleisters die zuvor übertragenen personalwirtschaftlichen Leistungen auf der Grundlage ex ante geschlossener Leistungsvereinbarungen gegenüber seinen unternehmensinternen sowie auch externen Kunden.

Die Literaturanalyse macht deutlich, dass das Konstrukt „kundenseitig wahrgenommene Dienstleistungsqualität“ im Hinblick auf unternehmensinterne Kunden-Lieferanten-Beziehungen verglichen mit unternehmensexternen Kunden-Lieferanten-Beziehungen bislang noch weitgehend unerforscht ist. Das gilt insbesondere für das Kunden- Lieferanten-Verhältnis zwischen HRSSC und ihren unternehmensinternen Kunden. Daher bestand Stefan Röders erstes Untersuchungsziel in der isolierten Modellierung der Entstehung des Konstrukts „kundenseitig wahrgenommene Dienstleistungsqualität von HRSSC“ und seiner Wirkungen auf nachgelagerte psychologische sowie verhaltensbezogene Größen. Das zweite Untersuchungsziel lag in der theoretisch fundierten Verknüpfung beider Partialmodelle zu einem integrierten Entstehungs- und Wirkungsmodell. Schließlich hatte die Untersuchung zum Ziel, die Wirkungsbeziehungen zu erforschen, um Gestaltungsempfehlungen für die (Dienstleistungs-)Qualitätsmanagementpraxis abzuleiten.

Unter Hinzuziehung ausgewählter informationsökonomischer, verhaltenswissenschaftlicher und akzeptanztheoretischer Erklärungsbeiträge zerlegte Stefan Röder in seiner Untersuchung das kundenseitige, subjektive Globalqualitätsurteil in Anlehnung an die konzeptionellen Überlegungen von Christian Grönroos in zwei Qualitätsdimensionen: Potenzial- und Prozessqualität. Aus den theoriegeleiteten Erklärungsbeiträgen ergibt sich für die Potenzialdimension eine dreifaktorielle Struktur (technisch-organisatorisches Leistungspotenzial, personelles Leistungspotenzial, informationsbezogenes Leistungspotenzial) und für die Prozessdimension eine zweifaktorielle Struktur (Interaktion, Kundennutzenstiftung). Damit wird das Konstrukt „kundenseitig wahrgenommene Dienstleistungsqualität von HRSSC“ im unternehmensinternen Kontext erstmals als Konstrukt dritter Ordnung konzeptualisiert. Diese gewählte Konzeptualisierung auf Faktorebene stellt insofern eine inhaltlich-konzeptionelle Neuerung dar als für den Kunden mit der Inanspruchnahme von HR-Shared-Services verbundene individuelle Nutzenstiftung besondere Beachtung findet.

Unter Zugrundelegung der Erfolgskette des Marketingexperten Prof. Manfred Bruhn und zahlreichen (teil-)strukturierten Interviews konnten mit der Kundenzufriedenheit, dem Kundenvertrauen und den Kundenverhaltensabsichten drei zentrale Wirkungsgrößen kundenseitig wahrgenommener Dienstleistungsqualität von HRSSC identifiziert werden. Neuartig ist, dass im Rahmen der Untersuchung neben direkten auch indirekte und erstmals nichtlineare Wirkungsbeziehungen für den unternehmensinternen Kontext exploriert werden. Durch die Verwendung der unternehmensinternen Erfolgskette von Bruhn gelingt die Verknüpfung des mehrdimensionalen und multifaktoriellen Entstehungsmodells mit dem aus den drei Wirkungskonstrukten bestehenden Wirkungsmodell. Dieses integrierte Dienstleistungsqualitätsmo- dell für HRSSC ist in seinen Grundzügen auf andere Shared Services (z. B. Shared-IT-Services) übertragbar, bedarf jedoch immer einer kontextspezifischen Anpassung. Zur quantitativ-empirischen Überprüfung des integrierten Dienstleistungsqualitätsmodells führte Stefan Röder eine weltweite fragebogengestützte Online-Befragung bei Kunden des HRSSC eines deutschen IT-Unternehmens durch, an der 763 Kunden, also Mitarbeiter und Führungskräfte, teilnahmen. Das Ergebnis zeigt, dass sowohl die Messmodelle als auch das Strukturmodell selbst die jeweils relevanten Validitäts- und Reliabilitätskriterien erfüllen. Sämtliche direkten und indirekten Zusammenhangshypothesen werden bestätigt.

Zur Exploration a priori (un-)bekannter Nichtlinearitäten zwischen den Modellkonstrukten wurde im unternehmensinternen Kontext erstmals die Universelle Strukturgleichungsmodellierung (USM) – umgesetzt in der EDV-Anwendung NEUSREL – angewendet. Der Vorteil von USM bzw. NEUSREL liegt darin, dass der Anwender kaum Vorwissen über die realiter vorliegenden Wirkungszusammenhänge benötigt. Es können Nichtlinearitäten nahezu beliebiger Form sowie totale Effekte und Interaktionseffekte aufgedeckt werden.

So konnte erstmals ein Interaktionseffekt zwischen den Potenzialqualitätsfaktoren „technisch-organisatorisches Leistungspotenzial“ und „personelles Leistungspotenzial“ erfolgreich empirisch nachgewiesen werden. Hieraus resultiert ein hohes praxisorientiertes Transferpotenzial, weil durch die Kenntnis von Interdependenzbeziehungen technik- und mitarbeiterbezogene Investitionsentscheidungen in HRSSC auf eine noch fundiertere Basis als bisher gestellt werden können. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in mehreren Workshops mit Unternehmen, die HRSSC implementieren wollen oder dies bereits getan haben, ausführlich diskutiert. Für die Unternehmenspraxis ergeben sich vielfältige Impulse für die Ausgestaltung von HRSSC-Qualitätsmanagementsystemen. Des Weiteren erlaubt NEUSREL die Berechnung der totalen Average- Simulated-Effect-Werte, wodurch die einflussstärksten Qualitätsmerkmale auf die Wirkungsmodellgrößen aufgedeckt werden können. Das HRSSC-Management ist damit in der Lage, zukünftig die begrenzten Ressourcen viel zielgerichteter einzusetzen, um bspw. das Kundenvertrauen zu steigern und hierdurch die Kundenverhaltensabsichten im gewünschten Sinne zu beeinflussen.

Stefan Röder konnte die vorhandene Forschungslücke durch die Konzeptualisierung, Operationalisierung und empirisch-quantitative Validierung eines integrierten Dienstleistungsqualitätsmodells für HRSSC teilweise schließen. Anknüpfungspunkte für weitere wissenschaftliche Untersuchungen ergeben sich aus der Möglichkeit, weitere Wirkungskonstrukte zu untersuchen, das Modell in anderen Branchen zu testen oder die bisher postulierte Unidirektionalität der Wirkungsrichtungen in Frage zu stellen.

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