Competitive Intelligence als zentrale Inputgröße für unternehmerische Entscheidungen

SHB-Student untersucht Anforderungen an strategische Markt- und Wettbewerbsbeobachtung

Strategieentwicklung ist ein lebendiger Prozess. Die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Agieren am Markt sind ständig in Bewegung und Unternehmen sind kontinuierlich herausgefordert, ihre Strategien anzupassen. Jörg Simon, Manager Market & Competitive Intelligence bei der Deutsche Telekom AG, hat am Beispiel der internationalen Telekommunikationsmärkte im Rahmen seines MBA-Studiums an der School of International Business and Entrepreneurship der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) untersucht, wie sich die Anforderungen an einen modernen Strategieentwicklungsprozess verändert haben, und darauf aufbauend eine optimierte Competitive Intelligence Strategie konzipiert.

Unternehmen bewegen sich heute in einem sich rapide verändernden Umfeld. So schnell wie neue Wettbewerber auftauchen, ziehen sich alte Wettbewerber aus dem Markt zurück. In kaum einer Industrie sind diese Veränderungen dabei so sichtbar wie in der Telekommunikationsindustrie. Die Deregulierung der internationalen Telekommunikationsmärkte zum Ende des letzten Jahrtausends ermöglichte es zahlreichen neuen Wettbewerbern in den Markt einzutreten und den ehemaligen Monopolisten Konkurrenz zu machen.

Zudem haben der rasante technologische Fortschritt und die zunehmende Digitalisierung dazu geführt, dass viele Unternehmen aus den angrenzenden Branchen IT, Medien und Entertainment in den letzten Jahren ihre Geschäftsaktivitäten in den Telekommunikationssektor erweitert haben. So bedrohen zum Beispiel Handyhersteller wie Apple mit den über ihre Application Stores direkt an den Kunden verkauften Mehrwertdiensten einen Teil der angestammten Umsätze der etablierten Mobilfunkanbieter. Sind diese Unternehmen nun noch Lieferanten und Kooperationspartner oder bereits Konkurrenten?

Langfristig können Unternehmen wie die Deutsche Telekom nur am Markt bestehen, wenn sie diese Veränderungen rechtzeitig erkennen und ihre Strategien entsprechend immer wieder neu ausrichten. Während seines Studiums an der SHB hat Jörg Simon daher zunächst die dramatischen Veränderungen in den internationalen Tele kommunikationsmärkten analysiert. Im un- übersichtlicher werdenden Wettbewerb sehen sich Unternehmen dem Druck ausgesetzt, immer schneller entscheiden zu müssen. Gleichzeitig zwingt sie der verschärfte Wettbewerb, das Risiko falscher Entscheidungen zu minimieren. Einem zuverlässigen „Navigationssystem“ kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Genau das ist die Essenz von Competitive Intelligence, die vereinfacht als ein System zur Beobachtung und Steuerung eines Unternehmens unter Berücksichtigung der anderen „Verkehrsteilnehmer“ im globalisierten wirtschaftlichen Umfeld beschrieben werden kann.

Laut Michael E. Porter, einem der geistigen Väter der Competitive Intelligence, sollen sich Unternehmen bei der Wahl ihrer Wettbewerbsstrategie in erster Linie an den Konkurrenten in ihrer Industrie orientieren. Mit den zunehmend verschwimmenden Branchengrenzen in der Telekommunikationsindustrie ist diese Herangehensweise allerdings nicht länger sinnvoll. Eine zu starke Fokussierung auf die bekannten Konkurrenten birgt die Gefahr, neue Wettbewerber aus angrenzenden Märkten zu ignorieren und dadurch erst zu spät auf die daraus resultierenden Risiken zu reagieren oder Wachstumspotenziale in angrenzenden Märkten nicht auszuschöpfen. Diesem Bedarf an Komplexitätsbewältigung wird man im Rahmen des klassischen Strategieprozesses nicht mehr gerecht. Das Ziel des Projektes von Jörg Simon war es daher zunächst einen optimierten Strategieprozess zu entwickeln und darauf aufbauend eine optimierte Competitive Intelligence Strategie für den Bereich CTIO Business Development zu konzipieren.

Unternehmen neigen dazu, sich zu stark auf das Planbare und damit zu stark auf die bekannten Wettbewerber zu konzentrieren. Die Fokussierung auf die Innenperspektive verführt aber zu einer Fortschreibung des Ist- Zustandes. Eine echte Auseinandersetzung mit dem Wettbewerb und eine echte Suche nach Innovationschancen finden oftmals erst statt, wenn Marktnischen oder neue Wettbewerber eine für das Unternehmen nicht länger zu ignorierende Größe erreicht haben. Ein moderner Strategieprozess zeichnet sich daher dadurch aus, das Unternehmen von seiner Zukunftsperspektive her zu führen und nicht blind den Erfolgsrezepten der Vergangenheit zu vertrauen. Wenn einmal klar geworden ist, auf welches Ziel man als Unternehmen hinsteuert, lassen sich die einzelnen Schritte in diese Richtung (also die Operationalisierung der Strategie) kurz- und mittelfristig genauer angeben. Strategieentwicklung ist eine zentrale Führungsaufgabe, die nicht an interne Stäbe oder externe Berater delegiert werden kann. Entscheidend bleibt dabei die stimmige Verbindung mit den das operative Geschehen steuernden Führungsprozessen. Strategie und Taktik bzw. operative Umsetzung lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen. Die kontinuierliche Überprüfung der strategischen Entscheidungen und eine Nachjustierung der gewählten Strategie in späteren „Schleifen“ sowie eine Balance von kurzfristigen Zielsetzungen und langfristigen Zeithorizonten sorgen dafür, dass das Unternehmen auf Kurs bleibt – auch dann, wenn sich die Umwelt überraschend ändert.

Aufgrund der sich immer schneller und radikaler wandelnden Rahmenbedingungen, in denen die Deutsche Telekom agiert, kommt dem Umgang mit in hohem Maße ungewissen Zukunftsperspektiven eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der größeren Zahl von Einflussfaktoren bei strategischen Entscheidungen müssen eine stetig wachsende Zahl von (potentiellen) Wettbewerbern beobachtet und zusätzliche Märkte und Kundengruppen analysiert und bewertet werden. Mit der zunehmenden Komplexität und Dynamik im Branchenumfeld steigt der Druck, die Entscheidungsgeschwindigkeit zu erhöhen ohne dabei an Entscheidungsqualität zu verlieren. Eine wesentliche Erkenntnis des Projektes war es, dass sich Competitive Intelligence vor diesem Hintergrund als eine Kernkompetenz moderner Unternehmen herauskristallisiert hat und zu einem integralen Bestandteil des Strategieprozesses geworden ist. Competitive Intelligence ist viel mehr als das bloße Sammeln und Katalogisieren von Markt- und Wettbewerbsdaten. Als integraler Bestandteil einer lernenden Organisation hilft sie, die für jedes Unternehmen wesentliche Fragen zu beantworten: „Was müssen wir tun, um (gegen den Wettbewerb) zu gewinnen?“

Hierzu muss Competitive Intelligence einerseits analytischen Input für den Strategieentwicklungsprozess liefern, gleichzeitig aber auch immer wieder den eingeschlagenen Kurs kritisch hinterfragen. Für den Competitive Intelligence Manager ergibt sich dadurch eine völlig neue Rolle. Als Sparringspartner steht er dem Management in dessen inhaltlichen Businessfragen zur Verfügung und bringt seine Erfahrungen und Kompetenzen als glaubhafte „second opinion“ in den Entscheidungsfindungsprozess ein. In einem gemeinsamen Arbeitsprozess hilft er aus einer externen Perspektive heraus adäquate Lösungen zu erarbeiten.

Infolge der zunehmend dynamischen und globalisierten Natur der Märkte beeinflussen mehr und mehr Variablen das Wettbewerbsumfeld und die Bedeutung von Competitive Intelligence wird weiter steigen. Die von Jörg Simon identifizierten Optimierungspotenziale werden im Vorstandsbereich CTIO Business Development der Deutschen Telekom daher derzeit schrittweise umgesetzt. Gleichzeitig wurde der Austausch mit den anderen Competitive Intelligence Bereichen im Unternehmen intensiviert, um auch konzernübergreifend die Qualität und Effektivität der strategischen Markt- und Wettbewerbsbeobachtung zu erhöhen.

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