Standard oder individuell?

Core Banking Systeme im Vergleich

Während große Banken häufig im Kernbereich auf eigenentwickelte Individualsoftware setzen und nur für spezielle Themen auf Standardprodukte zurückgreifen, müssen kleine und mittlere Banken auch für das Kerngeschäft Software einsetzen, die von kommerziellen Softwarehäusern angeboten wird und an die jeweiligen Anforderungen der Anwender angepasst werden muss. Diese sogenannten Core Banking Systeme werden in Deutschland für Sparkassen und Genossenschaftsbanken von den IT-Häusern im jeweiligen Verbund bereitgestellt. Dort hat es in den vergangenen Jahren eine weitgehende Konsolidierung gegeben, so dass hier die möglichen „economies of scale“ in hohem Maß realisiert werden. Gleichzeitig wird dort auch die notwendige technische Modernisierung der Systeme angegangen. Der Markt für Core Banking Systeme für unabhängige Bankinstitute ist dagegen geprägt durch zahlreiche schon lange etablierte Softwareprodukte. Die Steinbeis-Mitarbeiter am Focos Transferzentrum Forschung | Consulting | Studium an der Hochschule Karlsruhe haben in einer Studie den Status Quo im Markt für Core Banking Systeme erhoben.

Der Begriff Core Banking System wird im Markt nicht einheitlich verwendet. Im Wesentlichen gibt es zwei Begriffsverwendungen: Wird der Begriff weit gefasst, dann versteht man darunter ein umfassendes Bankensystem, das prinzipiell alle Produkte, Vertriebskanäle sowie die Reporting- und Steuerungsmodule abdeckt. Eine weniger umfangreiche Interpretation dieses Begriffs beinhaltet nur den klassischen Produktbereich von Zahlungsverkehr, Aktiv- und Passivgeschäft, sowie die gesetzlichen Reportinganforderungen und eine eher rudimentäre Unterstützung für die verschiedenen Vertriebswege.

Der Markt für Core Banking Systeme in Deutschland ist wenig transparent. Aus der Sicht der Nutzer ist das unbefriedigend, handelt es sich bei der Investition in ein solches System doch um eine langfristige Entscheidung, die mit hohen Kosten verbunden ist. Hier setzt die Studie der Karlsruher Experten an. Sie orientiert sich an der weitergehenden ersten Definition des Core Banking. Schwerpunkte sind sowohl funktionale Ausprägungen als auch architektonische Strukturen der Softwareprodukte. Die Ermittlung von Stärken und Schwächen der Systeme soll eine Entscheidungshilfe für die Banken bei der Produktauswahl sein. Gleichzeitig ergeben sich für die Hersteller damit Ansatzpunkte für die Verbesserung der Software. Schließlich geht es aber auch um Prognosen über die weitere Marktentwicklung. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wurde bei den Herstellern über einen strukturierten Fragebogen die Einschätzung des eigenen Systems erhoben. Diese wurde ergänzt durch die Aussagen von Referenzkunden.

Insbesondere in der Gesamtbewertung werden die Produkte an einer möglichst vollständigen Abdeckung des Bankgeschäfts gemessen. Allerdings werden für jedes Produkt sowohl die Abdeckungsgrade der Lösung bezogen auf eine 100 %-Lösung wie auch eine zusätzliche Bewertung nur auf Basis der tatsächlich realisierten Module angegeben.

Der Vergleich des Gesamtergebnisses spiegelt die Bewertung auf Basis der gesamten Anforderungen wider und erstreckt sich damit über alle Kriterien des Fragebogens. Bei diesem Ergebnis handelt es sich um die höchste Verdichtung der Bewertungen. Mit dieser Verdichtung geht sicherlich ein Verlust an Differenzierung einher. Sie liefert jedoch eine Kennzahl, die einen schnellen Vergleich zwischen allen Anbietern ermöglicht. Es wird eine Aussage über den Realisierungsgrad der Kundenanforderungen ohne vorgenommene Anpassungen (also im Standardlieferumfang des Systems) und über den Realisierungsgrad mit vorgenommenen Anpassungen getroffen.

Es gibt eine breite Spitzengruppe, in der die Bewertung nur leicht differiert. Hier lohnt sich für die Banken ein Blick in die Details der Studie, denn dort sind die Unterschiede größer. Da kein Hersteller sich in allen Kategorien auf den ersten Platz schieben kann, nivellieren sich diese Unterschiede im Gesamtergebnis. An der Spitze der Gesamtwertung sind die Hersteller platziert, deren Produkt als Gesamtbanklösung im umfassenden Sinn konzipiert ist.

Von sechs Anbietern konnten Referenzkunden befragt werden. Die Hersteller, die keine Gesamtbanklösung anbieten und daher einen geringeren funktionalen Abdeckungsgrad aufweisen, schneiden in der Beurteilung der Referenzkunden relativ besser ab als in der eigenen Einschätzung. Die Kunden setzen gerade die Produkte, die keine vollständige Abdeckung aller Anforderungen versprechen, offenbar sehr selektiv ein. Auf der anderen Seite zeigt dies, dass die Hersteller mit der eigenen Einschätzung auch durchaus konservativ waren und keine falschen Versprechungen machen wollten.

Zwei verschiedene Kundentypen zeigen sich im Core Banking Markt. Auf der einen Seite stehen die Standardsoftwarenutzer, auf der anderen Seite die Komponentennutzer, die sich ihre Gesamtlösung gezielt zusammenstellen. Echte Standardsoftwarenutzer suchen Komplettlösungen aus einer Hand und somit einen einzigen Ansprechpartner, der die volle Verantwortung für das System trägt. Sie haben selbst wenig bis gar keine IT-Kompetenz im Haus. Wenn das Gesamtpaket stimmt, nehmen diese Nutzer auch gewisse Schwachpunkte in Kauf. Standardsoftwarenutzer suchen die insgesamt beste Lösung. Komponentennutzer dagegen stellen sich eine Lösung aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Sie tragen bewusst die Verantwortung für ihre Softwaregesamtlösung. Sie setzen Komponenten ein, von denen sie überzeugt sind und machen bei der Wahl dieser Komponenten in der Regel auch keine Kompromisse. Komponentennutzer suchen für alle Bereiche jeweils das beste Modul. Dazu ist ein bestimmtes Maß an IT-Kompetenz nötig, da die Gesamtverantwortung für die entstehende IT-Landschaft beim Anwender liegt.

Die Studie zeigt also, dass die Banken in zwei segmentierbare Gruppen zerfallen: die Standardsoftwarenutzer und die Komponentennutzer. Die verschiedenen Kundentypen finden ihre Entsprechung auf Seiten der Softwarehersteller. Dort stehen sich Universalspezialisten und Modulspezialisten gegenüber. Dies ist von besonderer Bedeutung für die angemessene Interpretation der Bewertung der Softwareanbieter.

Auch der technologische Wandel führt zu einer Veränderung der Softwarelösungen. Die modernen Lösungen nutzen aktuelle Plattformen und Architekturen. Im Bereich der Programmiersprachen geht der Trend eindeutig zur Integration von Java-Elementen, die auf der Frontend-Seite das Maß der Dinge sind. Die neuen technologischen Möglichkeiten erhöhen ferner die Modularität der Systeme, was dazu führt, dass die Zusammenstellung einer Lösung aus verschiedenen Bausteinen zunehmend einfacher wird. Dies wird auch die Position der Herstellerunternehmen am Markt verändern, da sich durch Integrationsszenarien neue Bereiche für die Komponentenanbieter eröffnen. In diesem Zuge werden die Ansprüche an Universalspezialisten steigen, da diese immer mehr mit den Komponentenanbietern konkurrieren. Eindeutig ist, dass die Hersteller, die dem technologischen Wandel nicht folgen, vom Markt verschwinden werden: mit alten Technologien können allenfalls Bestandskunden gehalten werden. Als wesentliches Ergebnis für die Hersteller ergibt sich, dass neben einem komfortablen und attraktiven Userinterface die Skalierbarkeit und Offenheit die wichtigsten Merkmale moderner Core Banking Systeme sind.

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