Fließender Übergang - Alles im Takt!

Die Organisation der Fließmontage variantenreicher Maschinen und Anlagen

Maschinen und Anlagen werden überwiegend in konventionellen, sogenannten „Bauplatzmontagen“ endmontiert. Eine hohe Produktvarianz ist mit diesem Konzept problemlos umsetzbar, die mit Bauplatzmontagen oft verbundene unstrukturierte Materialbereitstellung, Werkzeugversorgung und Mitarbeiterzuordnung führt weitergehende Optimierungsbemühungen allerdings an ihre Grenzen. Weitere Produktivitätsreserven können dann durch die Umstellung auf getaktete Fließmontagen erschlossen werden. Die Fließmontage erlebt daher auch im Maschinen- und Anlagenbau eine Renaissance, benötigt jedoch branchenspezifische Anpassungen. Bei einer solchen Systemumstellung unterstützte das Steinbeis-Transferzentrum Produktionstechnik und Entsorgungslogistik in Dresden den Radebeuler Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer (KBA) durch die Konzipierung einer Montageorganisation zur Vermeidung unproduktiver Montage-Brachzeiten.

Die Montage variantenreicher Maschinen und Anlagen in Klein- oder Mittelserie ist kaum für eine Fließfertigung geeignet. Hauptursache dafür sind die geringeren, individualisierten Stückzahlen der hochwertigen Produkte und daher deutlich längeren Taktzeiten, die im Maschinen- und Anlagenbau die Montagefreundlichkeit zu einem weniger wichtigen Konstruktionsmerkmal machen. Diese technologischen Unterschiede und die große Produktvarianz führen zu einer starken Varianz der Montagezeiten. Als Folge davon war bisher eine Fließfertigung im klassischen Sinne mit maximaler Harmonisierung der Produktion und Gestaltung eines ausgetakteten Systems mit identischen Taktzeiten an allen Stationen nicht umsetzbar.

Die technologie- und variantenbedingt variierenden Montagezeiten führen bei den hier üblichen Taktzeiten zwischen zwei und vier Stunden dazu, dass Takte zeitlich nicht voll ausgefüllt werden können, ihr Arbeitsvolumen also ebenso schwankt. Das führt zu Brachzeiten zwischen den Taktungen, die die durch eine Fließmontage mögliche Zeiteinsparung vollständig aufheben können. Um dennoch das Optimierungspotenzial einer Fließmontage nutzen zu können, ist eine angepasste Arbeitsorganisation notwendig, die das Problem der Brachzeiten vermeidet. Das Team aus Steinbeis-, KBA- und Schönheit & Partner-Experten hat dazu die Taktanzahl auf zwei Takte je Arbeitsschicht festgelegt und nicht den Arbeitsbeginn sondern den Zeitpunkt des Taktwechsels fixiert.

Kürzere operative Montagezeiten in Einzeltakten bedeuten nun einen taktindividuellen späteren Schichtbeginn oder früheres Schichtende. In Verbindung mit individueller Gleitzeit und Jobrotation über den Montagebereich erreicht KBA somit eine flexible Produktion. Die Montagekosten werden nur durch die tatsächlich anfallenden Produktivzeiten belastet. Mit einer derartig angepassten Arbeitsorganisation entfallen die üblichen Hindernisse der Einführung einer Fließmontage und ihre Optimierungspotenziale können durch innovative technologische, logistische und organisatorische Konzepte erschlossen werden.

Die konkrete Realisierung einer flexiblen Fließmontagelinie beim Druckmaschinenhersteller KBA hat innovatives Potenzial: Die Montagelinie besteht aus 14 in Reihe angeordneten, miteinander verknüpften Arbeitsstationen mit definiertem, aber variablem Arbeitsumfang. Die Drucktürme werden auf autonom fahrenden Montageplattformen aufgebaut und durchlaufen im Arbeits fortschritt alle 14 Stationen. Die verfahrbaren Plattformen sind batteriebetrieben und werden per Leitdraht und Transponder gesteuert.

An den Arbeitsstationen erfolgt die Materialbereitstellung nun bedarfsgerecht und taktgenau. Die Handhabung von Großteilen an den Arbeitsstationen erfolgt mit stations gebundenen Hebezeugen, die an einem die Fließlinie überspannenden Kranportal abgehängt sind. Sie ermöglichen 1-Mann-Bedienung und per Produkterkennung und automatischem Werkstückspannen ein sicheres, ergonomisches Handling von Großteilen. Werkzeuge und Vorrichtungen sind ebenfalls auf den Arbeitsinhalt des Taktes spezialisiert und stehen auf taktgebundenen Werkzeugwagen in Griffweite zur Verfügung. Das überzeugende Ergebnis der Restrukturierung: Bereits in der Anlaufphase konnte KBA eine Montagezeiteinsparung von 20 Prozent und eine Durchlaufzeitverkürzung von 40 Prozent sicher umsetzen und arbeitet nun an der Erschließung eines Serienpotenzials von weiteren zehn Prozent.  

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Günther
Hendrik Schneider

Steinbeis-Transferzentrum Produktionstechnik und Entsorgungslogistik (Dresden)
su0205@stw.de

Dr. Frank Junker
Volker Klitzke

Koenig & Bauer AG (Radebeul)

Dr.-Ing. Michael Völker
TU Dresden Institut für Fördertechnik, Baumaschinen und Logistik (IFBL)

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