Ressourcenschonung in der spanenden Teilefertigung

Der Einsatz neuer Werkstoffe in der Produktion

Neuentwicklungen in der produzierenden Industrie stehen heute mehr denn je unter dem Einfluss umweltrelevanter Themen. Verbrauch, Emission, Gewicht, Recycling sind Schlagworte, die ganz oben in den Lastenheften für neue Produkte stehen: das führt zu einem anhaltenden Trend zum Einsatz neuer Werkstoffe wie beispielsweise GGV (Gusseisen mit Vermikulargrafit), ADI (Austempered Ductile Iron) und hitzebeständiger Stahlguss in der Automobilindustrie, Kompositwerkstoffe und Titanlegierungen in der Luftfahrtindustrie oder höherlegierte Stähle und Titanlegierungen in der Kraftwerksindustrie.

Der Einsatz dieser Werkstoffe hat das Ziel, durch bessere mechanische und thermische Eigenschaften dünnwandiger zu konstruieren, Gewicht zu reduzieren, die Einsatzdrücke und -temperaturen zu erhöhen. Diese Eigenschaftsverbesserungen gehen auf Kosten einer teilweise dramatischen Verschlechterung der Zerspanbarkeit. Im Vergleich zu den jeweiligen Vorgängerwerkstoffen sind die erreichbaren Standzeiten und Schnittbedingungen deutlich niedriger, die resultierenden Kostenerhöhungen sind jedoch nicht akzeptabel.

Insbesondere dem Schneidstoff kommt hier entscheidende Bedeutung zu. Die Optimierung der Hochtemperatur-Verschleißfestigkeit und des tribologischen Verhaltens der Schneidstoffe sind die wichtigsten Entwicklungsrichtungen. „Einfache“ Maßnahmen zur Steigerung der Verschleißfestigkeit wie Verwendung härterer Substrate oder Erhöhung der Beschichtungsdicke führen nicht zum Erfolg, da die einhergehende Verringerung der Zähigkeit zu einer inakzeptablen Verschlechterung der Prozesssicherheit führt. Nur ein besseres Verhältnis zwischen Härte und Hochtemperatureigenschaften auf der einen und Zähigkeit auf der anderen Seite bringt die geforderten Produktivitätssteigerungen.

Hier zeigen zwei der wichtigsten Beschichtungsinnovationen der letzten Jahre, die Strahlbehandlung von CVD-Beschichtungen und das PVD-Al2O3, ihr enormes Potenzial. Bei ersterer, durch die Tübinger WALTER AG 2001 unter dem Markennamen Tiger•tec® am Markt etabliert, wird durch eine nachträgliche mechanische Behandlung sowohl das Eigenspannungs- als auch das tribologische Verhalten signifikant verbessert. Das führt in der Anwendung zu einer deutlich gesteigerten Prozesssicherheit, da Kammrissbildung, mechanisches Versagen und Aufbauschneidenbildung vermindert werden. Durch die Einführung des PVD-Al2O3 durch die Walter AG im Jahr 2005 werden diesem Beschichtungsverfahren neue Anwendungsfelder hinsichtlich höherer Schnittgeschwindigkeiten erschlossen. Die möglichen Anwendungstemperaturen konnten gegenüber den seither üblichen Schichtsystemen TiCN und TiAlN unter Beibehaltung der PVD-typischen exzellenten Zähigkeit um rund 150 – 200 °C gesteigert werden.

Neben der Weiterentwicklung der Schneidstoffe gewinnt die Optimierung der Mikrogeometrie der Schneide zunehmend an Bedeutung. Ein weiterer Punkt mit hohem Potenzial ist die tribologisch optimierte Gestaltung der Mikrogeometrie der Spanfläche. Viele der oben genannten neuen Werkstoffe neigen auf Grund ihrer erhöhten Legierungsbestandteile zum „Kleben“, also zur Bildung von Aufbauschneiden mit dramatischen Folgen für Standzeit und Oberflächengüte. Der Einsatz von Kühlschmierstoff sorgt hier für Verbesserung, steht aber unter ständiger Diskussion. In einem Verbundprojekt der Partner Steinbeis, TU Dresden, Shell und der Walter AG wurde untersucht, wie das tribologische Verhalten einer Wendeschneidplatte durch Strukturierung der Spanfläche und Entwicklung von Festschmierstoffen verbessert werden kann. Dank einer speziellen Oberflächenstrukturierung der Spanfläche wurde die Wirksamkeit des Festschmierstoffes erhöht und eine weitere Verdoppelung des Standweges erreicht.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Günther
Steinbeis-Hochschule (Berlin)
Steinbeis-Transfer-Institut Production and Engineering (Berlin)
su0778@stw.de

Jörg Drobniewski
M. Löffler

Walter AG (Tübingen)

Charsten Wienbreyer
Shell Lubricants (Hamburg)

Dipl.-Ing. Gunnar Meier
Technische Universität Dresden (Dresden)

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