Multitouch & Co

Neue mobile Bedienkonzepte

Das Apple iPhone hat den Mobilfunkmarkt aufgemischt: Im Zusammenspiel von Hard- und Software sind neue Bedienoberflächen entstanden, die das Schlagwort „intuitiv“ mehr verdienen als ihre Vorgänger. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht und so ist mittlerweile der gesamte Smartphone-Markt in Bewegung geraten. Die Karlsruher PTV AG analysiert zusammen mit dem Steinbeis-Transferzentrum Innovation > Development > Application (IDA) die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.

Für die PTV AG als Anbieter von Verkehrs-, Transport- und Logistik-Software sind mobile Computersysteme von besonderem Interesse. Und als solche muss die aktuelle Generation der „intelligenten Telefone“ bezeichnet werden, denn die Telefonie-Funktionen sind beinahe schon in den Hintergrund gerückt. Die Geräte sind heute teilweise kleine Computer, die weit mehr leisten als vor zehn Jahren noch handelsübliche Desktop- Rechner.

Software-Entwickler stellt das vor neue Herausforderungen. Sie müssen für diese Geräte eine neue Art von Bedienoberflächen entwickeln, denn weder die hierarchischen Menüs früherer Mobiltelefone noch die komplexen Fenster-Systeme heutiger PCs sind dafür geeignet. Welchen Unterschied die Oberfläche ausmachen kann, hat insbesondere der Web-Browser Mobile Safari im iPhone gezeigt. Plötzlich wurden auch Web-Seiten, die nicht speziell für mobile Geräte angepasst sind, vernünftig darstellbar und bedienbar.

Eine wesentliche Design-Entscheidung von Apple war, keine Stifteingabe mehr vorzusehen. Andere Hersteller haben mittlerweile nachgezogen. Ein Stift ermöglicht es, ähnlich komplexe – und zuweilen kleinteilige – Oberflächen zu entwickeln wie auf Systemen mit Mausbedienung. Das reicht von kleinen Scroll-Balken über winzige Bildschirmtastaturen bis zu Buttons, die nur mit dem Stift zuverlässig zu treffen sind. Der Verzicht auf diese Möglichkeiten zwingt die Entwickler, ihre Programme für eine reine Finger-Bedienung auszulegen.

Damit dies nicht zu mühsam wird – sowohl für Entwickler als auch für die Benutzer – bieten die aktuellen Mobil-Betriebssysteme vielfältige Unterstützung. Statt Scroll-Balken zu verwenden, kann man Listen einfach mit dem Finger „anfassen“ und verschieben. Buttons sind so groß, dass sie problemlos zu treffen sind. Und Multitouch-Schnittstellen, mit denen sich die Bewegungen mehrerer Finger verfolgen lassen, ermöglichen das mühelose Vergrößern und Drehen von Elementen.

Als Ergänzung zum Touchscreen finden Lagesensoren immer weitere Verbreitung, sodass man durch einfaches Drehen des Telefons die Oberfläche rotieren kann. Wenn ein kompletter Beschleunigungssensor vorhanden ist, stehen noch weitere Möglichkeiten offen: Per Neigungssteuerung kann der Benutzer über Landkarten „fliegen“ oder eine Anwendung in den Ausgangszustand „zurückschütteln“.

Das Steinbeis-Transferzentrum IDA untersucht für die PTV AG, welche Chancen die neuen Systeme bieten und wie man diese am besten nutzen kann. Als Zielgerät wurde das iPhone gewählt, weil es unter den verbreiteten Smartphones das ausgereifteste Betriebssystem und die flexibelste Bedienoberfläche bietet, insbesondere durch seine Multitouch-Fähigkeiten. Zunächst stand die Darstellung von Karten im Vordergrund, da sie den Kern vieler Verkehrsanwendungen bilden. In einem ersten Schritt sollte daher eine vielseitig einsetzbare Komponente zur Darstellung von und Interaktion mit Kartenmaterial entstehen.

Als Entwicklungsumgebung nutzten die Steinbeis-Experten das Apple iPhone SDK. Im Ergebnis entstand eine einfach benutzbare Karten-Komponente, die vielseitig anpassbar ist und die flexible Darstellung von Informationen ermöglicht, die von den Server-Systemen der PTV geliefert werden. Dabei kann es sich um aktuelle Verkehrsinformationen, Sehenswürdigkeiten, Routen, Geländedaten, Fahrzeugstandorte und vieles mehr handeln. Besonders einfach lassen sich externe Daten integrieren, sodass sehr schnell Anwendungen entwickelt werden können, die auf die jeweiligen Bedürfnisse von Unternehmenskunden zugeschnitten sind.

Die Bedienung der Karte entspricht üblichen iPhone-Standards mit Multitouch-Zoom und simplem Verschieben der Karte per Finger. Der aktuelle Standort lässt sich jederzeit anzeigen und wird per GPS, WLAN oder Mobilfunk ermittelt. Auch eine Kartennavigation per Bewegungssensor ist optional möglich, inklusive Zoom durch eine schnelle Drehung des Geräts. Diese Art der Bedienung ist noch im Experimentalstadium, bietet aber interessante Perspektiven. Vor allem, wenn es um schnelle Bewegungen auf der Karte geht, könnte sie sich als der herkömmlichen Fingerbedienung überlegen erweisen.

Auf Basis der Kartenkomponente wurden zwei Anwendungs-Prototypen entwickelt, die zum einen die Karte selbst und zum anderen die Darstellung von Points Of Interest (POIs) mit einblendbaren Detailinformationen demonstrieren. Die iPhone-Anwendungen greifen dabei auf die gleichen Server zu wie bereits vorhandene Web-Anwendungen der PTV. Dadurch fällt kein zusätzlicher Pflege-Aufwand auf Server-Seite an, wenn Kartendaten aktualisiert werden.

Bereits mit den ersten Prototypen konnte die PTV AG Aufträge für speziell angepasste iPhone-Anwendungen gewinnen. Der Entwicklungsaufwand hält sich dabei in Grenzen, da neben der Karte auch weitere wiederverwendbare Komponenten entstanden sind, beispielsweise zur Client/Server-Kommunikation und für die GUI-Gestaltung. Die Zukunftsaussichten für diese neue Generation mobiler Anwendungen sind gut, denn wer sie einmal getestet hat, kann bestätigen: Die Verwendung macht einfach Spaß!

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