Alter Wein in neuen Schläuchen oder einfach nur Industrialisierung der IT?

Cloud-Computing

In den letzten zehn Jahren wurden die globalen Märkte in kürzester Zeit von Youtube, Google, Amazon, Facebook und Co. stark beeinflusst, die daraufhin enorme Wachstumsraten verzeichnet haben. Nun hat sich unter dem „sehr wolkigen“ Akronym Cloud-Computing ein weiterer Trend etabliert.

Da der Begriff „Cloud-Computing“ sehr vieldeutig verwendet wird und strenggenommen eine Erfindung des Marketings ist, sollen an dieser Stelle einführend die drei Aspekte des Cloud-Computings – Technologie, Prozess und Geschäftsmodell aufgezeigt werden. Auf der technologischen Ebene ist allerdings wenig Neues im Spiel: Kernansatz des Cloud- Computings ist eine zentrale Bereitstellung von Prozess- und Datenverarbeitungs- Ressourcen. Treiber dieses Paradigmenwechsels (wieder weg von einer dezentralen Datenverarbeitung zu einem eher zentralen Konzept) ist die Aussicht, dadurch die Kosten deutlich reduzieren zu können. Das Einsparungspotential erstreckt sich von der Kapitalbindung, da größere Anschaffungen nicht getätigt werden müssen, bis hin zu einer besseren Auslastung der IT, da Bedarf und Verfügbarkeit von IT Ressourcen besser (d.h. vor allem kurzfristig) abgeglichen werden können. Eine so geartete zentrale Bereitstellung von IT-Ressourcen war technisch vor der Verbreitung des Personalcomputers in den 1980er- und zu Beginn der 1990er-Jahre schon einmal das vorherrschende Verfahren, sowohl im eigenen Rechenzentrum wie auch über den Weg des Outsourcings.

In der zweiten Dimension steht Cloud-Computing für das Einführen von industrialisierten Prozessen in der Bereitstellung und Nutzung von IT. Da die IT (z.B. im Vergleich zum Maschinenbau) noch eine sehr junge Technologie ist, kann dieser Trend abstrakt mit einer Evolution vom handwerklich geprägten Denkverhalten hin zur industriellen Massenfertigung verglichen werden. Um jedoch diesen Prozess vollziehen zu können, ist vor allem auf Seiten der Kunden eine stärker ausgeprägte Standardisierung erforderlich, die dann in ihrem Endstadium die individualisierten Speziallösungen vom Markt weitestgehend verdrängen wird. Hier haben die Großunternehmen ihre Hausaufgaben gemacht und IT-Konzepte wie ITIL (IT Infrastructure Library) in den operativen Betrieb eingeführt. Bei ITIL beispielsweise handelt es sich um ein Best Practice- Vorgehensmodell für den IT-Betrieb. Kleinere Unternehmen aber haben hier extremen Nachholbedarf. Im Einzelfall kann sich bei diesen Unternehmen eine nicht ausreichend vorbereitete Einführung von Cloud- Computing unter Kostengesichtspunkten sehr negativ auswirken, da der erforderliche Anpassungsaufwand erhebliche Folgekosten mit sich bringen kann. Ein Unternehmen, das z.B. noch intern IT-Techniker beschäftigt, die sich in regelmäßigen Abständen persönlich zum Arbeitsplatzrechner eines Mitarbeiters begeben, um dort Arbeiten durchzuführen, hat aller Voraussicht nach noch nicht den Reifegrad, Prozesse in die Cloud zu transferieren. Einem solchen Unternehmen wäre zu empfehlen, vor Auslagerung von Prozessen in eine Cloud über ein eigenes Identitätsmanagement, eine Dokumentation der Infrastruktur und eine klare Beschreibung der internen Geschäfts- und Betriebsprozesse nachzudenken. Auf der Ebene der Geschäftsprozesse stellt sich für viele Unternehme die Frage, bis zu welchem Grad man gewillt ist, interne Geschäftsprozesse einem externen Standardisierungsdruck zu unterwerfen. Die Benutzung von standardisierter Software zur Unterstützung von Geschäftsprozessen hat bei der Beschaffung Kostenvorteile, die aber nur realisiert werden können, wenn keine individuellen Anpassungen mehr erforderlich sind. Dies ist kein ausschließlich Cloud-spezifisches Phänomen, sondern trifft Unternehmen, die eine standardisierte ERP-Software einführen (z.B. SAP) in gleicher Weise, kommt jedoch bei der Implementierung von Cloud-Lösungen besonders stark zum Tragen.

Die dritte und wichtigste Dimension des Cloud-Computings ermöglicht die Implementierung völlig neuer Geschäftsmodelle. Hier kann ein über das Internet realisierter Marktzugang zum Kunden die Grundlage für neu zu implementierende Geschäftsmodelle legen und diese schnell in die verschiedenen Zielmärkte ausrollen. Dabei kann Cloud-Computing vor allem für kleinere Unternehmen, die bislang lokale Märkte adressiert haben, Fluch und Segen zugleich sein. Der Einsatz von Cloud-Computing kann die Grundlage für eine schnelle Erschließung neuer globaler Märkte legen, auf der anderen Seite kann den Unternehmen dadurch ein erheblicher Wettbewerbsdruck in ihren Heimatmärkten entstehen.

Nach den drei Aspekten des Cloud-Computings sollen noch zwei generelle Herausforderungen erwähnt werden, für die in unserer Gesellschaft bislang noch keine befriedigende Lösung gefunden wurde: Durch die zunehmende Bedeutung von Mobilität in der Gesellschaft und dem Wunsch bzw. dem Bedarf, von nahezu überall auf die gewohnte IT-Umgebung zugreifen zu können, stehen wir vor der Herausforderung, die Kommunikationsnetze entsprechend bereitzustellen. Dies ist unserem Land bislang noch nicht in ausreichendem Maß gelungen. Das Telefonnetz erfüllt diese Anforderungen, das Internet und vor allem das mobile Datennetz werden diese Anforderungen aber auf absehbare Zeit nicht erreichen. Die Abhängigkeit von diesen Netzen nimmt jedoch durch eine verstärkte Verbreitung von Cloud-Computing sehr stark zu. Die Defizite liegen hierbei hauptsächlich in der Verfügbarkeit der (mobilen) Netzinfrastruktur, da bei Netzausfall nicht vorgesehen ist, den Datenverkehr auf einen anderen Netzbetreiber auszulagern. Aber auch die Datennetze im Festnetzbereich sind vor allem auf der letzten Meile bis zum Endkunden zumeist nicht redundant ausgebaut und darüber hinaus den wachsenden Anforderungen bzgl. Bandbreite nicht gewachsen. Dies wird sich vor allem für Länder wie Baden-Württemberg mit relativ starker Industriedichte im ländlichen Raum sehr negativ bemerkbar machen. Die zweite Herausforderung für das Cloud-Computing ist das Thema Sicherheit, die mit Authentizität, Verfügbarkeit, Integrität, Vertraulichkeit und Datenschutz definiert wurde. Beim Thema Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit ist festzuhalten, dass Daten, die in einer Cloud liegen, im Grundsatz nicht unsicherer sind als Daten im eigenen Rechenzentrum. In beiden Fällen muss ein Dienstleister oder Technologielieferant sorgfältig ausgewählt und im Rahmen klarer Verträge auch überwacht werden. Beim Thema Datenschutz gestaltet sich das Thema Cloud-Computing schon ein wenig komplizierter. Nach Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sieht der Gesetzgeber entweder eine Funktionsübertragung oder eine Auftragsdatenverarbeitung vor. Hier gilt grundsätzlich, dass eine Funktionsübertragung mit hohen rechtlichen Hürden versehen wurde, so dass dieser Fall für die meisten Unternehmen in Deutschland nicht in Frage kommt. Bei der Auftragsdatenverarbeitung kann man das „Tun“ auslagern, behält jedoch die Haftung bzgl. des rechtskonformen Umgangs mit den Daten. Da diese Verantwortung nicht abgegeben werden kann, ist es für einen Auftraggeber sehr gefährlich unstrukturierte Prozesse auszulagern, da dies mit unkalkulierbaren Risiken behaftet ist.

Abschließend soll an dieser Stelle noch ein Punkt erwähnt werden, der bislang in der öffentlichen Diskussion kaum Beachtung findet. Cloud- Computing hat abgesehen von der Netzanbindung hinreichend Vorkehrungen getroffen, dass die Daten nicht verloren gehen. Dies geschieht durch Spiegeln, Duplizieren und Sichern der Daten an verschiedenen physikalischen Orten und ggf. auf unterschiedlichen Medien. Dass dann ein Löschen eines Datums sicherstellt, dass alle Kopien gelöscht wurden, kann von einem Benutzer/Auftraggeber bislang noch nicht sicher überprüft werden. Hier sind vor allem noch technologische Anstrengungen zu unternehmen, dass dies zukünftig möglich wird.

Zusammenfassend soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass ein Ignorieren von Cloud-Computing vor allem einem KMU nicht anzuraten ist. Ein überstürztes Aufspringen auf diesen Trend ist ebenso wenig zu empfehlen. Ein besonnenes Vorgehen analysiert zunächst die IT-Infrastruktur, prüft ob die internen Prozesse sauber und klar dokumentiert sind und schafft dann die Grundlage, die Vorteile des Cloud-Computings für das Unternehmen zu erschließen.

Kontakt

Dr.-Ing. Jürgen Jähnert ist Geschäftsführer der im Oktober 2014 gegründeten bwcon GmbH, deren Ziel darin besteht, Unternehmen, Organisationen und Personen durch geeignete Dienstleistungen bei der Nutzung strategischer Technologien zu unterstützen. Die Gesellschaft gestaltet einen Transfer von öffentlichen Wissensquellen in Netze und insbesondere auch den unternehmerischen Transfer zwischen privatwirtschaftlichen Wissensquellen.

Dr.-Ing. Jürgen Jähnert
bwcon GmbH (Stuttgart)
su1838@stw.de

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