„Mit Bioinformatik neue Wege gegen Infektionen und Krebs“

Im Gespräch mit Professor Dr. Thomas Meyer

Herr Professor Meyer, in Ihrem Steinbeis-Innovationszentrum Center for Systems Biomedicine bieten Sie Ihren Kunden die Planung und Initialisierung von Hochdurchsatzprojekten auf den Gebieten der Biomedizin, Pharmakologie und Infektionsforschung an. Welche spezifischen Anforderungen stehen für Sie bei dieser Thematik im Mittelpunkt Ihrer Projektarbeit?

Unseren Fokus richten wir in der Biomedizin auf die Analyse großer Datensätze, die den Zustand und die Eigenschaften menschlicher Zellen in der in vitro-Kultur beschreiben. Ziel dieser Arbeiten ist es, ein besseres Verständnis über die Funktion einzelner menschlicher Gene zu erlangen. Dies geschieht, indem wir in vorangegangenen Experimenten mit unseren Kooperationspartnern unter Einsatz spezieller Roboter die Expression einzelner Gene in menschlichen Zellen entweder erhöht oder erniedrigt haben. Die Effekte solcher genetischen Veränderungen werden nun mittels automatisierter Mikroskopie ausgelesen und dienen zur Bewertung der resultierenden phänotypischen Veränderungen. Auf diese Weise gelingt es, einzelnen menschlichen Genen bestimmte Funktionen zuzuschreiben, die beispielsweise im Verlauf einer Infektion mit einem Krankheitserreger von Bedeutung sind.

Wir haben in den vergangenen Jahren ein einzigartiges Spektrum bioinformatischer Analysetools für die Hochdurchsatzanalyse entwickelt. Der Schwerpunkt hat sich dabei von der reinen Hochdurchsatzanalyse auf die Tiefenauswertung von Datensätzen, der sogenannten „high content“- Analyse, verlagert. So können wir inzwischen aus komplexen Datensätzen weitaus mehr Informationen herausziehen, als dies bislang möglich war, und diese zur Bewertung der experimentellen Ergebnisse heranziehen.

Unser Leistungsangebot ist für eine breite Palette biomedizinischer Fragestellungen von Interesse. Allerdings ist unsere bioinformatische Analyse nur ein Teil innerhalb eines komplexen experimentellen Gesamtvorhabens, in dem zunächst die experimentellen Rohdaten gewonnen werden müssen.

Die Datenmengen im Bereich der medizinischen Forschung sind in den letzen Jahren immer umfangreicher und komplexer geworden, was das Management und die Analyse zwangsweise stetig anspruchsvoller werden lässt. Wie kann diese Herausforderung aus Ihrer Sicht angegangen werden?

Die von uns bearbeiteten Datensätze sind in der Tat sehr umfangreich und bewegen sich in Terabyte-Dimensionen. Hierzu ist neben der benötigten Rechenleistung auch eine ausgeklügelte Datenverwaltung unerlässlich. Wir bedienen uns daher verstärkt auch externer Datenverwaltungssysteme, und zwar unter Berücksichtigung hoher Sicherheitsstandards.

Data Mining und intelligente Datenspeicherung und -dokumentation werden im Hinblick auf die wachsenden Datenmengen zukünftig immer wesentlicher werden. Sie bieten diese Dienstleistungen Ihren Kunden an – können Sie insbesondere auch kleinen und mittleren Unternehmen zentrale Tipps geben, wie sie die eigenen Datenmengen in den Griff bekommen?

Unsere Einheit ist sehr offen gegenüber Kooperationen mit kompetenten Partnern. Gerne stehen wir interessierten Kunden mit unserem Wissen zur Seite. Darüber hinaus liegt uns auch viel daran, mit externen Gruppen und Netzwerken im Rahmen nationaler und internationaler Förderprogramme zu kooperieren.

Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt Ihres Steinbeis-Innovationszentrums liegt in der Beratung auf dem Gebiet der Biomedizin, insbesondere bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Wie werden sich die Anforderungen an neue Medikamente und Impfstoffe Ihrer Meinung nach in der Zukunft ändern?

In der Tat liegt ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeiten auf dem Gebiet der Infektionsforschung. Die von uns betriebene Genfunktionsanalyse hat eine direkte Bedeutung für die Entwicklung von Medikamenten (Antiinfektiva) und Impfstoffen. Darüber hinaus finden wir aber auch wichtige Verbindungen hin zur Krebsforschung und zu Fragen der Bedeutung von Tumorstammzellen. Diese neuartigen Gesichtspunkte zu den Zusammenhängen zwischen chronischen Infektionen und der Krebsentwicklung beim Menschen haben bei unseren eigenen Forschungsarbeiten besonders hohe Priorität. Auch hier stellt die Bioinformatik auf der Grundlage von genomischen Sequenzierdaten ein wichtiges Instrument zur Entwicklung von Hypothesen dar und kann möglicherweise über die Identifizierung bestimmter genomischer Signaturen entscheidend dazu beitragen, kausale Zusammenhänge zwischen Infektion und Krebs herauszuarbeiten.

Im Übrigen verstehen wir unsere aktuellen biomedizinischen Arbeiten als einen Beitrag für sehr bedeutsame, noch in der Zukunft liegende Entwicklungen hin zu spezifischer wirkenden Medikamenten, die mit Blick auf die personalisierte Medizin im Rahmen einer individualisierten Therapie ihre Wirksamkeit entfalten werden.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas F. Meyer ist Leiter des Steinbeis-Innovationszentrums Center for Systems Biomedicine in Berlin/Falkensee. In Kooperation mit dem Max- Planck-Institut für Infektionsbiologie (Foto) führt das Zentrum Hochdurchsatzanalysen auf den Gebieten der Infektions- und Krebsforschung durch und bietet seinen Kunden Management komplexer biomedizinischer Datensätze, die multifaktorielle Analyse von Hochdurchsatzdaten sowie Beratung auf dem Gebiet der Biomedizin.

Professor Dr. Thomas F. Meyer
Steinbeis-Innovationszentrum Center for Systems Biomedicine (Falkensee)
su1370@stw.de

Seite teilen