Die Mensch-Maschine-Schnittstelle im Zeitalter der Digitalisierung

User Centered Design als zentrale Herausforderung im industriellen Umfeld von Industrie 4.0

Die Digitalisierung und Vernetzung von Produkten eröffnen nahezu grenzenlose Möglichkeiten der kundenspezifischen Anpassung an die Nutzung des Produkts durch den Anwender – diese Individualisierung führt aber zugleich zu einer massiv ansteigenden Komplexität solcher „smarten Produkte“. Die Aufgabe ist es also, komplexe Produkte so zu gestalten, dass sie für den Kunden benutzbar bleiben. Die Berücksichtigung von Usability- und User Experience-Kriterien im Produktentstehungsprozess ist eines der wesentlichen Ziele des Forschungsprojekts PUMa (Projekt Usability in Mittelstandsanwendungen). Das Stuttgarter Steinbeis-Innovationszentrum Innovation Engineering ist Partner im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt.

Ein gängiges Beispiel für den Einsatz von Industrie 4.0 im industriellen Umfeld ist der Ersatz des Bedienpults an der Maschine durch das mobile Tablet, mit dem der Bediener per Touchscreen die Anlage steuert. Diese digitale Mensch-Maschine-Schnittstelle bietet sehr viel mehr an Möglichkeiten für die Entwicklung und kundenspezifische Anpassung. Sie erzeugt aber auch die Notwendigkeit, Produkte detaillierter als in der Vergangenheit zu definieren, um dem Anwender die Bedienung der Maschine zu vermitteln. Das zielgerichtete Einbeziehen der Usability und damit der Software in die Anforderungsanalyse und in den Entwicklungsprozess bestimmt, in welchem Maß der Anwender später mit dem fertigen Produkt seine Aufgaben effektiv und effizient erfüllen kann.

Nicht zuletzt durch die stetige Verbreitung mobiler Endgeräte mit touchbasierter Eingabe müssen auch Unternehmen des „klassischen“ Maschinen- und Anlagenbaus das Thema Software unter dem Aspekt der Interface- und Interaktionsgestaltung betrachten, um am Markt bestehen zu können. Umfragen unter Kunden zeigen aber, dass deren Anforderungen nicht konsequent im Produkt umgesetzt werden. Die Berücksichtigung von Usability-Maßnahmen geschieht meist viel zu spät im Produktentwicklungsprozess, vielen Entwicklern ist das Potenzial von Usability-Maßnahmen zur Kundenbegeisterung nicht bewusst.

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt PUMa den Aufbau einer Kompetenzplattform, die die Vernetzung von Software entwickelnden wie anwendenden KMU mit Usability- und User Experience-Experten befördert. Das Projekt ist Teil der Förderinitiative „Einfach intuitiv – Usability für den Mittelstand“, die im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – IKT-Anwendungen in der Wirtschaft“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Die Plattform stellt Projektbeispiele und Usability-Methoden bereit, die leicht und effizient in den Produktentwicklungsprozess von KMU integriert werden können. Durch das Integrieren sowohl von systematisiertem Methodenwissen von ausgewiesenen Experten als auch Beispielen können nachfragende KMU damit die Grundlagen für eine zielgruppengerechte Softwareentwicklung legen. Kern der webbasierten Kompetenzplattform ist ein Datenmodell, das Wissen über Experten, deren Expertise und angebotene Methoden, durchgeführte Projekte sowie externe Begriffsnetze miteinander verknüpft.

Die Kompetenzplattform spricht dabei vor allem KMU mit IT-Bezug sowie Usability-Experten an und ist in einen offenen sowie einen Mitgliederbereich getrennt. In dem frei zugänglichen Bereich der Plattform werden weitreichende Netzwerk- und Informationsangebote zur Verfügung gestellt. Ein Empfehlungsassistent bietet Unternehmen mit geringem Usability-Know-how die Möglichkeit, sich passende Experten oder eine Usability-Methode aus der Datenbank vorschlagen zu lassen (Matchmaking). Daneben haben die Nutzer die Möglichkeit, Experten oder Usability-Methoden gezielt zu suchen. Der Mitgliederbereich bietet weitgehende Projektmanagementtools. Hier können Projekte über geschützte virtuelle Projekträume abgewickelt, organisiert und geleitet werden. Daneben sind Werkzeuge zur Unterstützung von nutzerzentrierten Entwicklungsprozessen vorgesehen.

Die Kompetenzplattform wird von drei regionalen Kompetenzzentren begleitet, die als reale Anlaufstellen dienen. Sie stellen vor Ort die Knotenpunkte für regionale Netzwerke und Wirtschaftscluster dar, die in Veranstaltungsreihen oder Meetings gepflegt werden können. „Hierbei steht auch die Vermittlung eines neuen Ansatzes für die Realisierung von Produkt- und Prozessinnovationen im Rahmen des Produktentstehungsprozesses im Vordergrund: Die systematische Integration des Designs im Sinne einer nutzer- und kontextgebundenen Funktionalität anstelle einer oft noch dominierenden technologiefokussierten Denkweise stellt für viele KMU einen Wechsel der bisherigen Sichtweise dar“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Günther Würtz. Er ist Leiter des Steinbeis-Innovationszentrums Innovation Engineering und hat im Projekt PUMa unterschiedliche Geschäftsmodelle für den Betrieb der Kompetenzplattform in den einzelnen Kompetenzzentren entwickelt. Sie ermöglichen es interessierten Betreibern – beispielsweise Unternehmen, Verbänden oder Clustern – die Online-Plattform auch über das Projektende hinaus erfolgreich zu betreiben.

Diese Aktivitäten führt Steinbeis nun über das Projekt PUMa hinaus im Rahmen der Initiative „Digitalisierung – Vernetzung – Konvergenz“ fort. Ziel dieser Initiative ist die Anpassung bestehender, aber auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für entwickelnde und produzierende Unternehmen durch die Nutzung der technischen und organisatorischen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung bieten. Damit werden Unternehmen ganz konkret dabei unterstützt, die Transformation in die digitalisierte Wirtschaft erfolgreich zu gestalten.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Günther Würtz
Steinbeis-Innovationszentrum Innovation Engineering (Stuttgart)
guenther.wuertz@stw.de 

Jochen Denzinger
ma ma - interactive system design (Frankfurt)

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