„Ich bin sehr optimistisch, was die Entwicklung der nächsten fünf Jahre angeht“

Im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Nejila Parspour

Frau Professor Parspour, die Elektrotechnik prägt Ihren beruflichen Werdegang und selbstredend Ihr 2009 gegründetes Steinbeis- Beratungszentrum Elektromobilität und Antriebstechnik. Haben sich die Schwerpunkte Ihres Zentrums in den vergangenen Jahren geändert oder ist Ihre Branche von langfristigen Entwicklungen geprägt?

Der Trend zur Entwicklung von mechatronischen Systemen, vor ca. 50 Jahren angefangen, setzt sich nach wie vor fort. Ein wesentliches Element solcher mechatronischer Systeme ist das elektrische Antriebssystem mit vielfältigen Anwendungsfeldern, wie zum Beispiel in der Industrieautomation als einem der ältesten Anwendungsfelder und aktuell in der Elektromobilität. Ich musste den Schwerpunkt meines Zentrums nicht ändern, da es sowohl kurzfristig als auch langfristig Potenzial für spannende Entwicklungen und vielversprechende Projekte gibt.

Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Entwicklung von hocheffizienten Kabel- und berührungslosen Ladesystemen für Elektrofahrzeuge. Geben Sie uns bitte einen Einblick in die Funktion eines solchen Ladesystems und dessen Vor- und Nachteile!

Die berührungslose Übertragung der elektrischen Energie erfolgt über die magnetische Kopplung zwischen zwei Spulensystemen anstatt mit Kabeln. Vereinfacht dargestellt, induziert das magnetische Feld der stationären Spule nach dem physikalischen Prinzip der Induktion eine elektrische Spannung in einer zweiten Spule, die im Unterboden des Autos installiert ist. Die Realisierung eines effizienten kabellosen Systems erfordert jedoch komplexe Berechnungen des magnetischen Felds und aufwändige elektronische Schaltungen sowie Expertenerfahrung.

Induktive Ladesysteme weisen eine Reihe von Vorteilen auf. Zu erwähnen sind insbesondere der Ladekomfort und die Möglichkeit des automatischen Ladens. Das Fahrzeug kann automatisch und ohne Mitwirkung des Fahrers geladen werden, was vor allem bei Schnee und Regen von Bedeutung ist. Durch das automatische Laden an jedem Parkplatz, jeder Ampel oder jedem Straßenabschnitt wird die zur Verfügung stehende Reichweite erhöht. Induktive Ladesysteme haben keinen zusätzlichen Platzbedarf und sind geschützt vor Vandalismus und wartungsarm. Als Nachteil gilt, dass diese Systeme sich derzeit noch im Prototypenstadium befinden und deshalb teurer sind.

Ihr Steinbeis-Beratungszentrum entwirft und entwickelt für seine Kunden unter anderem Prototypen von elektrischen Motoren sowie energieeffiziente Antriebssysteme. Welche Trends und Tendenzen erkennen Sie aktuell in der Nachfrage Ihrer Kunden bei Motoren und Antrieben?

Das Thema Energieeffizienz spielt nach wie vor eine große Rolle, wobei ziemlich gleichwertig auch das Thema Kosteneffizienz zu berücksichtigen ist. Trends gehen in Richtung der Kompaktheit, also Entwicklung von Motoren mit höherer Leistungsdichte bzw. Drehmomentdichte, und der Integration der Leistungselektronik und des Motors in einem Gehäuse. Neu ist auch, seit dem Anstieg der Preise für Permanentmagnete, dass elektrische Maschinen in Form von Motoren und Generatoren ohne Permanentmagnete gefragt sind.

Elektromobilität besitzt ein enormes Potenzial, birgt aber auch Probleme: zu teuer, zu geringe Reichweite, zu wenige Ladestationen. Welches dieser Probleme ist aus Ihrer Sicht erfolgsentscheidend für den Durchbruch der Elektromobilität in der Breite und muss daher prioritär angegangen werden?

Genau die Reihenfolge Ihrer Benennung halte ich für entscheidend. Die Umfragen zeigen, dass viele Menschen trotz der geringen Reichweite sofort elektrisch fahren würden – wenn nur die Elektroautos nicht so teuer wären. Die Reichweiten der E-Fahrzeuge werden sich im Lauf der nächsten Jahre verbessern. Schon heute haben wir zum Beispiel mit dem Tesla S und dem BMW i3 zwei Fahrzeuge, die nicht nur für den Stadtverkehr eingesetzt werden können. Trotzdem müssen alle drei Nachteile gleichzeitig bearbeitet werden. Preiswerte Elektroautos mit höherer Reichweite und flächendeckende Infrastruktur, dann würde dem Durchbruch der Elektromobilität nichts mehr im Wege stehen.

Eine Million Elektroautos im Jahr 2020 lautete vor Jahren das offizielle Ziel der Politik. Was ist Ihrer Meinung nach heute realistisch und mit der vorhandenen Infrastruktur bis in fünf Jahren umsetzbar?

Hier kann man kaum eine belastbare Antwort geben. Wichtig ist, dass seit dieser Zielsetzung innerhalb von sehr kurzer Zeit recht viel passiert und nach sehr vielen Jahren endlich Bewegung in die Entwicklung von Elektroautos gekommen ist. Wenn man dies mit der Tatsache vergleicht, dass die Forschung auf dem Gebiet der Elektromobilität fast einhundert Jahre auf Eis gelegen hat, dann bin ich sehr optimistisch, was die Entwicklung der nächsten fünf Jahre angeht.

Kontakt

Professor Dr.-Ing. Nejila Parspour leitet das Steinbeis-Beratungszentrum Elektromobilität und Antriebstechnik und ist Professorin an der Universität Stuttgart. Sie beschäftigt sich intensiv mit Fragen der berührungslosen Energieübertragung, mit Entwurf und Prototypentwicklung von elektrischen Motoren und Generatoren sowie mit dem Design von elektromechanischen Systemen.

Professor Dr.-Ing. Nejila Parspour
Steinbeis-Beratungszentrum Elektromobilitat und Antriebstechnik (Gerlingen)
SU1367@stw.de

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