Betriebliches Gesundheitsmanagement: Wie Mitarbeiter und Unternehmen profitieren

Steinbeis-Transfer-Institut entwickelt altersgerechtes Konzept

Das Statistische Bundesamt prognostizierte 2009, dass die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland von 49,7 Mio. im Jahr 2010 um etwa 35% auf 32,6 Mio. im Jahr 2060 schrumpfen wird. Selbst bei einer deutlich höheren Zuwanderung und einer Verlängerung der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit wird dieser Prozess kaum aufzuhalten sein. Schon heute spüren einige Branchen, dass der Nachwuchs ausbleibt: Der demografische Wandel wird in Deutschland dazu führen, dass das Durchschnittsalter in den Betrieben in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Umso mehr muss es im Interesse der Betriebe liegen, dass ältere Beschäftigte möglichst lange und gesund im Arbeitsleben verbleiben. Die Experten am Steinbeis-Transfer-Institut Villingen Institute of Public Health (VIPH) an der Steinbeis- Hochschule Berlin haben unter Leitung von Dr. med. Lotte Habermann-Horstmeier im Hinblick darauf das Konzept „altersgerechtes Betriebliches Gesundheitsmanagement (aBGM)“ ausgearbeitet.

In Betrieben, die die Arbeitsfähigkeit ihrer älter werdenden Mitarbeiter auch in Zukunft erhalten und fördern möchten, reicht es nicht aus, der Belegschaft Einzelmaßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung anzubieten: Ihre Effektivität und Effizienz müssen durchaus in Zweifel gezogen werden, denn als alleinige Maßnahmen werden sie kaum spürbare Folgen haben. Vielmehr ist ein umfassendes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) vonnöten. Ein BGM geht weit über die traditionellen Aktivitäten der Betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus. Es schafft gesundheitsfördernde Strukturen in den Betrieben und Institutionen und verbindet diese mit einzelnen sinnvollen präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen.

Unter dem Gesichtspunkt der alternden Gesellschaft sollte ein gutes BGM heute immer ein altersgerechtes Betriebliches Gesundheitsmanagement sein. Daher hat das Steinbeis-Transfer-Institut Villingen Institute of Public Health (VIPH) das „altersgerechte Betriebliche Gesundheitsmanagement (aBGM)“ konzipiert. Basis dafür waren die Strategien und Instrumente des Deutschen Netzwerks für Betriebliche Gesundheitsförderung (BKK. Beschäftigungsfähigkeit erhalten. Strategien und Instrumente für ein langes gesundes Arbeitsleben. BKK Bundesverband 2007). Wichtig für den Erfolg eines aBGM im Unternehmen sind die Einbeziehung der Betriebsleitung und der Mitarbeiter, ein gutes, kooperatives Führungsverhalten sowie eine wertschätzende Unternehmenskultur.

Zu den ersten Schritten bei der Planung eines aBGM gehört es, die sich ändernde Altersstruktur im Betrieb mit Hilfe einer Altersstrukturanalyse zu erfassen. Darauf aufbauend wird eine Checkliste zum Handlungsbedarf erarbeitet, in der die aktuellen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Betrieb unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Altersstruktur sichtbar werden. Bei dieser Betrachtung sollten auch die Ergebnisse eines Work Ability Index mit berücksichtigt werden, der die Einschätzung der Beschäftigten zu ihrer eigenen Arbeitsfähigkeit (jetzt und in Zukunft) aufzeigt. Ein innerbetrieblicher Workshop „Alter und Gesundheit“ kann die Beschäftigten für das Thema sensibilisieren.

Das auf dieser Basis entwickelte unternehmensindividuelle aBGM betrifft viele betriebliche Bereiche. Konkrete Maßnahmen können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Entwicklungsplanung koordiniert geschieht und dabei eine ganzheitliche integrative Strategie verfolgt wird. Dabei sollten die Aktivitäten auf den unterschiedlichen Handlungsebenen ineinander greifen:

  • Die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung muss immer wieder an die sich ändernden körperlichen Leistungsvoraussetzungen der Menschen angepasst werden. So werden arbeitsbedingte Fehlbelastungen vermieden.
  • Auch ältere Mitarbeiter profitieren davon, wenn Arbeit und Arbeitsabläufe flexibler gestaltet werden. Dazu gehören Tätigkeits- und Belastungswechsel, die den Beschäftigten mehr Abwechslung bieten und ein besseres Lernen bei der Arbeit ermöglichen. Hier können altersgemischte Teams von Vorteil sein. Zu einer besseren Arbeitsorganisation gehören auch Maßnahmen, die den immer stärker werdenden Zeitdruck reduzieren.
  • Von großer Bedeutung für ältere Mitarbeiter sind Maßnahmen der Arbeitszeitgestaltung, die unter dem Stichwort „Work-Life-Balance“ zunehmend auch von jüngeren Beschäftigten in Anspruch genommen werden. In diesem Zusammenhang ist ein Verzicht auf Schichtarbeit zu diskutieren, da das Erkrankungsrisiko bei älteren Schichtarbeitern deutlich ansteigt. Wenn dies nicht möglich ist, sollte ein gesundheitsschonender Schichtrhythmus eingehalten werden.
  • Je nach den betrieblichen Erfordernissen können im Rahmen der Gesundheitsprogramme Gesundheits-Checks und Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Andere Maßnahmen wären die Einrichtung von Betriebssportgruppen und von Kantinen, die gesunde Ernährung anbieten oder das Erlernen von Anti-Stress-Strategien. Gesundheitsprogramme sind in der Regel nur dann langfristig wirksam, wenn die Bedingungen im Betrieb entsprechend angepasst werden.
  • Die Bedeutung der Weiterbildung im Rahmen eines aBGM wird oft verkannt. Wenn in einem Betrieb eine altersunabhängige und altersübergreifende betriebliche Qualifizierungspolitik durchgeführt wird, kann damit das Know-how aller umfassend erweitert werden. Dies bietet älteren Mitarbeitern Schutz vor einer Überforderung, da sie dann auch an anderer Stelle im Betrieb eingesetzt werden können.
  • Zu einem guten aBGM gehört auch die stufenweise Wiedereingliederung nach längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten (Return-to- Work). Die Zahl der chronisch kranken Menschen steigt mit dem Lebensalter an. Für die Betriebe wird daher die erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung immer wichtiger.

Kleine und mittlere Betriebe sind häufig der Ansicht, dass sich ein umfassendes BGM wegen hoher Kosten für ihre Betriebsgröße nicht lohnt. Für die Experten am Villinger Steinbeis-Transfer-Institut war es daher bei der Erarbeitung des aBGM eine wesentliche Voraussetzung, dass sich das Konzept auf jede Betriebsgröße zuschneiden lässt. Ob ein Programm der Betrieblichen Gesundheitsförderung letztendlich wirksam und für den Betrieb auch wirtschaftlich ist, kann im Rahmen einer Ergebnisevaluation überprüft und bewertet werden. Die meisten Betriebe verzichten leider aus Kostengründen darauf, doch auch hier gibt es insbesondere bei KMU Möglichkeiten, die anfallenden Kosten zu beschränken.

Kontakt

Dr. med. Lotte Habermann-Horstmeier
Steinbeis-Transfer-Institut Villingen Institute of Public Health (VIPH) (Villingen-Schwenningen)

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