Fachkräfte verzweifelt gesucht

Für Fachkräfte aus Südeuropa ist in Deutschland die Sprache die größte Herausforderung

Die Gegensätze sind deutlich: Während Unternehmen in Deutschland qualifizierte Fachkräfte verzweifelt suchen, herrscht in Teilen Südeuropas Massenarbeitslosigkeit. Einwanderer aus den von der Euro-Krise betroffenen Staaten stehen in Deutschland oft nicht vor fachlichen Problemen im Unternehmen, sondern in erster Linie vor der Herausforderung, möglichst schnell Deutsch zu lernen. Das Göppinger Steinbeis- Transferzentrum Mikroelektronik unterstützt in einem Pilotprojekt ausländische Fachkräfte beim Sprachunterricht.

Die Zahl der Einwanderer aus Südeuropa ist im ersten Halbjahr 2012 um rund 6,5% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im selben Zeitraum nur um 1,6%. „Die gute Beschäftigungslage hier hat sich natürlich herumgesprochen“, erklärt Dr. Beate Raabe von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. „Da Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache kaum im Ausland gelehrt wird, entwickeln sich gute Sprachkenntnisse zu einem ganz wichtigen Kriterium.“

Viele der Migranten bringen Qualifikationen mit, die hierzulande Mangelware sind. Beispiel Ingenieure. Betroffen sind von der Ingenieurlücke vor allem der Süden Deutschlands und Nordrhein-Westfalen. Und durch den demographischen Wandel wird der regionale Mangel an Ingenieuren einiger Fachrichtungen künftig noch größer werden. „Genau diesen Gedanken gilt es in der deutschen Gesellschaft zu verankern“, so Dr. Ina Kayser, Expertin für Beruf und Arbeitsmarkt beim VDI. „Unser Land ist hier in vielem noch sehr vorurteilsbehaftet. Es muss allen klar werden, dass wir diese Menschen brauchen.“ Viele große Konzerne seien zwar sehr fortschrittlich und stellten zum Beispiel einer Führungskraft für die Anfangszeit einen Mentor zur Seite, der den Alltag in dem fremden Land erleichtert. Aber gerade viele mittelständische Unternehmen täten sich dabei noch schwer. Die Sprache sieht Dr. Ina Kayser als eine der größten Integrationshindernisse. „Ich bekomme von ausländischen Ingenieuren oft zu hören, dass sie in zahlreichen Bewerbungen abgelehnt wurden, weil sie kein Deutsch können. Ich denke, die Anfangszeit lässt sich irgendwie überbrücken. Die Investition in eine sprachliche Weiterbildung sollten Unternehmen als Investition in die Zukunft sehen.“

Diesen Gedanken setzt das Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik (TZM) in Göppingen schon in die Tat um. Der Spezialist für Engineering- Dienstleistungen für Elektronik, Software und Mess- und Prüftechnik sucht Ingenieure der Informatik und Elektrotechnik, der Bewerbermarkt aber ist wie leergefegt. Das TZM hat sich daher dazu entschlossen, gezielt in Südeuropa Ingenieure zu rekrutieren. Schon im Frühjahr 2012 hat das TZM sich auf die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern in Südeuropa gemacht. „Wir haben über Stellenanzeigen und Hochschulkontakte Fachkräfte gesucht“, erzählt Sandra Welter, Personalleiterin beim TZM. Die bisherigen Erfahrungen beschreibt sie als sehr positiv, fast ausschließlich fachlich hoch qualifizierte und zudem überaus motivierte Absolventen genauso wie Ingenieure mit Berufserfahrung haben sich beworben. Vergeblich haben sie in Spanien nach einer Stelle gesucht und schließlich die dramatische Lage erkannt: In ihrer Heimat gibt es für sie aktuell keine Zukunft.

Die meisten der neuen Kollegen allerdings können kein Deutsch. Da sie später mit direktem Kundenkontakt arbeiten werden, hat das TZM sich entschlossen, die neuen Mitarbeiter beim Deutschlernen zu unterstützen. Im Herbst 2012 fiel der Startschuss für das Pilotprojekt. Ein Sprachlehrer der Sprachschule inlingua aus Stuttgart kam täglich ins Unternehmen um mit den spanischen Ingenieuren vormittags Deutsch zu lernen. Ihre ersten fachlichen Aufgaben erledigten sie dann nachmittags. Zudem hat das Unternehmen mit gemeinsamen Ausflügen und anderen Aktivitäten den neuen Mitarbeitern das Ankommen in Deutschland erleichtert. Fazit für das TZM: Es lohnt sich, sich größeren Herausforderungen in Sachen Personalrecruiting zu stellen. Auch in Zukunft wird der Blick aufs Ausland für das Zentrum weiter an Bedeutung gewinnen.

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