„Eine exzellente Hilfe zur Selbsthilfe“

Im Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. habil. Eberhard Kallenbach

Mit dem diesjährigen Ehrenpreis zeichnete die Jury des von der Steinbeis-Stiftung vergebenen Löhn-Preises Eberhard Kallenbach, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Mechatronik, aus. Sie würdigt damit die herausragenden Leistungen des Ilmenauers, der sich äußerst erfolgreich und engagiert für den konkreten Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft einsetzt. TRANSFER hat sich mit Eberhard Kallenbach über die Standortfrage, Magnete in der Mechatronik und die Perspektiven für die Zukunft unterhalten.

Herr Professor Kallenbach, zuerst einmal gratulieren wir Ihnen herzlich zum Löhn-Preis 2008. Ihr Steinbeis-Transferzentrum war 1991 eine der ersten Steinbeis- Gründungen in den neuen Bundesländern. Was war für Sie damals der Antrieb, diesen Schritt zu wagen?

Von Wissenschaftlern der Sektion Gerätetechnik der TH Ilmenau wurden vor mehr als zwei Jahrzehnten mechatronische Forschungsprojekte wie beispielsweise schnellwirkende Magnetantriebe, Automatikbonder, Justageautomaten bearbeitet, in denen die enge Wechselwirkung von mechanischen, elektrischen und steuerungstechnischen Funktionsgruppen zu neuartigen Produkten mit Alleinstellungsmerkmalen führte. Durch Veröffentlichungen darauf aufmerksam gemacht, kamen Anfang der neunziger Jahre renommierte Industrieunternehmen wie zum Beispiel Bosch, Bürkert und Mahle nach Ilmenau, um mit uns zusammenzuarbeiten. Mit dem von Professor Löhn entwickelten und erprobten Steinbeismodell für Transferzentren, das durch Lothar Späth in Thüringen bekannt gemacht wurde, eröffneten sich für mich als Universitätsprofessor neue Möglichkeiten neben der Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität auch unternehmerisch tätig zu werden. Aufbauend auf unseren Forschungsergebnissen wurde es möglich, zeitnah neue Produkte zu entwickeln, in die Industrie zu überführen und mit den erwirtschafteten Mitteln neue Arbeitsplätze zu schaffen, die infolge der Umstrukturierung der Industrielandschaft in den neuen Bundesländern dringend benötigt wurden. Das war eine exzellente Hilfe zur Selbsthilfe, die ich und mehrere meiner Kollegen gern als Chance nutzten. Heute hat das Steinbeis-Transferzentrum Mechatronik Ilmenau 17 feste Mitarbeiter, die mit Engagement und Erfindergeist mechatronische Produkte entwickeln.

Die Standortdiskussion, die momentan in aller Munde ist, scheint für Sie und Ihre Kollegen im Steinbeis-Haus in Ilmenau kein Thema zu sein: Sie sind fest am Standort Ilmenau verwurzelt. Welche Vorteile bietet Ihnen die Region?

Die Wahl des Standortes in Ilmenau hat sich als richtig erwiesen, da die nach wie vor enge Zusammenarbeit mit der TU Ilmenau und den in der Nähe des Universitätscampus inzwischen entstandenen KMU Vorteile mit sich bringen, die die durchaus bestehenden Standortnachteile zunehmend kompensieren. Wertvoll war und ist für uns auch die Betreuung durch die Steinbeismitarbeiter in der Zentrale in Stuttgart, die uns halfen Fehler zu vermeiden. Der Name Steinbeis hat uns Türen geöffnet in Unternehmen in den alten Bundesländern, nicht nur in Baden- Württemberg.

Der Magnet spielt in Ihrem Zentrum eine zentrale Rolle, sei es in der Antriebstechnik oder in der Werkstofftechnik. Welche Eigenschaften machen den Einsatz der Magnettechnik für die Mechatronik so wertvoll?

Elektromagnete und magnetische Antriebe spielen nach wie vor in unserer Geschäftstätigkeit eine entscheidende Rolle, weil wir auf diesem Gebiet langjährige Erfahrungen sammeln konnten, die gezielt ständig weiter ausgebaut werden. Außerdem kommt uns zugute, dass durch Dezentralisierung der Antriebstechnik die Anzahl der Magnetaktoren pro Maschine oder Fahrzeug ständig wächst. Intensiv beschäftigen wir uns auch mit der Charakterisierung magnetischer Werkstoffe und magnetischer Aktoren.

Sie sind mit Ihrem Zentrum Paradebeispiel für die Unterstützung junger Existenzgründer: 2001 haben Sie die Innomas Innovative Magnetsysteme GmbH gegründet. Welche Entwicklung hat das junge Unternehmen seitdem genommen?

Die Innomas GmbH, in der ich Mitgesellschafter bin, hat sich seit ihrer Gründung sehr positiv entwickelt. Sie ist ein eigenständiges Unternehmen, das ohne umfangreiche staatliche Fördermittel sehr erfolgreich tätig ist. Alle Projekte, die von der Erarbeitung der Aufgabenstellung bis zum Testmuster reichen, sind im Bereich der industriellen Vorentwicklung angesiedelt und wurden bisher stets mit großer Kundenzufriedenheit und Termintreue abgeschlossen.

Neben Ihrer Arbeit an der TU Ilmenau und in Ihrem Steinbeis-Transferzentrum sind Sie Vorsitzender des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Wachstumskerns VERDIAN. Was hat es mit diesem Verbundvorhaben auf sich?

Der Wachstumskern VERDIAN ist ein langfristig angelegtes Verbundvorhaben, das die Forschungs- und Entwicklungsbasis neu gegründeter Unternehmen für die nächsten 15 Jahre sichern soll. Durch Know-how- Bündelung werden die Voraussetzungen geschaffen, dass die im Wachstumskern zusammenarbeitenden Unternehmen der Rennsteigregion sich zu weltweit führenden Anbietern von VERnetzten magnetischen DIrektANtrieben (VERDIAN) entwickeln können. Damit werden Spitzenkräfte, die an der TU Ilmenau ausgebildet werden, in der Region gebunden. Mit dem inzwischen entstandenen Netzwerk, das aus acht innovativen Unternehmen und zwei Forschungseinrichtungen besteht, konnte in den ersten beiden Jahren bereits ein überproportionales Wachstum von über 11 Prozent nachgewiesen werden.

Rund 30 Mitarbeiter sind inzwischen im Steinbeis-Haus tätig und entgegen dem wirtschaftlichen Trend wollen Sie weiter neue Arbeitsplätze schaffen. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Mit 30 ständigen Mitarbeitern sowie zeitweise tätigen Studenten und Doktoranden ist das Steinbeis-Haus, in dem inzwischen vier Firmen – das STZ Mechatronik, das STZ Qualitätssicherung & Bildverarbeitung, das STZ Federntechnik und die Innomas GmbH – eingemietet sind, überbelegt. Da meine Mitarbeiter und ich überzeugt sind, dass der Bedarf an Magnetantrieben mit neuen herausragenden Eigenschaften wie hohe Dynamik, gute Integrierbarkeit, niedriger Energieverbrauch weiter überproportional steigen wird, ist von Steinbeis beabsichtigt, mit Unterstützung des Landes Thüringen ein weiteres Gebäude zu errichten, damit wir neue hochqualifizierte Mitarbeiter einstellen und unserem Motto „Bewegen durch Innovation“ mit magnetischen Antrieben auch in Zukunft gerecht werden können.

Kontakt

Eberhard Kallenbach gründete 1991 das Steinbeis- Transferzentrum Mechatronik an der TU Ilmenau und leitet es seitdem erfolgreich. Das Zentrum beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themenfeldern elektrische Antriebselemente (Aktoren), elektromechanische Spezialantriebe und Elektroniktechnologie sowie Magnettechnik. Eberhard Kallenbach „[…] baut aber nicht nur Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, sondern leistet mit seinen Transferprojekten und seinem Engagement in Forschung und Lehre auch einen Beitrag zum Zusammenwachsen von Ost und West und zur regionalen Wirtschaftsförderung […]“, so die Jury des Löhn-Preises. Er schafft Zukunftsperspektiven für gut ausgebildete junge Menschen in seiner Region, was heute keine Selbstverständlichkeit ist. Eberhard Kallenbach ist neben seiner Arbeit im Steinbeis-Transferzentrum auch Hochschulprofessor, Doktorvater, Autor zahlreicher Fachbücher, Gutachter für die DFG und Mitglied in der Sächsischen und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Er erhielt 2004 erstmals den Löhn-Preis für ein Transferprojekt seines Transferzentrums mit der MAHLE International GmbH.

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