Interview mit Prof. Dr.-Ing. Jürgen van der List

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Jürgen van der List, Löhn-Preisträger 2007 mit dem Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik

Auch 2007 hat Steinbeis im Rahmen des Steinbeis-Tags den Löhn-Preis verliehen. Vor mehr als 500 geladenen Gästen zeichnete die Jury Prof. Dr.-Ing. Jürgen van der List und das Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik in Göppingen für die langjährigen herausragenden Leistungen und Projekte im Technologietransfer aus. Die Jury ehrte außerdem das persönliche Engagement von Dr.-Ing. Wilhelm Schmitt, Senator E.h., als langjähriges Mitglied des Kuratoriums und des Kuratoriumsausschusses der Steinbeis-Stiftung. TRANSFER sprach mit Prof. Dr.-Ing. van der List, der das Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik 1991 gegründet hatte und bis heute maßgeblich am Auf- und Ausbau beteiligt war.

Herr Professor van der List, zuallererst herzlichen Glückwunsch zum Löhn-Preis 2007 für Sie und das TZM, das Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik. Schaut man heute auf das TZM stellt sich bei 130 Mitarbeitern und Kunden in aller Welt wohl kaum mehr die Frage nach Ihren Motiven, 1991 ein Transferzentrum am Göppinger Standort der Esslinger Hochschule zu gründen. Erklären Sie uns bitte trotzdem, was damals Ihre Beweggründe waren. Welchen Mehrwert erhofften Sie sich, was konnten Sie Kunden in der Industrie bieten?

1987 bekam ich den Auftrag, die neue Fakultät Elektronik/Mikroelektronik der Hochschule Esslingen aufzubauen. Innerhalb von drei Jahren gelang es mir, geeignete Progessoren und Mitarbeiter einzustellen und eine hervorragende gerätetechnische Ausstattung für eine berufsqualifizierende Ausbildung der Studierenden zu beschaffen. Mir wurde schnell klar, dass dieser hochmoderne Gerätepark gepaart mit dem hohen Fachwissen der Professoren nicht nur für die studentische Ausbildung, sondern auch für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und damit für die umliegende Industrie interessant sein könnte. So reifte mein Entschluss, im Jahre 1991 gemeinsam mit Professor Osterwinter ein Transferzentrum Mikroelektronik zu gründen. Mehrere Dinge wollte ich mit der Gründung erreichen: zum einen sollen Fachhochschulprofessoren praxisorientiert lehren. Dies ist am besten möglich, wenn sich die Professoren ständig an aktuellen Entwicklungsprojekten der Industrie aktiv beteiligen. Das TZ Mikroelektronik bietet dazu eine geeignete Plattform. Außerdem wollte ich die erheblichen laufenden Kosten in den Elektronik-Laboren durch Einnahmen aus Industrieaufträgen, teilweise wieder einspielen. Die Zusammenarbeit der Professoren untereinander sollte durch gemeinsame Projekte im TZ Mikroelektronik schließlich auch gestärkt werden. Und natürlich sollte die Fakultät Elektronik/Mikroelektronik durch spektakuläre Entwicklungen im TZ Mikroelektronik in der Industrie und in der Öffentlichkeit bekannter werden. Nach Gründung des TZ Mikroelektronik boten wir der umliegenden Industrie unsere Dienstleistungen auf unterschiedlichsten Gebieten der Elektronik an und stießen sofort auf großes Interesse. Besonders kleine und mittlere Unternehmen nutzten die Möglichkeit, die modernen Geräte und das Spezialwissen der Professoren für ihre Belange einzusetzen. Besonders geschätzt wurde die Schnelligkeit und Spontaneität, mit der wir Kundenanfragen beantworteten und mit der wir Entwicklungen durchführten und damit schnelle Hilfe leisten konnten.

Häufig ist der Spagat zwischen Hochschule und Forschung auf der einen Seite und dem konkreten wirtschaftlichen Transfer in Produkte auf der anderen Seite nicht ganz einfach. Ganz offensichtlich ist das TZM diesem Problem erfolgreich begegnet. Wie konnten Sie Kunden und die Hochschule davon überzeugen, auf den konkreten Transfer von der Hochschule in die Produkte der Kunden zu setzen?

Die Möglichkeit, an der Entwicklung von Produkten beteiligt zu sein, ergab sich erst, als durch viele erfolgreiche Projekte eine Vertrauensbasis zwischen Firmen und TZ Mikroelektronik entstanden war. Das gab uns die Möglichkeit eines Einstiegs in ein Projekt bereits zu einem sehr frühen Entwicklungszeitpunkt. Um die daraus resultierenden besonderen Anforderungen erfüllen zu können, ist eine Spezialisierung auf einzelne Fachgebiete notwendig. Diese Umstrukturierung haben wir konsequent durchgeführt. In den ersten Jahren waren wir fachlich sehr breit aufgestellt; seit einigen Jahren konzentrieren wir uns auf die Themen „embedded systems“, „Software“ und „Dienstleistungen“ für die Bereiche Automobilindustrie, Automatisierungstechnik und Medizintechnik.

Das automobile Bussystem FlexRay ist als eigenes Produkt zu Ihrem Aushängeschild geworden. Bitte erklären Sie uns kurz: wo liegt bei FleyRay die Innovation, der Vorteil gegenüber klassischen Bussystemen für Ihre Kunden?

Der Einsatz elektronischer Steuergeräte im Fahrzeug ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Diese Steuergeräte sind über so genannte Datenbussysteme miteinander vernetzt, um Informationen auszutauschen. Durch den starken Anstieg der Anzahl der elektronischen Komponenten im Auto stoßen die heute verwendeten Bussysteme an ihre Grenzen. Das neue Bussystem FlexRay löst dieses Problem durch eine deutlich höhere Datenübertragungsgeschwindigkeit. Bestimmte Funktionen im Auto erfordern eine unmittelbare Reaktion, also eine Datenübertragung über das Bussystem ohne Verzögerung. FlexRay kann das garantieren. Weiterhin bietet FlexRay gegenüber den konventionellen Systemen eine deutlich höhere Flexibilität und wurde deshalb von den führenden Automobilherstellern als Bussystem der Zukunft erkannt. Das Bussystem FlexRay ist ein offener Busstandard und wird sicherlich zukünftig von den meisten Automobilherstellern auf der Welt eingesetzt werden. Erste Serienautos und Testfahrzeuge sind bereits heute mit dem FlexRay-Bus ausgestattet.

Einer Ihrer Schwerpunkte liegt in der Software-Entwicklung für die Medizintechnik. Welchen Problemen stehen Hersteller und Anwender aktuell gegenüber und welche Entwicklungen streben Sie in diesem Bereich für die Zukunft an?

Software ist heute integraler Bestandteil einer Vielzahl medizintechnischer Geräte. Trendstudien zeigen, dass die Bedeutung von Software in der Medizintechnik weiter zunehmen wird, insbesondere zur Umsetzung innovativer Funktionen und Leistungen. Die zunehmende Bedeutung der Software in der Medizintechnik spiegelt sich mitunter darin wider, dass neue Standards, wie etwa die EN 62304 oder die 3. Ausgabe der IEC 60601 1-1, detaillierte Anforderungen an die Entwicklung medizintechnischer Software stellen. Die Standards bieten ein Grundgerüst dafür, was bei der Entwicklung von Software zu berücksichtigen ist und welche Anforderungen zu erfüllen sind, um eine zertifizierbare Softwareentwicklung zu etablieren. Allerdings werden recht wenige Hinweise darauf gegeben, wie das Grundgerüst praktisch umgesetzt werden kann. Dies erlaubt den Herstellern zwar ein gewisses Maß an Flexibilität hinsichtlich der Methoden, Techniken und Werkzeuge im Entwicklungskontext, macht den Stand der Technik bei der Softwareentwicklung in der Medizintechnik jedoch schwer einschätzbar.

Stillen sie zuletzt bitte unsere Neugier und verraten Sie uns: wie werden Sie das Preisgeld des Löhn-Preises einsetzen?

Darüber haben wir noch nicht im Einzelnen entschieden. Aber es ist völlig klar, dass dieses Geld den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über viele Jahre hervorragende Arbeit geleistet haben, zugute kommen soll; in Form eines besonderen Anlasses oder Ereignisses.

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