Passt wie angegossen

Schuhgrößenbestimmung per Smartphone

Der Online-Schuhhandel floriert, doch steigende Retourenquoten begrenzen die Gewinnmargen. Während im Schuhfachgeschäft vor Ort unterschiedliche mechanische oder elektronische Geräte zur Messung von Fußlänge und Passformtypus eingesetzt werden, ist der Internetkäufer auf eine verlässliche Größenbestimmung zu Hause angewiesen. Hier hilft die Entwicklung der CMOS Chip-Technologie, wie sie in Smartphone-Kameras heute zum Einsatz kommt, denn durch sie ergeben sich neue Möglichkeiten der optischen Fußvermessung. Experten des Steinbeis-Transferzentrums Bildverarbeitung und Medizininformatik in Stralsund haben ein Verfahren entwickelt, um Fußlänge und –breite mit handelsüblichen Smartphones exakt, zuverlässig und schnell zu bestimmen.

Besonders bei Kindern ist die biometrische Vermessung der Füße für die Auswahl von Schuhen sehr wichtig, da Kinder bei der Schuhprobe keine verlässliche Auskunft darüber geben können, ob der Schuh passt. Die Knochen wachsender Kinderfüße sind weich und verformbar, wodurch das Schmerzempfinden reduziert wird: nicht passende Schuhe sorgen früh für Fußschäden, die vermeidbar sind. Passende Schuhe bieten dem Fuß genügend Platz, sich unter Belastung auszudehnen, ohne am Schuh anzustoßen. Außerdem muss der Schuh in seiner Weite dem Fuß angepasst sein, da sonst der Fuß keinen Halt hat oder aber zu stark eingeschnürt wird. Aus diesem Grunde haben viele Schuhhersteller Mehrweitensysteme entwickelt, bei denen für dieselbe Schuhlänge unterschiedliche Passformen angeboten werden.

Passform und Schuhgröße zu bestimmen, ist daher für den Schuhkauf ganz wesentlich. Für den Online-Schuhhandel stellt das eine besondere Herausforderung dar. Auf den Handelsplattformen werden heute unterschiedlichste Verfahren bereitgestellt. Sie reichen von Anleitungen zur Vermessung mit Papier, Bleistift und Lineal über ausdruckbare Messschablonen bis hin zu Verfahren, bei denen der Fuß auf dem Bildschirm platziert und per Mausinteraktion vermessen wird. Wesentlich eleganter und exakter geht es jedoch mit der Smartphone App, die Professor Hans-Heino Ehricke mit seinem Team am Steinbeis-Transferzentrum Bildverarbeitung und Medizininformatik entwickelt hat: Zuerst wird ein Blatt Papier mit einer Kante an der Wand auf den Boden gelegt. Der zu vermessende Fuß wird anschließend auf dem Papier so aufgestellt, dass die Ferse die Wand berührt. So wird ein definierter Messpunkt für die Ferse festgelegt. Anschließend wird lediglich der Bereich des Vorderfußes durch die Smartphone-Kamera aufgenommen. Die in die App integrierte Bildanalyse-Software bestimmt dann die genaue Lage der Blattkanten sowie der Fußspitze und der äußersten medialen und lateralen Punkte. Daraus werden Fußlänge und Fußbreite berechnet. Das Papier dient dabei als Kalibrierhilfe, um Pixelabstände im Bild in metrische Maße umrechnen zu können.

Die größte Herausforderung für die Bildanalyse-Experten war dabei, mit den vielen unterschiedlichen Randbedingungen wie Ausleuchtung des Bildes, Struktur und Farbe des Untergrunds, Farbe und Musterung der Strümpfe oder Güte und Brennweite der Kameraoptik zurecht zu kommen. Das Projektteam entwickelte unter anderem einen Algorithmus, um durch den Kamerablitz verursachte Spiegelungen auf dem Boden aus den aufgenommenen Bildern herauszurechnen. Als Ergebnis steht nun ein Verfahren zur Verfügung, mit dessen Hilfe die Fußvermessung sehr zuverlässig und mit einer Genauigkeit von 1 bis 3 mm durchgeführt werden kann. Durch die Weiterentwicklung der CMOS Chip-Technologie werden in naher Zukunft noch bessere Ergebnisse möglich sein.

Die App bietet darüber hinaus die Möglichkeit, verschiedene Schuhgrößensysteme zu integrieren. So können dem Anwender die Messdaten nicht nur in metrischer Form, sondern in jedem beliebigen Schuhgrößensystem angegeben werden. Die Umrechnung einer Schuhgröße in ein anderes Größensystem ist ohne Kenntnis der genauen Fußlänge sehr ungenau, da es zu großen Rundungsfehlern kommt. Daher sind reine Umrechnungstabellen, wie sie im Internet angeboten werden, wenig hilfreich. Ist jedoch die genaue Fußlänge bekannt, wird eine genaue Einordnung in ein Größensystem und damit eine exakte Schuhgrößenbestimmung möglich.

2011 wurden rund zwölf Millionen Smartphones und zwei Millionen Tablet-PCs in Deutschland verkauft. Man kann davon ausgehen, dass sich die Fußvermessung per Smartphone zu einem Standard-Verfahren entwickelt, das auch in Filialen des Schuhhandels eingesetzt werden wird. Daher wurde die Methodik im vergangenen Jahr zum Patent angemeldet.

Neben der Fußvermessung spielt die genaue Vermessung und Auszeichnung der zum Verkauf angebotenen Schuhe eine entscheidende Rolle im Schuhhandel. Die dreidimensionale Erfassung der Schuhgeometrie durch Computer-Tomographie wird bereits von einigen Unternehmen als modernes Verfahren zur Qualitätssicherung der Schuhfertigung eingesetzt. Dabei stellt die automatisierte Auswertung der erfassten Bilddaten eine große Herausforderung dar, insbesondere dann, wenn ganze Schuhkollektionen vermessen werden sollen. Das Stralsunder Steinbeis- Team hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern der Schuhindustrie und des Schuhhandels ein Verfahren und eine Softwarelösung entwickelt, mit deren Hilfe die Bildauswertung weitestgehend standardisiert und automatisiert werden kann.

Durch das Zusammenspiel der beiden bildgestützten Verfahrensansätze für Fuß- und Schuhvermessung kann die Passgenauigkeit von Schuhen verbessert werden. Und nebenbei trägt moderne Technik dazu bei, die Kundenzufriedenheit im Online-Handel zu maximieren und die Retourenquoten zu verringern.

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