IVY - virtuelles Training für Dolmetscher

„Second Life“-Technologie für Trainingszwecke

Im von der Europäischen Kommission geförderten Verbundprojekt IVY (Interpreting in Virtual Reality) entwickeln Experten eine virtuelle Trainingsumgebung für Geschäfts- und Kommunaldolmetscher sowie für Kunden von Dolmetschdiensten. Das Konstanzer Steinbeis-Transferzentrum Sprachlernmedien ist Partner im Projekt.

Auch wenn Englisch heutzutage zunehmend als Lingua Franca verwendet wird, kommunizieren Gesprächspartner bei Geschäftskontakten immer noch häufig lieber in ihrer Muttersprache und sind somit auf professionelle Dolmetscher angewiesen. Auch im kommunalen Bereich besteht ein großer Bedarf an sogenannten Kommunaldolmetschern, die in kommunalen, sozialen und medizinischen Bereichen sprachlich und kulturell zwischen Migranten und dem Personal der entsprechenden Einrichtungen vermitteln. Für angehende Dolmetscher besteht daher ein großer Bedarf an Trainingsmöglichkeiten, in denen sie in vielfältigen, möglichst realen Situationen üben können.

Um diesem wachsenden Bedarf an flexiblen Trainingsmöglichkeiten für die Ausbildung von Geschäfts- und Kommunaldolmetschern ge- recht zu werden, wurde im Projekt IVY eine Online-Trainingsumge- bung entwickelt. In der 3D-Welt von „Second Life“ lassen sich Umgebungen und Situationen gestalten, in denen Nutzer mit einem Avatar repräsentiert sind und miteinander interagieren und kommunizieren können. Diese Funktionen wurden bei IVY für die Schaffung von „Trainingsräumen“ genutzt, in denen praxisnahe virtuelle Szenarien mit unterschiedlichen Explorations- und Übungsmodi zur Verfügung stehen.

Der „Explorationsmodus“ bietet Dolmetschstudierenden eine Einführung in die für das Dolmetschen relevanten Teilaufgaben, Anforderungen und Verarbeitungsprozesse. Dieser Modus ist auch für Kunden von Dolmetschdiensten gedacht. Sie lernen hier, was sie bei ihrer Zusammenarbeit mit Dolmetschern beachten sollten. Anhand von Beispielen werden sie mit den Besonderheiten verdolmetschter Kommunikation vertraut gemacht und auf die Arbeit mit Dolmetschern vorbereitet.

Die hochspezialisierte und äußerst anspruchsvolle Tätigkeit des Dolmetschens erfordert ein intensives Training. Der „Dolmetschmodus“ mit seinen vorgefertigten szenischen Monologen und Dialogen ist daher das Herzstück der virtuellen Trainingsumgebung von IVY. Angehende Dolmetscher können hier in ihren jeweiligen Arbeitssprachen einen Dolmetschauftrag wählen. Sie erhalten Übungen, mit denen sie sich auf den eigentlichen Dolmetschvorgang vorbereiten können. Dazu gehören Aufgaben zur Analyse des Dolmetschauftrags sowie insbesondere zur Erarbeitung der Thematik und des einschlägigen Fachwortschatzes. Nach dieser Vorbereitungsphase betreten die Dolmetschstudierenden mit ihrem Avatar einen „Second Life“-Raum, der die gewählte Dolmetschsituation simuliert. Hier können sie aufgezeichnete kommunikative Ereignisse wie Interviews oder Präsentationen aktivieren und dolmetschen. Abschließend bearbeiten sie Nachbereitungsaufgaben für eine kritische Analyse und Überprüfung ihrer Dolmetschleistung.

Eine weitere realistische Trainingsmöglichkeit bietet der „Live-Interaktionsmodus“ zur Simulation von Dolmetschleistungen mit potentiellen Kunden. In diesem Modus werden „Second Life“-Szenarien für unterschiedliche, dolmetschrelevante Berufs- und Alltagssituationen zur Verfügung gestellt, beispielsweise ein Gerichtssaal, ein Büro oder ein Besprechungsraum. Anders als im Dolmetschmodus treffen die Studierenden hier reale Personen in Form ihrer Avatare an, die in der jeweiligen Situation als Redner oder Gesprächsteilnehmer kommunikativ (inter)agieren und deren Kommunikationsbeiträge in Echtzeit zu dolmetschen sind. Dabei kann es sich um Übungssimulationen mit Lehrenden und anderen Studierenden handeln oder aber auch um den Dolmetschkontakt mit unbekannten „Kunden“. Für die angehenden Dolmetscher ergeben sich so vielfältige und im Schwierigkeitsgrad abstufbare Möglichkeiten, um in authentischen Dolmetschsituationen relevante Praxiserfahrungen machen zu können.

Im Rahmen der Fach- und Berufstagung „Exploiting Emerging Technologies to Prepare Interpreters and their Clients for Professional Practice“ werden die Ergebnisse des IVY-Projekts am 22. und 23. November 2012 in London mit Vorträgen und Workshops einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.

Kontakt

Dr. Petra Hoffstaedter
Steinbeis-Transferzentrum Sprachlernmedien (Konstanz)

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.

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