„Eine der größten Herausforderungen für Schwellenländer wie Indien liegt darin, die Vorteile der wirtschaftlichen Entwicklung umfassend zugunsten der Millionen Menschen im Land zu nutzen, die ihren Lebensunterhalt als einfache Bauern, Handwerker und in ähnlicher Weise verdienen“, meint Vineet Kumar Goyal, Leiter des Steinbeis Center for Technology Transfer India. Eine Entwicklung zugunsten dieser Menschen dürfe sich nicht auf Verbesserungen in der Gesundheitsbetreuung und der Wohnsituation beschränken, sondern müsse durch bessere Bildung und Ausbildung auch die Chancen der Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die indische Regierung hat mit zahlreichen Bildungsprojekten wichtige Schritte ergriffen. Das Steinbeis Center for Technology Transfer India ist in Projekten aktiv, die durch die Einführung moderner Technologien die Befähigung der Menschen fördern wollen.
In jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeder Großstadt in Indien finden sich Menschen, die in kleinen Läden, Bäckereien, Friseursalons, oder in Imbissstuben auf eigene Rechnung arbeiten oder Dienstleistungen anbieten. Das kann beispielsweise die Reservierung von Bahnfahrkarten oder die Bezahlung von Rechnungen der Stromversorger sein, für die dann eine geringe Gebühr berechnet wird. Die meisten Unternehmer finden sich in der Landwirtschaft und im Handwerk. Sie sind für die nachhaltige Entwicklung des Landes wesentlich. Umso wichtiger ist es für das Land, diese Unternehmer zu unterstützen und auch zur gleichberechtigten Teilnahme an der schnellen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung der Nation zu befähigen.
Wenn Vineet Kumar Goyal von der Befähigung der Menschen spricht, denkt er vor allem an die Einführung moderner Technologien. „Befähigung entsteht nicht nur durch bessere Qualifizierung, sondern benötigt auch eine Umgebung, die ihre Weiterentwicklung fördert“, erklärt er. Die Einführung von Technologien kann die Situation des Handwerks, die Wohnsituation, die Situation im Bildungswesen sowie in vielen anderen Bereichen verbessern. Das zeigt die Erfahrung Indiens mit der Revolution in der Telekommunikation vor zehn Jahren. Die ärmere Bevölkerung auf dem Land, beispielsweise Rikschafahrer und Gemüsehändler, bekamen durch extrem günstige Mobilfunklösungen die Möglichkeit, Telekommunikationsdienste zu nutzen. Dies führte dazu, dass sich die Entwicklungsmöglichkeiten für Millionen Kleinunternehmer im ganzen Land verbesserten.
Das Steinbeis Center for Technology Transfer India ist im Hyderabad Megacity-Projekt (HMP) aktiv. Das Projekt unterstützt Unternehmer, die zur Entwicklung nachhaltiger Modelle für die Reduktion des Energieverbrauchs beitragen. Der Bürgerbeteiligung und Unterstützung einzelner Bürgerinitiativen kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da den Menschen die Notwendigkeit eines veränderten Lebensstils bewusst gemacht werden soll. Koordiniert wird das Projekt, das im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt wird, von Forschern der Humboldt-Universität zu Berlin.
Christian Kimmich, Forscher an der Humboldt-Universität, hat im Rahmen des Projekts die Nutzungsmuster und Arbeitspraxis von Tausenden Bauern untersucht, die auf Brunnen zur Bewässerung ihrer Felder angewiesen sind. Ziel ist eine verbesserte Energieeffizienz in der Bewässerung. Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen, lokalen Politikern und Behörden, Stromversorgungsgesellschaften, Verbänden, technischen Beratungsorganisationen und der Industrie soll ein Modell für eine technisch nachhaltige Lösung zur besseren Nutzung der Motoren und Pumpenaggregate umgesetzt werden. Das Ergebnis ist eine denkbar einfache Lösung: Bauern in ausgewählten Bewässerungseinrichtungen setzen Kondensatoren zur Blindleistungskompensation ein. Das Projekt sieht vor, eine kleine Kooperative für die Bauern zu bilden, die nachhaltig die Wartung und die Ausstattung mit Blindleistungskondensatoren übernehmen soll.
Die lokale Nichtregierungsorganisation Self Employed Welfare Society (SEWS) sorgt dafür, dass die Bauern sich informieren, miteinander kommunizieren und ihre Meinung äußern. Das Steinbeis Center for Technology Transfer India stellt das technische Know-how und die Erfahrung zur Verfügung und unterstützt zusammen mit CWS Hyderabad, der Prayas Energy Group Pune, dem Power Systems Center of IIIT Hyderabad und dem Sozialwissenschaftler Philip Kumar SEWS und die Elektroenergiegenossenschaft CESS beim Aufbau eines Pilotprojekts, das dann ausgebaut werden soll. Das Projekt „Solar Powered Schools“ innerhalb des HMP fokussiert die Entwicklung eines nachhaltigen und skalierbaren Modells zur Einführung von Photovoltaik-Systemen in Schulen. Das Steinbeis Center for Technology Transfer India unterstützt im Projekt beratend. Untersuchungen an Schulen mit unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten sollen die Anforderungen zeigen und mögliche Modelle zur Umsetzung der Photovoltaik-Systeme aufzeigen. Das Nexus-Institut aus Deutschland identifizierte für die Umsetzung des Projekts zwei Schulen: die Sri Aurobindo International School, eine Schule für die Mittelschicht in Secunderabad, und die Sarswata Academy High School, eine Schule für die städtischen Armen in Gowlipura, Hyderabad. Phungmayo Horam (Humboldt-Universität) hat im ersten Schritt gemeinsam mit den Schulleitungen sowie Ehemaligen und Eltern Finanzierungsmodelle entwickelt, die auf Spenden, freiwilliger Unterstützung, staatlichen Fördermitteln und Einsparungen basieren. Weitere Partner, die die Finanzierung unterstützen, sind darüber hinaus jederzeit willkommen.
Vineet Kumar Goyal ist von der Nachhaltigkeit des Projekts überzeugt, auch und insbesondere weil sowohl soziale als auch technische Aspekte und ihre gegenseitige Abhängigkeit berücksichtigt werden. Sein gesetztes Ziel: Auf der Grundlage der Erfahrungen im Hyderabad Megacity-Projekt will er weitere Modelle entwickeln, um die Ideen in anderen Regionen Indiens umzusetzen.