Innovative High-Tech Materialien

Ausstellung „Stille Stars“ im Bremer Wilhelm Wagenfeld Haus

Es liegt in der Natur des Menschen, Grenzen zu testen und neue Gebiete zu erobern. Doch der menschliche Körper ist schwach und empfindlich. Die Haut verbrennt ohne Schutz schon nach kurzer Zeit in der Sonne und löst sich unter Wasser regelrecht auf. Der Mensch kann mit seinen Zähnen keine Nüsse knacken und mit seinen Fingern keine Steine bearbeiten. Der Schutz vor Umweltbedingungen, die Notwendigkeit, Werkzeuge zu erstellen und der Wunsch, in unwirtliche Gegenden vorzudringen, sind einige der Gründe, sich Materialien zu Nutze zu machen und neue zu erfinden. Diese Materialien standen im Mittelpunkt einer Ausstellung der besonderen Art, die das Bremer Steinbeis-Transferzentrum i/i/d Institut für Integriertes Design konzipierte und umsetzte.

Bei der Entwicklung neuer Materialien und deren Anwendungen geht es ständig um die Verschiebung der Grenze des jeweiligen Extrems. Von der Arktis zur Antarktis, von den Tiefen der Ozeane zu den Höhen des Weltraums: Der Mensch möchte weiter, höher, tiefer, schneller. Und benötigt dazu Materialien, die weicher, härter, leichter, schwerer, glatter, rauer, flexibler oder fester sind. Unter dem Titel „Stille Stars – Extreme Materialien in extremen Anwendungen“ widmete sich die Materialausstellung im Bremer Wilhelm Wagenfeld Haus diesem Thema. Präsentiert und geehrt wurden die besonderen, trotz herausragender Eigenschaften oft im Verborgenen bleibenden Materialien, ohne die innovative, gut gestaltete High-Tech- Produkte nicht möglich wären. Die Sammlung der über 120 Produkte startete mit originalen Anzügen zum Schutz gegen Kälte, Hitze, Druck oder Widerstand – für Raumund Rennfahrer, Feuerwehrleute oder Extremsportler. So auch ein Modell des mittlerweile verbotenen Schwimmanzugs, mit dem Michael Phelps bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing sieben Weltrekorde erschwamm. „Der ist zu gut für diese Welt“ kommentierte Professor Detlef Rahe augenzwinkernd, der die Ausstellung im Auftrag der Wirtschaftsförderung Bremen mit seinem Steinbeis-Team kuratierte, konzipierte und realisierte, während seiner Führungen.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung war ein „Shape Memory Alloy“: Die Metalllegierung merkt sich ihre Ursprungsform und springt nach einer Verformung unter Zufuhr von Wärme immer wieder in diese zurück. Anwendung finden Memory-Metalle z. B. in der Medizin bei Stents, den kleinen Drahtstrukturen zur Stabilisierung von Arterien. Ohnehin ist die Medizintechnik ein wahrer Innovationsgenerator, das veranschaulichten z. B. die Knochenschrauben aus Hydroxylapatit, die unter anderem beim Fixieren von Kreuzbandtransplantaten eingesetzt werden.

Reduktion von Gewicht und Treibstoffverbrauch sind weitere Antriebsfedern zur Entwicklung neuer High-Tech-Materialien und Oberflächen. Ein Windkraftflügelsegment aus Carbon von SGL Rotec veranschaulichte die extreme Leichtbauweise zukünftiger Großwindkraftanlagen, die auch durch den aus faserverstärktem Kunststoff gefertigten Überrollbügel des Elektrosportwagens „Tesla“ eindrucksvoll belegt wurde. Ebenso wenig fehlten die neuesten Technologien zur Fertigung von Landeklappen und innovative Oberflächen für Flugzeugrümpfe für eine bessere Aerodynamik und einer damit einhergehenden Reduktion des Treibstoffverbrauches von Airbus.

Umweltaspekte, wie z. B. Abfallreduktion, Wiederverwertbarkeit oder Kompostierbarkeit, führen ebenfalls häufig zu innovativen Materialien und Anwendungen. So zeigte die Ausstellung neueste Biokunststoffe, die sich auf dem Kompost selbst zersetzen. Ausgangsmaterialien sind meist Granulate, die häufig einen hohen Stärkeanteil enthalten und bereits in gewöhnlichen Spritzgussverfahren ohne Investition in neue Produktionsverfahren verarbeitet werden können. Für Überraschungen und neue Möglichkeiten in der Architektur trägt transluzenter Beton bei, eine Kombination aus optischen Fasern und Leichtbeton. Oder ein sogenanntes Inox-Sectralverfahren, das rostfreien farbigen Edelstahl ohne jeglichen Auftrag von Farbe oder Pigmenten entstehen lässt. So vielfältig die Beispiele, so lebendig war die Ausstellung, die positiv vom Fachpublikum wie von Unternehmen und der interessierten Öffentlichkeit aufgenommen wurde: Über 5.000 Besucher und zahlreiche Sonderführungen, Vor-Ort-Vorlesungen und Abendveranstaltungen ergänzten die Ausstellung. Sie wurde noch während der Laufzeit mit dem begehrten iF communication design award 2011 geehrt und für den Designpreis Deutschland nominiert.

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