Externalisierung von implizitem Wissen

Promovend der SHB untersucht die Weitergabe von Wissen

Wissen hat sich im 21. Jahrhundert zu einem zentralen Produktionsfaktor entwickelt. Gerade in wissensintensiven Zweigen wie der Softwarebranche besitzen die Erfahrungen und Erkenntnisse der Mitarbeiter in Form von implizitem Wissen ein enormes Innovationspotenzial. So wird bereits seit Jahrzehnten versucht dieses implizite Wissen zu externalisieren und für den Unternehmenserfolg einzusetzen, bislang jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Oliver Gilbert, Promovend an der Steinbeis-Hochschule Berlin, ist es erstmalig gelungen, signifikante Einflussgrößen auf die Externalisierung von Erfahrungen und Erkenntnissen bei Forschern und Entwicklern in der Softwarebranche zu identifizieren. Aus den Ergebnissen seiner Erfolgsfaktorenforschung entwickelt er ein handlungsorientiertes Praxismodell für das FuE-Management, das die Umwandlung des Erfahrungswissens in explizites transferierbares Wissen unterstützt.

Die aus der Literatur bekannten Wissensmanagement- Modelle konnten im Bezug auf die Externalisierung keinen nachhaltigen Erfolg erzielen, wie auch die vielen Wissensmanagement- Softwarelösungen, unterstützt durch Web 2.0 bzw. Social Software im Unternehmenskontext. Aus diesem Grund ging Oliver Gilbert im Rahmen seines Forschungsprojektes der Frage nach, welche Faktoren konkret die Wissensexternalisierung beeinflussen und identifizierte sowohl individuelle als auch institutionelle Wirkgrößen. Mit den neusten Erkenntnissen der Wissens- und Wissensmanagement- Forschung und gestützt durch die theoretische Exploration konnte Gilbert den Prozess der Externalisierung detailliert erläutern und bildete die vermuteten Zusammenhänge deduktiv-nomologisch in einem Strukturgleichungsmodell ab. Die anschließende empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge lieferte interessante Ergebnisse.

Über einen standardisierten Online-Fragebogen wurden zahlreiche im FuE-Bereich tätige Forscher und Entwickler in kleinen, mittleren und großen Softwareunternehmen kontaktiert, 179 auswertbare Datensätze konnten auf diese Weise gesammelt werden. Die deskriptiven Befunde bestätigten die Ausgangsbedingungen des Forschungsprojekts. So gaben 36,4% der Befragten an, dass der Externalisierungsbedarf in ihrem Unternehmen sehr hoch sei. 41,3% gingen von einem hohen Bedarf aus, obgleich 31,8% der befragten Forscher und Entwickler die Nutzung des impliziten Wissens in ihrem Unternehmen auf weniger als 40% schätzen. Infolgedessen ergibt sich ein hoher Anteil ungenutzten impliziten Wissens, in dem viel Innovationskraft für neue Lösungen und Produkte bislang ungenutzt verborgen bleibt. Interessant war zudem, dass über 63% der Befragten angaben, Wissensmanagement-Softwarelösungen für die Wissensumwandlung und den Wissensaustausch im Unternehmen einzusetzen. Die Gründe für die bislang wenig erfolgreiche Externalisierung des impliziten Wissens scheinen folglich nicht in der technischen Unterstützung, sondern vielmehr in individuellen und institutionellen Einflussgrößen zu liegen. Die modellspezifischen Befunde ergaben, dass die analytische Fähigkeit einer Person der entscheidende Erfolgsfaktor für die Externalisierung darstellt. Als weitere individuelle Wirkgröße hat sich neben der intrinsischen Motivation vor allem die Persönlichkeit des Individuums gezeigt. Eine hohe Verträglichkeitsausprägung des Mitarbeiters hat positiven Einfluss auf die Externalisierung. Eine starke Introversion hingegen beeinflusst negativ, wohingegen sich eine starke Extraversion eines Individuums als Wirkgröße nicht bestätigt hat. Dem gegenüber haben sich zwei institutionelle Einflussfaktoren als Rahmenbedingungen gezeigt. Zum einen der partizipative Führungsstil, der die Erfahrungen und Erkenntnisse der Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt und sämtliche Entscheidungen des Managements auf diese zurückführt. Zum  anderen ren die kollegiale Zusammenarbeit, das Arbeitsklima unter den Mitarbeitern selbst. Letzteres ist ein besonders bemerkenswerter Befund, da sich die Unternehmenskultur als zentrale Erfolgsgröße bis heute in der Literatur gehalten hat, ohne bislang einer empirischen Prüfung unterzogen worden zu sein. Somit sind nicht die Werte, Artefakte und Grundprämissen als kulturelle Einflüsse für die Externalisierung entscheidend, sondern die wahrgenommene Qualität des tatsächlichen Umgangs der Forscher und Entwickler untereinander.

Oliver Gilbert führt die aufgedeckten Erkenntnisse in seinem Externalisierungs- Einfluss-Modell als Erweiterung des SECIModells der Wissenschaftler Nonaka und Takeuchi zusammen. In diesem wird die Externalisierung als nachvollziehbarer psychischer Prozess durch Kognition, Bewusstseinsbildung und Formalisierung den Einflussfaktoren gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass Wissen als Kontinuum von absolut implizitem hin zu absolut explizitem Wissen verstanden werden muss. Die Externalisierung kann jedoch nur für nicht bewusstes implizites Wissen erfolgen sowie nur in Teilen der Bewusstseinsbildung und der Verbalisierung bzw. Visualisierung durch externe Wirkgrößen beeinflusst werden.

Oliver Gilberts Forschungsprojekt macht deutlich, warum die Externalisierung bislang wenig erfolgreich war und zeigt durch die identifizierten Erfolgsgrößen Handlungsmöglichkeiten für das Management auf, gezielter mit dem impliziten Wissen im Unternehmen umzugehen.

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