Den Buchstaben nahegebracht

Förderung funktionaler Analphabeten

Nach neuesten Untersuchungen der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesforschungsministeriums (BMBF) gibt es in Deutschland rund 7,5 Millionen Erwachsene mit minimalen Lese- und Rechtschreibfertigkeiten. Im BMBF-geförderten AlphaPlus-Projekt wurde ein Verfahren entwickelt, das einen leichten Zugang zu Lesen und Schreiben für Betroffene zeigt. Die zugrunde liegende Technologie entwickelte die MediTECH Electronic GmbH aus der Region Hannover. Das Trainingssystem wird in diesem Jahr markteingeführt. Einen wichtigen Grundstein bereitete die enge Zusammenarbeit mit Professor Franz Hinrichsmeyer, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Uniform. Design, und dem Institut für Industriedesign und Interfacedesign an der Hochschule Magdeburg.

Die seit 1996 im niedersächsischen Wedemark ansässige MediTECH beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren gezielt mit Test- und Trainingsverfahren zur Förderung von Sprache, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Das der neuen Technologie zugrunde liegende „Warnke-Verfahren“ hilft Kindern und Erwachsenen, die infolge zentraler Hörprobleme keine altersgerechte Sprachentwicklung zeigen. Anstelle klassischen Übens fördert das Unternehmen mit speziellen technischen Geräten die Verarbeitung und Wahrnehmung von Sprache im Gehirn.

In zugekauften Standardgehäusen mit analogen Bedienelementen entwickelte das Unternehmen seine technischen Lösungen; auch der „AlphaTrainer“ für die Alphabetisierung wurde als Prototyp so erstellt. Mit zunehmender Expansion des Unternehmens entstand schnell der Bedarf an eigenständigem Design auch in der Produktentwicklung. Gerade für Menschen mit stark eingeschränkten Lesefähigkeiten waren ein besonderes Gehäusedesign und Bedienkonzept unabdingbar.

Als günstige Konstellation für die Neugestaltung des AlphaTrainers erwies sich die räumliche Nähe der Magdeburger MediTECHEntwicklungsabteilung zum Fachbereich Ingenieurwesen und Industriedesign der Hochschule Magdeburg-Stendal. Die integrierte Designentwicklung im Institut für Industriedesign des Fachbereichs Ingenieurwesen und Industriedesign wurde im Rahmen eines Bachelorreports von Design-Student Eckhard Kaltenhäuser am Steinbeis-Transferzentrum Projektmanagement in enger Zusammenarbeit mit Absolventen des Institutes für Elektrotechnik realisiert. Das Design wurde zunächst für eine Serienfertigung mit 3.000 Einheiten in zweischaligem Gehäuse mit Folientastatur konzipiert und für eine Spritzgussfertigung in neuartigem kosteneffizientem Aluminium-Werkzeug- Verfahren im Raum Magdeburg angefragt.

Für den optimalen Einsatz in einer Praxis bietet der AlphaTrainer eine Vielzahl zusätzlicher Einstell- und Anwendungsmöglichkeiten, die individuell für jeden Trainierenden angepasst werden können. Die gesamte Benutzerführung funktioniert elegant mit Grafiksymbolen und ermöglicht einen schnellen Einstieg in die Bedienung auch für Menschen mit geringen Lesefertigkeiten. Jeder Trainierende wird auf seinem individuellen Leistungsstand abgeholt. Ein intelligentes Hirnleistungstraining baut gezielt wichtige Fähigkeiten zur Verarbeitung gesprochener und geschriebener Sprache auf und aus.

Die Trainierenden im AlphaPlus-Projekt konnten sich in sieben Monaten Förderung um rund 1,5 Schuljahre im Leistungsstand bei Lesen und Schreiben verbessern. Etwa ein Viertel von ihnen konnte nach dem Training direkt – oft erstmalig – ein Arbeitsverhältnis beginnen. Schon ab Ende 2011 können kompetente Einrichtungen diese besondere Förderung in Einsatz bringen. Dass das Projekt zu einer Erfolgsgeschichte in mehrfacher Hinsicht wurde, zeigt sich auch in einem anderen Aspekt: Anfang 2011 gründete Professor Franz Hinrichsmeyer an der Hochschule Magdeburg das Steinbeis-Transferzentrum Uniform. Design, das sich schwerpunktmäßig mit dem Design für Investitionsgüter und die Medizintechnik beschäftigt.

Kontakt

Beatrice Manske
Steinbeis-Transferzentrum Projektmanagement an der Hochschule Magdeburg-Stendal (Magdeburg)
su0617@stw.de

Prof. Franz Hinrichsmeyer
Steinbeis-Transferzentrum Uniform.Design (Magdeburg)

Ralph Warnke
MediTECH (Wedemark)
service@meditech.de

Das Warnke-Verfahren

Wichtig für das rasche und anstrengungsfreie Verstehen und für die Automatisierung der Buchstabe-Laut-Umsetzung ist die Fähigkeit, kritische Laute einer Sprache hinreichend schnell und treffsicher unterscheiden zu können. Die Fähigkeit, Bewegung der Hand durch die Sichtkontrolle präzise zu steuern und nachzuregeln ist wichtig für das flüssige und visuell kontrollierte Schreiben.

Das Warnke-Verfahren entstand bereits zu Beginn der neunziger Jahre. Es wurde nachgewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen Lernstörungen und so genannten Low-Level- Defiziten im Hören, Sehen und der Motorik besteht. Ferner verbessert dieses Training nicht nur die Leistungen in der zentralen Verarbeitung, sondern führt zu einem bedeutsamen Transfer auf die Rechtschreibleistungen.

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