Was zählt ist die Umsetzung

Effiziente Produktentwicklung durch standardisierte IT

Die Zusammenarbeit weltweit verteilter Entwicklungsteams, im Sinne von „concurrent engineering round the globe“, ist heutzutage Stand der Technik und in den meisten Unternehmen bereits problemlos realisiert. Alle Standorte haben einheitliche IT-Systeme und kommunizieren problemlos auch technische Daten, so dass eine weltweite Produktentwicklung mit lokalen Schwerpunkten, aber trotzdem reibungsfreien Schnittstellen möglich ist. So die häufig vermittelte theoretische Vorstellung. Die Realität ist nicht immer so rosig: In Unternehmen existieren oftmals unterschiedliche IT-Systeme, die historisch gewachsen oder durch Zukäufe entstanden sind.

Die Arbeitsteilung der Standorte wird flexibel gehandhabt, so dass nicht immer alle Aktivitäten am jeweils optimalen Standort durchgeführt werden. Selbst innerhalb eines Entwicklungsstandorts ist dabei das Zusammenspiel von mechanisch und elektrotechnisch orientierter Entwicklung, oftmals auch der Programmierung von Software komplexer mechatronischer Systeme noch mangelhaft. Diese Zustände ineinander überzuführen ist jedoch möglich, allerdings bedarf es des harmonischen Zusammenspiels mehrerer Stellgrößen im Unternehmen und der entsprechenden Managemententscheidungen: Ganz wesentlich sind die Organisationsstruktur und eine dazu passende IT-Infrastruktur. Beide sind als Konzept leicht zu entwickeln, erfordern aber in der Umsetzung nachhaltige Betreuung und Anstrengung vieler Beteiligten.

Bei einem großen mittelständischen Unternehmen der Medizintechnik, mit über 3.000 Mitarbeitern verteilt über mehrere Standorte auf verschiedenen Kontinenten, haben die Mitarbeiter am Steinbeis-Transferzentrum Innovation und Organisation in Eislingen diese Transformation in den letzten Jahren realisiert. Startpunkt war die Harmonisierung der CAD-Systeme, die an sieben Standorten mit 16 Programmen unterschiedlicher Hersteller, teils 2D und teils 3D, keine nennenswerte Kooperation ermöglichten. Nach einer fundierten Auswahl unter Mitwirkung aller relevanten Standorte wurde ein System rasch weltweit eingeführt. Dieser Startpunkt war nicht nur durch die damit gelegte technische Grundlage relevant, sondern bewies allen Beteiligten der verschiedenen Standorte, dass eine übergreifende Abstimmung möglich ist. Durch nun mögliche standortübergreifende Produktentwicklungen mit dem eingeführten 3D-CAD-System wurde in der Folge ein übergreifendes Daten-/Dokumentenmanagement-System von den Anwendern gewünscht.

Während bei lokaler Entwicklung einfache Lösungen zur Daten- und Dokumentenmanagementverwaltung ausreichen können, erfordert der gewünschte Zugriff auf die unterschiedlichsten Unterlagen eines Entwicklungsprozesses ein umfassendes PDM/PLM-System. Dies ist de facto auch notwendig um verschiedensten Qualitätsmanagementsystemen Genüge zu tun. Für die Auswahl des PDM/PLM-Systems waren dabei die verschiedensten Produktarten und unterschiedlichsten Entwicklungsabläufe zu berücksichtigen ohne maximale Komplexität der Systeme zu installieren. Dadurch wurde quasi eine projektspezifische Flexibilität bei der Projektorganisation, dem Projektablauf, und dem jeweils notwendigen Dokumentenmanagement möglich. Einfache Produkte wurden mit einfachen Prozessen im PDM/PLM-System umgesetzt, komplexe Produkte, die unter Mitwirkung verschiedener Standorte entwickelt werden, erfordern umfangreiche Projekt- und Dokumentenstrukturen. Alle Anwender können damit heute mit einem Datensatz arbeiten, der mit unterschiedlichen Frontends genutzt wird: CADDesktop für Konstruktion, Easy-DM für Produktmanagement, und klassischer SAP-GUI in Logistik, Vertrieb, Einkauf und Controlling. Allen gemeinsam ist eine Dokumentenverwaltung für das gesamte Entwicklungsprojekt von der Idee bis zur Marktreife und danach. Die Umsetzung war nur praktikabel und die Akzeptanz der Mitarbeiter nur zu erreichen, indem Einfaches einfach blieb und Komplexes effizient unterstützt wurde.

Im Bereich der Medizintechnik nähern sich die verschiedenen Ingenieursdisziplinen rasant einander an. Was früher eindeutig mechanische Produkte waren, wandelt sich zu komplexen mechatronischen Systemen, die mit anspruchsvollster Elektronik und hochsicherer Software typisch sind für ähnliche Entwicklungen in vielen anderen Branchen. Die tiefe Integration eines ECAD-Systems in die IT-Strukturen erlaubt dabei beispielsweise die Wechselwirkungen von Elektronik und Mechanik zu untersuchen: Bauraumanalysen, auch für Verkabelungen oder thermodynamische Analysen der Abwärme elektronischer Komponenten sind nur in einer tief-integrierten Engineering-Umgebung möglich. Dass dabei eine integrierte Stückliste von mechanischen und elektronischen Bauteilen entsteht, ist natürlich ein willkommener Zusatznutzen.

Sind diese Herausforderungen an Entwicklungsprozesse und IT-Strukturen bewältigt, dann können auch weitere Anforderungen, wie die Integration anderer Disziplinen, nicht mehr schrecken. Somit können heute vollständige Entwicklungsdokumente inklusive der passenden Softwarestände über verschiedene Standorte verwaltet werden. Dies strukturiert die Entwicklungsprozesse, erleichtert die Dokumentenverwaltung und führt damit zu weniger Fehlern und effizienteren Prozessen.

Im Laufe dieser IT-Neuerungen und der neu aufgestellten Entwicklungsprozesse konnte dann auch die Aufbau-Organisation der weltweiten Produktentwicklung neu strukturiert werden. Zur Intensivierung der Abstimmung zwischen Produktgruppen und Standorten wurde ein Gesamt-Entwicklungschef definiert, der heute in den USA sitzt. Für die jeweiligen Disziplinen wurden Entwicklungsleiter mit weltweiter Zuständigkeit etabliert.

Als Ergebnis dieser umfangreichen Projekte ist das Unternehmen der Vision einer zeitgemäßen, weltweit integrierten Entwicklungstätigkeit schon sehr nahe gekommen. Die Datentransparenz ist bei definierter Datenverantwortung und –hoheit sehr hoch und erlaubt effiziente, schnelle und fehlerarme Entwicklungsprozesse. Durch auf das Unternehmen angepasste Konzepte und eine langfristig angelegte Projektstruktur konnten jeweils früh genug die Weichen gestellt werden, damit Folgeschritte für eine stimmige Gesamtlösung ermöglicht und eingeleitet wurden.

Dies ist nicht zuletzt notwendig, um den Anwender im Mittelpunkt der neuen IT-Lösungen Erfolgserlebnisse zu verschaffen und für die nächsten Schritte zu motivieren. Denn nur bei einer positiven Stimmung im Projekt können die anspruchsvollen Aufgaben einer standort- und abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit bewältigt werden. Dies gilt insbesondere für die weitere Integration der nicht-technischen Bereiche Marketing und Vertrieb, da die Herausforderungen zur Integration dieser Bereiche sowohl in technischer als auch in organisatorisch-mentaler Hinsicht noch größer sind. Mit den bisherigen positiven Erfahrungen im Rücken, geht das Unternehmen nun auch diesen Schritt an.

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