„Gerade Studenten profitieren von aktiven Steinbeis-Unternehmen“

Im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Lothar Kallien

Herr Professor Kallien, Ihr Steinbeis- Transferzentrum Giesserei Technologie Aalen – GTA hat seinen Sitz an der Hochschule Aalen, die zu den forschungsstärksten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auf dem Gebiet der Gießereitechnologien in Baden-Württemberg gehört und das größte Gießereilabor Süddeutschlands besitzt. Was bedeutet das für die Arbeit Ihres Steinbeis-Unternehmens?

Während die Lehre an der Hochschule Aalen auf eine allgemeine Ausbildung ausgerichtet ist, die auch Eisen- und Sandguss beinhaltet, konzentriert sich die Forschung auf den Bereich des Druckgießens von Leichtmetallen. Forschungspartner sind auf der einen Seite kleine und mittelständi- sche Unternehmen aus der Region, mit denen wir neue, innovative Ansätze beispielsweise bei der Weiterentwicklung des Druckgießprozesses untersuchen. Darüber hinaus bearbeiten wir in Aalen auch Forschungsprojekte, die vom BMBF gefördert werden, in denen auch Automobilhersteller und deren Zulieferer beteiligt sind. In diesen Vorhaben geht es dann beispielsweise um die Entwicklung neuer, leichterer Gussteile aus Aluminium und Magnesium für das Automobil.

Sehr glücklich sind wir über die Bewilligung eines EU-Vorhabens, das im September dieses Jahres anlaufen wird. Bei diesem Projekt wird versucht werden, das Druckgießverfahren durch den Einsatz künstlicher Intelligenz und selbstoptimierender Systeme qualitativ auf ein neues Level zu stellen. Dies wird in Zusammenarbeit mit 15 europäischen Partnern geschehen. Als Lieferant von Druckgießmaschinen konnten wir hier ein mittelständisches Unternehmen aus Schorndorf bei Stuttgart mitnehmen.

Für diese Forschungs- und Entwicklungsaufgaben steht ein großes Labor zur Verfügung mit Möglichkeiten für Sandguss, Kokillenguss und vier Druckgießmaschinen für das Vergießen von Aluminium-, Magnesium- und Zinklegierungen. Ein 3D-Computertomograph, ein Röntgengerät, eine Zugprüfanlage und eine Dauerschwingprüfanlage ermöglichen darüber hinaus die Feststellung von Materialkennwerten. Ganz wichtig ist heute natürlich der Einsatz der Simulation zur Optimierung neuer Gussteile hinsichtlich Formfüllung, Erstarrung und Eigenspannungen.

Eingebunden in diese Aktivitäten ist unser Steinbeis-Transferzentrum Giesserei Technologie Aalen – GTA. Neben vielfältigsten Dienstleistungen für die Industrie, angefangen von Legierungsversuchen und Prozessentwicklungen bis hin zu Schulungen, organisiert GTA zwei Veranstaltungen: im Mai findet das zweitägige Aalener Gießerei Kolloquium statt, bei dem sich in Aalen dieses Jahr über 240 Teilnehmer zum Thema „Innovationen in Druckguss“ trafen. Im Dezember findet traditionell das Barbara Kolloquium statt, bei dem sich Gießer aller Bereiche zu Vorträgen treffen. Auch zu diesem Treffen kommen oftmals mehr als 200 Teilnehmer, was den Standort Aalen als Branchentreff bestätigt. Bei den Gießerabenden ist es von großem Vorteil, dass Studierende im direkten Kontakt zur Industrie stehen, und so Praxissemester, Bachelorarbeiten oder Stellenangebote direkt und ohne Umwege diskutiert werden können. Dies bestätigt wieder einmal den „Löhn’schen-Steinbeis-Gedanken“, dass gerade die Studierenden von aktiven Steinbeis- Unternehmen in großem Maße profitieren.

Das Profil Ihres Zentrums ist darauf ausgerichtet, die Entwicklung, Innovation und Weiterbildung auf dem Gebiet der Gießereitechnologie zusammen mit den Industriebetrieben des Landes voranzutreiben. Welche Tendenz können Sie momentan erkennen?

Leichtbau ist eine der treibenden Kräfte dafür, in Zukunft vermehrt Aluminium- und Magnesiumgussteile einzusetzen. AUDI hat es schon vor langer Zeit mit der Aluminium-Space- Frame-Karosserie vorgemacht, Mercedes hat nun das erste Vollaluminiumauto vorgestellt. Diese innovative, gussintensive Karosserie besteht zu 44% aus Aluminiumguss. Um diese hochwertigen Druckgussteile herstellen zu können, sind besondere gießtechnische und metallurgische Verfahrensschritte notwendig.

Bei diesen Entwicklungen ergeben sich Fragestellungen, die zeitnah von unserem Steinbeis- Transferzentrum bearbeitet werden: hierzu gehören die Herstellung von Versuchsgussteilen aus neuen Legierungsvarianten, Untersuchungen zu neuen Formtrennmitteln oder Untersuchungen zur Herstellung von neuen Verbundteilen aus mehreren Materialien. Dies weist darauf hin, dass in Zukunft der Gedanke eines Multimaterialmixes stärker in Betracht gezogen werden wird. Im Vordergrund stehen derzeit auch Fragestellungen zu neuen Kerntechnologien wie die Herstellung von Salzkernen, die dem harten Druckgussprozess standhalten und dann mit Wasser ausgespült werden können. Mit solchen Salzkernen wäre die Herstellung besonders steifer Closed-deck Zylinderkurbelgehäuse im Druckguss möglich.

Darüber hinaus steht in Zeiten mit gutem wirtschaftlichem Umfeld auch Mitarbeiterqualifikation wieder hoch im Kurs. Hier bieten wir spezielle Schulungen an, die neben dem theoretischen auch einen praktischen Teil beinhalten.

Sie haben das Steinbeis-Transferzentrum Giesserei Technologie Aalen – GTA 2004 gegründet und führen es bis heute sehr erfolgreich. Mit welchen Zielen haben Sie Ihr Zentrum damals gegründet, welche Ziele haben Sie in Ihrem Zentrum heute?


Wir sind heute mit den Steinbeis-Aktivitäten im Bereich Druckgießen von Leichtmetallen unterwegs. Der Bedarf an kompetenter Beratung ist jedoch auch in anderen gießereitechnischen Bereichen vorhanden, hier wollen wir in Zukunft durch weitere Projektleiter, die in diesen Bereichen schon berufliche Erfahrung sammeln konnten, aktiv werden.

Von Albert Einstein ist die Auffassung übermittelt „Wichtig ist, dass man nie aufhört zu fragen...“. Was sind die zentralen Fragen, mit denen Sie sich in den kommenden Jahren in Ihrem Zentrum beschäftigen werden?


Bei der Euroguss, einer Branchenmesse im Januar dieses Jahres, wurde ich im Rahmen eines Interviews gefragt, wie ich die mögliche Produktivitätssteigerung im Druckgießprozess einschätze. Diese Frage stellt sich überhaupt nicht mehr: es wird in Zukunft vielmehr darum gehen, die Frage beantworten zu können, wie viel Energie und CO2 bei der Herstellung des Teils aufgewendet wurde. Die Fahrzeughersteller werden in Zukunft dem Lieferanten den Zuschlag für ein Teil oder System geben, der den geringsten „CO2- Footprint“ nachweisen kann. Und da gibt es in vielen Gießereien noch ein großes Optimierungspotenzial, wo wir in Zukunft sicher mit unserem Steinbeis-Transferzentrum Hilfestellungen geben können.

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