15 Jahre lang haben Professor Dr. h. c. Dietmar von Hoyningen-Huene und Dr. Hartmut Richter als Mitglieder im Kuratoriumsausschuss der Steinbeis-Stiftung die Geschicke der Stiftung beratend begleitet und ihre Entwicklung objektiv und nachhaltig verfolgt. Mit dem Ende ihrer letzten Amtsperiode im Dezember haben sie das Kuratorium verlassen. TRANSFER war mit den beiden langjährigen Begleitern der Stiftung im Gespräch.
Herr Dr. Richter, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, viele davon im Handwerk tätig, profitieren von der Arbeit der Steinbeis-Stiftung. Als Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstags haben Sie bis Ende 2010 das Handwerk im Land in seinen Belangen vertreten und voran gebracht. Wo liegen heute noch Hürden für kleine Betriebe, sich Unterstützung aus der Wissenschaft zu holen?
Um Unterstützung zu holen, sollte ich auch wissen, was es an Unterstützung geben kann. Oder anders ausgedrückt: Kleine Unternehmen, die in der Regel nicht die Kapazität haben selbst die technologischen Entwicklungen zu verfolgen und zu bewerten, brauchen ein Informationsangebot, aus dem sie ablesen können, welche für ihre Geschäftsfelder interessanten Entwicklungen gerade die Schwelle von der Forschung zur Anwendung überschreiten. Die Steinbeis-Stiftung sollte für diese Unternehmen noch mehr als bisher die Funktion eines Technologieradars übernehmen. Bei über 20.000 Transferprojekten jährlich verfügt Steinbeis hierfür über eine unvergleichlich breite Basis an von der Praxis unterlegten Informationen.
Sie wurden Mitglied im Steinbeis-Kuratorium, als der Verbund aus wenigen Dutzend Zentren bestand. Heute umfasst er bald 900 Steinbeis-Zentren, zahlreiche selbstständige Unternehmen und eine private Hochschule. Wie hat sich diese Entwicklung für Sie als Kurator in Ihrer Arbeit spürbar gemacht?
In einer doppelten Hinsicht. Zum einen ist die wirtschaftliche Eigenständigkeit, die Souveränität des Verbundes gestiegen. Der Bestand und die Entwicklungspotenziale werden aus der eigenen Leistung heraus gesichert, dies erforderte vor allem vom Kuratoriumsausschuss eine konsequente unternehmerische Steuerung des Ver- bundes. Zum anderen galt es gerade unter diesen unternehmerischen Anforderungen die technologiepolitische Leitidee der Stiftung zu bewahren: Baden- Württemberg, seine Unternehmen, große und ebenso kleine, müssen von den Aktivitäten der einzelnen Zentren und ihres Verbundes profitieren. Ein Auftrag, der nicht immer mit der unternehmerischen Entwicklung Schritt hielt.
Mit dem größer werdenden Verbund ging auch ein breiteres Dienstleistungsangebot einher: Heute sind unsere Zentren in zahlreichen Technologie- und Managementfeldern mit Forschung & Entwicklung, Beratung, Aus- und Weiterbildung und Analysen & Expertisen aktiv. Was geben Sie mit Blick auf das nächste Jahrzehnt dem Verbund für die Zukunft mit auf den Weg?
Die funktionale und inhaltliche Vertiefung und Spezialisierung der Steinbeis-Zentren ist top. Was der Verbund noch braucht, sind auf abgrenzbare Zielgruppen zugeschnittene Transfer-Vermittlungsstellen, die potenzielle „Kunden“ zielgruppengenau ansprechen und deren oft undifferenziertvagen Anforderungen den jeweils am besten geeigneten Transferquellen zuordnen können. Nicht nur als Beispiel: Wie wäre es mit einer Transfer-Vermittlungsstelle Handwerk, die im Handwerk die Wahrnehmung der relevanten technologischen Entwicklungen fördert und überbetriebliche und betriebliche Transferprojekte initiiert, begleitet und auswertet. Die Zukunft birgt gerade hier bei einer sich zunehmend dezentralisierenden Wirtschaftsstruktur viele neue Herausforderungen – oder in der Steinbeis-Denke ausgedrückt – zahlreiche neue Chancen!
Herr Professor von Hoyningen-Huene, als Vertreter der Hochschulen im Steinbeis- Kuratorium und gleichzeitig ehemaliger Rektor der Hochschule Mannheim haben Sie den Wandel der früheren Fachhochschulen in Baden-Württemberg zu den heutigen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit umgesetzt. Wie hat sich dieser Wandel im gerade für die praxisnahen Hochschulen wesentlichen Technologietransfer ausgewirkt?
Die Fachhochschulen haben in der Tat in Baden-Württemberg eine sehr interessante Entwicklung genommen, die ich als langjähriger Vorsitzender der Fachhochschul-Rektorenkonferenz des Landes mit erlebt und vielleicht auch ein Stück weit mit gestaltet habe. Diese Hochschulart hat sich ausgehend von einer reinen „Lehrhochschule“ zu einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) entwickelt und hat die Felder FuE und Weiterbildung – stimuliert durch entsprechende Sonderprogramme von Bund und Land – sehr erfolgreich aufund ausgebaut. Im Rahmen des Bologna- Prozesses haben die HAW neue, attraktive Studiengänge und -strukturen mit Bachelor- und Master-Abschlüssen eingerichtet, die sich im Rahmen von Evaluations- und Akkreditierungsverfahren bewährt haben. Durch diese Entwicklung ist es den HAW gelungen, eine forschungs- und transferaffine Professorenklientel zu gewinnen.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Forschungsleistungen dieser Hochschulen systematisch entwickelt. Diese Einrichtungen sind so zu wichtigen Zentren des Wissensund Technologietransfers in den Regionen des Landes geworden. Die Professoren kommen aus der Praxis und sind deshalb gesuchte Innovationspartner, insbesondere der Mittelständischen Unternehmen. Nach wie vor ist eine anwendungsnahe und aktuelle Lehre das besondere Profilmerkmal der HAW. Um dies zu gewährleisten ist die Teilnahme von Professoren und Mitarbeitern an FuE- und Transferprojekten eine wichtige Voraussetzung.
Mit Ihrer Erfahrung aus der zurückliegenden Gremienzeit aber auch einem eine Prognose wagenden Blick in die Zukunft: Welche Herausforderungen wird die Partnerschaft aus Steinbeis und Hochschulen meistern müssen und welchen Rat geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg?
Es ist in der Zwischenzeit jedem in der Hochschulwelt klar, dass die gegenwärtige starke Überlastung der Hochschulen in den kommenden Jahren zurückgehen wird und der Wettbewerb um Professoren, Studierende und Haushaltsmittel sich rasch verschärfen wird. Deshalb wird die Qualität der Hochschulen in Lehre, Forschung und Transfer sowie ihre Vernetzung mit den Unternehmen und mit der internationalen Hochschulwelt von zunehmender und entscheidender Bedeutung sein. In diesem Kontext bietet der Steinbeis-Verbund mit seiner Expertise und Professionalität eine besondere Plattform, die in dieser Form in anderen Ländern nicht vorhanden ist, um die HAW in ihren Entwicklungszielen im Bereich Technologietransfer und Weiterbildung zu fördern.
Steinbeis ist seit der Gründung der Fachhochschulen ein verlässlicher und stimulierender Partner und es ist wichtig, diese Partnerschaft auf die neuen Herausforderungen auszurichten und weiterzuentwickeln.
Neben zahlreichen Gremienmitgliedschaften sind Sie weiterhin im Wissensund Technologietransfer aktiv. Welche für Steinbeis relevanten Entwicklungen erwarten Sie auf diesem Feld und wo sehen Sie Steinbeis in der Zukunft positioniert?
Ich war in meiner Zeit an der Hochschule Mannheim, die sich an eine längere Industrietätigkeit anschloss, zunächst sehr aktiv in Technologietransferprojekte involviert und habe diese Aktivitäten mit Antritt meines Rektoramtes eingestellt.
Mit Eintritt in den sogenannten Ruhestand wurde ich in die Aufsichtsräte einiger Mittelständischer Unternehmen berufen und berate diese Unternehmen auch – oft gemeinsam mit HAW-Kollegen – bezüglich ihrer technologischen Entwicklung.
Steinbeis hat neue Kooperationsmodelle mit den HAW entwickelt, die die Attraktivität der Zusammenarbeit mit zunehmend autonomen Hochschulen steigert. Ich gehe davon aus, dass in der vergleichsweise kleinteiligen HAW-Landschaft in der Perspektive Verbundstrukturen auch gemeinsam mit anderen Hochschultypen entstehen werden, die durch Bündelungseffekte zu einer größeren und breiteren ganzheitlichen Transferlandschaft führen können. Dieser neuen Hochschullandschaft muss sich Steinbeis stellen und bei der Erweiterung und Professionalisierung der Transfer-Angebote weiterhin eine tragende Rolle einnehmen.