Rund sechzig verschiedene lysosomale Speicherkrankheiten sind weltweit bekannt, nur etwa ein Dutzend dieser Stoffwechselerkrankungen ist bisher biochemisch aufgeklärt und therapeutisch zugänglich. Das Steinbeis- Innovationszentrum für Biopolymeranalytik und Biomolekül-Massenspektrometrie an der Universität Konstanz und die Centogene GmbH forschen gemeinsam an neuen molekularen Verfahren für die Diagnose von lysosomalen Speichererkrankungen, validieren diese und führen sie in die klinische Diagnostik ein. Die neuen Methoden mittels Massenspektrometrie und Fluorimetrie bilden die Grundlage zur Etablierung von schnellen und hochspezifischen Enzymtests, unter anderem um vererbte Enzymdefekte bereits bei Neugeborenen zuverlässig diagnostizieren zu können.
Lysosomen, eine Art Membranvesikel, sind für den Abbau und die Verstoffwechselung von körpereigenen Substanzen wie Lipide, Kohlenhydrate und Proteine verantwortlich. Sind die Enzyme aufgrund eines vererbten Gendefekts nicht vorhanden oder aus biochemischen Gründen nicht funktionsfähig, treten lysosomale Speicherkrankheiten mit lebensbedrohenden Symptomen auf wie beispielsweise Morbus Gaucher, Morbus Niemann-Pick oder Morbus Fabri. Die Symptome reichen von Knochenfehlbildungen über Organvergrößerungen von Herz und Leber bis hin zu Schlaganfällen; bisher nachgewiesene Häufigkeiten von lysosomalen Speicherkrankheiten liegen bei etwa einer von rund 7.500 Neugeburten. Für einige Erkrankungen existieren bereits spezifische Enzymersatztherapien; jedoch kommt es bei allen Speicherkrankheiten entscheidend auf eine frühzeitige und spezifische Diagnose an, da eine Enzymersatztherapie im Spätstadium der Krankheit oftmals nicht mehr wirksam ist.
Ziele des Kooperationsprojekts zwischen der Centogene GmbH und dem Steinbeis-Innovationszentrum sind die Synthese von neuen hochspezifischen Substraten für die Aktivitätsbestimmung von lysosomalen Enzymen, die gleichzeitig für die Diagnostik mittels massenspektrometrischer Methoden sowie für die routinemäßige klinische Bestimmung mit fluorimetrischer Analyse genutzt werden können. Außerdem sollen simultane Bestimmungsmethoden für mehrere Enzyme (Multiplex-Diagnostik) sowie neue Diagnoseverfahren durch die direkte Bestimmung lysosomaler Enzyme entwickelt werden.
Mit diesen Methoden strebt das Expertenteam eine erhebliche Erweiterung des bisher möglichen diagnostischen Spektrums an. Die molekülspezifischen Bestimmungsmethoden sollen bisher nicht erfassbare Speicherkrankheiten diagnostisch zugänglich machen, die unbehandelt zum Tod führen, jedoch bei gesicherter spezifischer Diagnose und rechtzeitiger Behandlung mit verfügbarer Therapie hohe Heilungsaussicht besitzen.
Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Przybylski
Steinbeis-Innovationszentrum Biopolymeranalytik und Biomolekül-Massenspektrometrie (Konstanz)
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