Fokus Respekt

Respektvolle Zusammenarbeit im Krankenhaus – Schlüssel erfolgreicher Personalentwicklung

Zahlreiche Projekte in Krankenhäusern zeigen, dass vor allem über die Stärkung respektvoller Zusammenarbeit positive Effekte für Unternehmen und Beschäftigte erreicht werden können. Der Fokus auf Respekt bietet Unternehmen die Möglichkeit, Ressourcen zu konzentrieren und dennoch viel zu erreichen. Birger Dreher setzte sich in seiner Master-Abschlussarbeit im Rahmen seines Studiums an der School of International Business and Entrepreneurship der Steinbeis-Hochschule Berlin mit diesem Thema auseinander und erarbeitete eine Personalentwicklungsstrategie, mit der die autonomen Prozesse der Sozialisation in Arbeitsgemeinschaften positiv und zielgerichtet beeinflusst werden können.

Respekt ist eine Variable, die mit vielen anderen wichtigen Variablen in der Unternehmensführung verknüpft ist. Stärkt man respektvollen Umgang, erreicht man z. B. Verbesserungen in der Mitarbeiterbindung und -gewinnung, der Arbeitszufriedenheit, der Fähigkeit zum Organisationswandel, bezüglich des Images, der Reduktion von Fehlzeiten usw.

Der Ansatz bei Respekt ist daher äußerst effektiv. Was verbirgt sich allerdings hinter Respekt im Detail? Was verstehen die Beschäftigten in den Krankenhäusern unter Respekt und wie erleben sie den Umgang mit Respekt in ihrer Organisation? Welche Treiber und Hindernisse existieren in diesen Organisationen, die respektvolle Zusammenarbeit maßgeblich beeinflussen? Mit welchen Methoden, Instrumenten und Strategien stärkt man den gegenseitigen Respekt im Unternehmen und wie lässt sich eine solche Kultur (langfristig) sichern? Birger Dreher beantwortete diese Fragen in seiner Abschlussarbeit auf Basis einer Literaturanalyse und einer qualitativen Analyse von sechs Interviews mit Ärzten und mit Pflegepersonal unterschiedlicher hierarchischer Stufen.

Respekt ist zunächst die Haltung und innere Einstellung eines Menschen, andere als gleichwertig zu betrachten und ihre Werte und persönlichen Eigenschaften anzuerkennen. Im Umgang mit Kollegen oder Mitarbeitern zeigt sich die Haltung in bestimmten Situationen über das Beachten entsprechender Umgangsformen. Zu berücksichtigen ist generell, dass ein und dieselbe Person in unterschiedlichen Situationen oft unterschiedliche Verhaltensmuster aktiviert. Bei den heutigen organisatorischen Rahmenbedingungen in Krankenhäusern, die in einer hohen Arbeitsbelastung und in einer stark ausdifferenzierten Arbeitsteilung resultieren, geraten Menschen häufig unter Stress. Wie der einzelne damit umgeht, hängt von einer persönlichen Prägung ab. In der Reaktion auf Stress werden daher bestimm- te Verhaltensmuster aktiviert, die sich ein Mensch während der verschiedenen Phasen der Sozialisation eingeprägt hat.

Das Verhaltensmuster ist eine Form der Selbstorganisation. Der Mensch aktiviert ein Set verschiedener Kompetenzen, die er im Laufe des Lebens verinnerlicht hat, um in bestimmten Situationen adäquat zu reagieren. Respektvolles Verhalten bedient sich verschiedener personaler (Integrität, Selbstrespekt, Wertneutralität, Glaubwürdigkeit, Hilfsbereitschaft), sozial-kommunikativer (Kommunikationsfähigkeit, Team- bzw. Kooperationsfähigkeit) und handlungsorientierter Kompetenzen (Initiative, Belastbarkeit).

Es gelingt nicht immer, diese Kompetenzen auch unter ungünstigen Bedingungen zu aktivieren. Die Kommunikation von Respekt ist störanfällig durch organisatorische und sozial-kulturelle Rahmenbedingungen. Das heißt, es kann zu Situationen kommen, in denen die Kommunikation von Respekt erschwert und auf die Probe gestellt wird (z. B. unter Stress oder gegenüber kultureller Andersartigkeit).

Sowohl die Haltung einer Person als auch ihre Kompetenzen werden in Situationen ausgeprägt, die dem Menschen „unter die Haut“ gehen. Der Mensch verarbeitet die Reaktionen auf sein Verhalten und bezieht somit auch die normativen Ansprüche seines Umfelds ein. In solchen Situationen werden letztlich geteilte Werte, Regeln und Normen verinnerlicht und zu Haltungen bzw. zu Kompetenzen weiterentwickelt. Eine konkrete Folge dieses Sozialisationsprozesses ist, dass bestimmte Umgangsformen als „natürlich“ und „wie von selbst“ im Alltag ausgelebt werden. Die Werte, Regeln und Normen des respektvollen Umgangs können und sollten dabei eine wichtige Rolle spielen.

Allerdings kann die fortlaufende Sozialisierung in „Subwelten“, wie auf der Station oder in der Abteilung eines Krankenhauses, dazu führen, dass konkurrierende und abweichende Verhaltensweisen erlernt werden. Um diesen Prozess zu beeinflussen entwarf Birger Dreher das Konzept einer Personalentwicklungsstrategie, mit der die autonomen Prozesse der Sozialisation in Arbeitsgemeinschaften positiv und zielgerichtet beeinflusst werden können.

In deren Umsetzung kommen zwei wesentliche Bausteine zum Tragen, der Workshop und das Training. Der Workshop zu Respekt richtet sich an Mitarbeiter und Führungskräfte, um die ethisch-normative Grundlage der respektvollen Zusammenarbeit zu erörtern und die Bedeutung von Respekt im Umgang miteinander zu hinterfragen. Aus dieser Diskussion und im Zusammenhang mit der Reflexion des erlebten Alltags werden Umgangsformen respektvollen Verhaltens abgeleitet und im Kontext konkreter Alltagssituationen beschrieben. Abschließend werden nächste Schritte und Umsetzungsmöglichkeiten erwogen und in einer geführten Moderation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern diskutiert.

Erst auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses zu Respekt, das im Workshop fundiert worden ist, finden die Trainings statt. Sie werden daher stets individuell entworfen und nehmen auch Rücksicht auf die vertretenen Berufsgruppen, die Prozesse und Schnittstellen der Organisation sowie der Personenkonstellationen. Für jedes Unternehmen und damit auch für jedes Respekt-Training ergeben sich andere Herausforderungen. In den Trainings werden erlebte Schlüsselsituationen erfolgreicher oder kritischer Kommunikation und Kooperation ausgewählt und üblicherweise in mehreren Sitzungen gemeinsam bearbeitet. Das Nachstellen realer Alltagssituationen unter Anwendung verschiedener Coaching- Techniken führt zu einem emotionsbasierten Erfahrungsprozess. Durch die Verbindung der neuen Erkenntnisse und eigener Emotionen werden alternative Handlungsoptionen nachhaltig verinnerlicht. Alle Trainings haben den Charakter einer Einladung, neue Erfahrungen mit dem Altbekannten zu machen. Ziel ist das Stärken von Kompetenzen respektvoller Interaktion und das Ausprägen von Handlungsoptionen, die gegenseitigen Respekt fördern.

Birger Drehers Arbeit zeigt: Kulturelle Veränderungen in Unternehmen brauchen Zeit. Ein Vorhaben wie die Stärkung von Respekt in der Zusammenarbeit ist kein kurzfristiges Projekt. Mitarbeiter und Leitungskräfte müssen immer wieder für dessen Bedeutung im Alltag sensibilisiert werden. Für die ethischnormative Fundierung und für die Wahl geeigneter Interventionen muss dieser Prozess in die strategische Unternehmensplanung eingebunden sein. Konkrete Maßnahmen werden daraus abgeleitet. Der Erfolg wird schließlich gemessen über eine Respekt- Befragung oder über niedrigschwellige Analysewerkzeuge.

Kontakt

Patricia Mezger
School of International Business and Entrepreneurship der Steinbeis-Hochschule Berlin (Berlin/Herrenberg)
su1249@stw.de

Birger Dreher
Institut für Europäische Gesundheitsund Sozialwirtschaft IEGUS GmbH

Die Personalentwicklungs-strategie setzt sich im Wesentlichen aus vier Komponenten zusammen

  1. Eine gemeinschaftliche Fundierung des ethisch-normativen Konzepts respektvoller Zusammenarbeit.
  2. Interventionen, die über emotionsbasierte Situationen respektvolle Umgangsformen in ausgewählten Settings trainieren.
  3. Die konsequente Berücksichtigung von Störquellen, aber auch von Erfolgstreibern. Dies betrifft ganz besonders die organisatorischen Rahmenbedingungen (Führung und Arbeitsteilung).
  4. Das Berücksichtigen des Faktors Zeit in der Strategie einer Personalentwicklung.

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