Lebensqualität koproduktiv

Bürgerschaftliches Engagement in Wohnstiften

Welche strategische, aber auch operative Bedeutung hat das Thema Bürgerschaftliches Engagement für Wohnstifte für Senioren? Dieses Thema hat das Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) für die Jahre 2010 und 2011 auf seine Agenda gesetzt, einer der größten Träger von Wohnstiften in Deutschland. Mit der Beratung und der empirischen Arbeit zu dieser Frage wurde das Steinbeis-Transferzentrum Gerontologie, Gesundheit und Soziales (GeroS) an der Evangelischen Hochschule Freiburg betraut.

Was hat das Thema Ehrenamt und Bürgerschaftliches Engagement in Wohnstiften zu suchen, könnte man auf den ersten Blick fragen. Hier werden in einem gehobenen Preissegment sicherheitsstiftende und komfortable Wohnbedingungen und Dienstleistungen angeboten, die Senioren ein gutes Leben im Alter garantieren. Ist Bürgerschaftliches Engagement in diesem Marktsegment nicht ein Eingeständnis, nicht alles leisten zu können, was geschuldet wird? Bürgerschaftliches Engagement als Lückenbüßer für professionelle Dienstleistungen – zur Einsparung von Sozialleistungen und Kompensation von Kürzungen in den Sozialhaushalten?

In dieser vordergründigen Weise wird das Thema nicht selten abgetan. In den Bemühungen des Kuratoriums Wohnen im Alter geht es um mehr und anderes: Man weiß um die Bedeutung sozialer Teilhabe für ältere Menschen, die sich auch und gerade in Formen des Engagements zeigt. Man weiß, dass Menschen mit Hilfebedarf Lebensqualität gerade dadurch erfahren können, dass sich Menschen, ohne dafür bezahlt zu werden, für sie interessieren. Und das KWA weiß auch darum, dass sich das Image von Wohnstiften und Pflegeeinrichtungen beeinflussen lässt: Wer sich identifiziert mit einer Einrichtung, wer sich durch Engagement in gewisser Weise beheimatet, der wird dieses Vertrauen kommunikativ weitergeben und sich vielleicht sogar selbst für ein Wohnstift oder eine Pflegeeinrichtung entscheiden. Das Steinbeis-Transferzentrum GeroS hat die Konzeptberatung der KWA übernommen und eine Studie in den KWA-Einrichtungen durchgeführt. Die Stiftsbewohner, die verantwortliche Managementebene in den Wohn- stiften, Mitarbeiter und externe engagierte Bürger wurden befragt. In der Studie wurde deutlich, in welchem Umfang Bewohner selbst über eine Engagementgeschichte in ihrer Biografie verfügen und wie sie sich heute noch engagieren. Sie sind nicht nur Dienstleistungsempfänger, sondern auch Mitgestalter gemeinschaftlichen Lebens. Bürgerschaftlich Engagierte in den Alltag des Stiftslebens zu integrieren, ist keinesfalls selbstverständlich: Bürgerschaftliches Engagement ist unbezahlbar, aber nicht umsonst zu haben – dieser Satz bestätigt sich auch in der KWA-Studie. Die befragten Engagierten gaben wertvolle Hinweise auf Stärken, aber auch auf Schwachstellen in Einrichtungen.

Dass hauptamtlich Beschäftigte in Wohnstiften und Pflegeeinrichtungen nicht von vornherein begeistert reagieren auf das Thema Bürgerschaftliches Engagement ist nachvollziehbar, wird damit doch schnell ein Stellenabbau assoziiert. Auch passt Bürgerschaftliches Engagement nicht unbedingt in eine klassische Marktorientierung, die die Altenhilfe- und Pflegeeinrichtungen im Wesentlichen als Dienstleistungsorganisationen darstellt. Die Einbeziehung Bürgerschaftlichen Engagements in eine Institution ist mit erheblichen Bemühungen verbunden, sie verändert und beeinflusst die Kultur, das Rollenverständnis von Professionellen und das Aufgabenspektrum von Führungskräften. Das ist auch eine der Festlegungen im erarbeiteten Rahmenkonzept: Freiwilligenmanagement und die Förderung Bürgerschaftlichen Engagements in den KWAStiften sind Führungsaufgaben. Gelingt es, das Bürgerschaftliche Engagement sowohl von als auch für Stiftsbewohner zu einem der Merkmale der Sozialunternehmen Wohnstifte zu machen, dann wird die Lebensqualität in den Wohnstiften gestärkt und das Image positiv beeinflusst.

Zu dem KWA-Konzept gehört auch die Förderung Bürgerschaftlichen Engagements von Mitarbeitern im Rahmen der Personalentwicklung und das unternehmerische Bürgerschaftliche Engagement des KWA als Sozialunternehmen. Mit den Kernkompetenzen des Unternehmens einen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung der Gemeinwesen zu leisten, Kompetenzen im Bereich Leben im Alter zur Verfügung zu stellen, hierin liegt ein besonderer Akzent des Konzeptes. Dr. Stefan Arend, Vorstand des KWA, sieht in der Einbeziehung Bürgerschaftlichen Engagements in die Konzeption des KWA ein wesentliches Qualitätsmerkmal der KWA Wohnstifte. Alle verantwortlichen Akteure sind sich bewusst: Das wird ein längerer Lernprozess, den man nicht verordnen oder dekretieren kann. Freiwilliges Engagement und seine Wertschätzung beruhen auf einem Gesellschaftsverständnis. Seine Förderung setzt Kompetenzen voraus und eine Unternehmenskultur, die die Wertschöpfung durch Engagement zu schätzen weiß. Das KWA kann durch den gemeinsam mit dem Steinbeis-Transferzentrum GeroS eingeschlagenen Weg modellhaft für die Branche wirken, wenn die überzeugende Implementierung des Konzeptes gelingt.

Kontakt

Prof. Dr. jur. Thomas Klie
Steinbeis-Transferzentrum Gerontologie, Gesundheit und Soziales (GeroS) Freiburg

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