Kundenorientierung trotz Standardisierung

Steinbeis unterstützt bei Variantenoptimierung – das Kebap-Prinzip

Als Unternehmen der ZF Friedrichshafen AG liefert die ZF Lemförder GmbH Produkte wie Spur- und Lenkstangen sowie Fahrwerkkomponenten und -module und verfolgt dabei als Wertschöpfungspartner der Nutzfahrzeugindustrie eine ausgeprägte Kundenorientierung. Dadurch ist in den letzten Jahren eine enorme Variantenvielfalt entstanden, die es der ZF Lemförder immer schwieriger macht, ihrem Anspruch nach schneller Realisierung der Kundenwünsche gerecht zu werden. Das Steinbeis-Transferzentrum Management - Innovation - Technologie (MIT) unterstützte das Unternehmen bei der Optimierung seiner Produkt-Variantenvielfalt und der Implementierung eines nachhaltigen Prozesses zur dauerhaften Variantenbeherrschung.

Die Produktvielfalt bei Spur-Lenkstangen, Achsstreben und Radgelenken war in den letzten Jahren stark angestiegen. „Wir garantieren unseren Kunden die gezielte Einhaltung ihrer Lastenhefte bei schnellen Entwicklungszeiten – das war mit der gegebenen Produktvielfalt bei den verfügbaren Ressourcen am Standort einfach nicht mehr zu schaffen“, erklärt Holger Bublies, Leiter E&K. Im Zuge der laufenden Standortentwicklungsprojekte sollten deshalb im Bereich E&K durch standardisierte Produkte und entsprechende Abläufe insbesondere die Zeiten für die qualifizierte Angebotserstellung, die im Auftragsfall erforderliche Prototypenlieferung und schließlich die Lieferzeit für das Serienprodukt drastisch reduziert werden.

ZF Lemförder hatte bereits von Anfang an die Notwendigkeit eines durchgängigen Ansatzes erkannt. „Wir wollten die Überarbeitung unserer Varianten nicht nur der Entwicklung überlassen“, so Hubert Groß, Leiter des Geschäftsfelds Fahrwerkmodule Nkw, „unser integrierter Ansatz schließt auch den Vertrieb mit dem aktiven Verkauf von Produktstandards, die Produktion mit standardisierten Fertigungsprozessen und schließlich auch das Controlling mit einem fixen Kalkulationsschema für standardisierte Produkte mit ein.“ Damit war der Projektumfang klar definiert: die Einführung eines durchgängigen Variantenmanagements, das vom ersten Kundenkontakt bis zur Auslieferung eine Zeitverkürzung von über 50% ermöglicht, ohne dass daraus eine Einschränkung des Lieferspektrums oder eine Preissteigerung durch Standardisierungsmaßnahmen resultiert. Ziel ist es dabei, die Kundenlösungen durch die Verwendung von Komponenten und Baugruppen aus einem definierten (Standard-) Baukasten abzubilden. Gemeinsam mit den Experten des Steinbeis-Transferzentrums ging das Projektteam von ZF Lemförder das Thema auf Basis des 3 Stufen-Modells (siehe Infobox) an.

Bei der Festlegung der Standardprodukte war zuerst ein gemeinsames Verständnis aller Fachabteilungen der Definition des Standards nötig. Ein wichtiges Hilfsmittel hierbei war der Ansatz der (Softwaregestützten) Produktkonfiguration, mit deren Hilfe ein gravierender Zeitgewinn bei Angebotserstellung, Zeichnungsgenerierung und Arbeitsvorbereitung erzielt werden kann.

Die Unterteilung des gesamten Auftragsabwicklungsprozesses in Prozesse für Standard- Produkte und für Sonder-Produkte war nicht minder umfangreich. Hier kam es dem Projekt zugute, dass bei ZF Lemförder bereits seit einigen Jahren ein leistungsstarkes Produktionssystem (LPS) zum Einsatz kommt. Dieses Produktionssystem bietet aufgrund seiner Konzeption die Möglichkeit, Varianten erst spät im Wertschöpfungsprozess entstehen zu lassen. Dadurch ist ein Zielabgleich zwischen der Maximierung der Auslastung und der Flexibilität bei Stückzahlen/Varianten nun leichter möglich. Die Ausweitung des LPS-Prinzips auf den gesamten Auftragsabwicklungsprozess mithilfe entsprechender Methoden trug wesentlich zur Zielerreichung bei.

Nur mit einem „Fach-Projekt“ allein wollten es die Verantwortlichen von ZF Lemförder allerdings nicht bewenden lassen. „Wir haben erkannt, dass die nachhaltige Umsetzung von Variantenmanagement einen veränderten ‚mind set‘ bei den Mitarbeitern erfordert“, so Hubert Groß. „Die Mitarbeiter müssen die Vorteile der Standardisierung erkennen und dürfen diese nicht als Einschränkung ihrer Kreativität empfinden“. Deshalb wurde das Fachprojekt mit einem parallelen Trainingsprojekt von drei interdisziplinär besetzten Produktteams durch das Steinbeis-Transferzentrum begleitet. Hier fand einerseits die theoretische Wissensvermittlung, andererseits ein Wissenstransfer durch learning-by-doing im Rahmen der konkreten Projektarbeit statt.

Die Festlegung des Standards anhand eines definierten Baukastens hat in den drei untersuchten Produktbereichen Radgelenk, Achsstrebe bzw. Spur-/Lenkstange zu unterschiedlichen „Standardisierungsgraden“ von Geschäftsbis zu 65% geführt. Die daraus resultierende Durchlaufzeit in Verbindung mit den optimierten Prozessen sinkt um mehr als die Hälfte und hat damit das Projektziel sogar übertroffen. Wichtiger als die reinen Zahlen ist für Hubert Groß aber die Veränderung in den Köpfen der Mitarbeiter: „Wir wollen erreichen, auch weiterhin für unsere Kunden die Nummer 1 zu sein, wenn es um anspruchsvolle Lösungen geht, die nicht von der Stange zu haben sind. Aber wir wollen auch weiterhin damit unser Geld verdienen!“ Dr.-Ing. Günther Würtz, Leiter des Steinbeis- Transferzentrums MIT, spricht bei der gefundenen Lösung vom „Kebap-Prinzip“: „Der Kauf eines Döner-Kebap veranschaulicht auf einfache und plakative Weise die Grundprinzipien des Variantenmanagements: ein standardisiertes Produkt, das auf Basis eines Baukastens (Salat, Tomate etc.) aufgebaut wird und die Kundenvariante am spätest möglichen Zeitpunkt (quasi bei Übergabe) entstehen lässt – perfekt!“

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