Der Blick zurück auf die jüngste Wirtschaftskrise zeigt, dass die deutsche Volkswirtschaft sich nicht mehr so leicht verschrecken lässt wie in den Krisen zuvor. Aus der Aufholjagd der deutschen Volkswirtschaft ist längst ein Überholvorgang geworden. Recht untypisch dieses Mal: Die Personaler dürfen einen erheblichen Anteil an dieser positiven Entwicklung für sich verbuchen. In der Arbeitszeitgestaltung, in der Vergütungspolitik oder in der Weiterbildung wurde kurzfristig flexibel, langfristig bestandswahrend agiert. So konnte diese Krise „gelingen“. Besser jedenfalls als vorher, meinen Dr. Viktor Lau und Prof. Edmund Haupenthal vom Steinbeis-Transferzentrum Technologie - Organisation - Personal.
Gleichwohl: Auch der letzte Abschwung hat wieder echte Mängel in der praktischen Personalarbeit erkennbar werden lassen. Und zwar gerade in den Kernbereichen der Steuerung von Mitarbeitern und Mitarbeiterleistungen – von Human Ressourcen (HR). Wir nennen das „HR Performance Management“. Dazu zählen die Beurteilung, die Vergütung und die Entwicklung von Mitarbeitern.
Die Mitarbeiterbeurteilung umfasst die Einschätzung von Qualifikationen und Kompetenzen, von Potenzialen, von Leistung und Leistungsverhalten und die Bewertung der Zielerreichung. Der Kardinalfehler in der Umsetzung von Zielvereinbarungen und Zielerreichungsgesprächen besteht darin, in das Zieletableau auch und gerade solche Ziele aufzunehmen, die durch Stellenbeschreibung oder Anforderungsprofil längst definiert sind. Zielvereinbarungen definieren aber vielmehr die „Extrameile“, die gelaufen werden muss, bevor man sich das „Extragehalt“ (die variable Vergütung) abholen kann. Viele Beratungshäuser machen das schon erfolgreich vor; zu wenige Organisationen anderer Branchen tun es ihnen gleich. Mit desaströsen Folgen. Denn diese Praxis führt zu Doppelgratifikationen von nur einmal erbrachten Leistungen. In Krisenzeiten muss das Management dann unglaubwürdig werden, um auf Kurs zu bleiben. Das wird umso anstrengender, je weniger es gelungen ist, das immer wieder zu beobachtende – und in wirtschaftlichen Abschwüngen besonders deutlich werdende – Missverhältnis zwischen Gesamtleistung des Unternehmens und individueller Zielerreichung zu kompensieren: Da gehen dann Mitarbeiter mit 120%iger Zielerreichung und entsprechendem Bonus nach Hause, während das Unternehmen unter der Last unverständlicher Mehrkosten ächzt. Hier freilich hilft kein Instrumentarium, das ist Führungsarbeit. Die natürlich auch immer wieder darin bestehen muss, Unangenehmes mitzuteilen und mittelmäßige Leistungen auch so zu nennen.
Misslungene Beurteilungspraxis zahlt auf unsinnige Gehaltsstrukturen ein. Und zwar sowohl auf die Grundgehaltssteuerung, die von Kompetenzen oder Qualifikationen abhängig ist, als auch auf die Allokation variabler Gehaltsbestandteile, die sich aus der Zielerreichung ergibt. Zahlreichen Organisationen fällt es nach wie vor schwer, Gehalts- oder Karrierestufen mit sinnvollen Gehaltsbändern auszustatten, die Minimal- und Maximalvergütungen haben und an den Rändern klar und eindeutig definiert sind. Gehaltsbänder, die sich nach Funktion und Aufgabe, Kompetenz und Status der jeweiligen Stelle bestimmen. Und nicht nach den historisch gewachsenen Gehaltsstrukturen einzelner Stelleninhaber. Vergütungssysteme können nicht um Personen herum gebaut werden, sondern um Funktionen und Aufgaben.
Sinnvolle Gehaltsstrukturen sollten mit einer intelligenten Entwicklungssystematik verknüpft sein – HR Performance Management impliziert eine oft nicht gesehene, sehr enge Verbindung zwischen Personalvergütung und -entwicklung. Wesentlich ist die Kopplung von Karriere- an Gehaltsstufen. Dabei kann Karriere sich heute nicht mehr nur in der Führungskarriere erschöpfen. In modernen Wissens- und Dienstleistungsökonomien ist die Führungskarriere eine Karriereoption neben anderen, gleichberechtigten Entwicklungspfaden, neben der Fach-, Projekt- oder Vertriebskarriere. Seit neuestem ist auch von einer „Gremienkarriere“ zu lesen. Etwas Weiteres kommt hinzu: Demographie und Produktivitätssteigerungen minimieren die klassischen Führungskarrieren immer mehr. So harrt Personal mit Ambitionen vor Karriereplateaus aus, die von Enddreißigern besetzt werden. Intelligente Karrieresysteme mit unterschiedlichen, formal aber gleichwertigen Karrierepfaden und -stufen entschärfen dieses Problem nachweislich und tragen zur Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität bei. Ein Effekt, der sich erfahrungsgemäß erst nach der Krise auszahlt, dann aber umso wertvoller ist.
Krisenfestes Personalmanagement braucht dezidiertes HR Performance Management: ein integratives Beurteilungssystem, in dem Regelaufgaben von der „Extrameile“ abgegrenzt werden, eine funktionsbezogene Vergütungssystematik mit definierten Einstiegs- und Ausstiegsgrenzen an den Vergütungsbändern und schließlich eine intelligente, dem Begriff der „Multioptionsgesellschaft“ gerecht werdende Entwicklungssystematik, die vielfältige Werdegänge vorsieht – statt monolithischer Kaminkarrieren.
Dr. Viktor Lau
Prof. Edmund Haupenthal
Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) Gottmadingen
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