Wie Integration gelingen kann

Steinbeis-Hochschule Berlin unterstützt Flüchtlinge auf dem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt

Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, auch von denen, die mit einem abgeschlossenen Studium nach Deutschland kommen, geht schleppend voran: Die Anerkennung von Studienleistungen, bürokratische Hürden und fehlende Sprachkenntnisse sind Schwierigkeiten, vor denen Flüchtlinge auf Jobsuche stehen. Gleichzeitig gibt es einen großen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern in der Wirtschaft, vor allem in der IT-Branche oder im „Zuliefersegment“. Damit beide Seiten, Flüchtlinge und Unternehmen, besser zueinanderfinden, sind in letzter Zeit gleich zwei Initiativen im Umfeld der School of International Business and Entrepreneurship (SIBE) der Steinbeis-Hochschule Berlin entstanden: Während sich die SIBE mit einem neuen berufsintegrierten Studiengang an Flüchtlinge wendet, hat ihr Alumnus Oliver Queck ein Unternehmen gegründet, das ebenfalls Flüchtlinge in die Wirtschaft vermittelt.

An dem Studienprogramm Perspectives der SIBE können Flüchtlinge teilnehmen, die bereits mit einem ersten Hochschulabschluss nach Deutschland kommen. Sie studieren im Online-Studiengang der SIBE Management und sind zugleich als Vollzeitmitarbeiter in einem Unternehmen angestellt. Die SIBE kooperiert mit dem Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie e. V. (LVI) sowie, auf kommunaler Ebene, mit dem Landratsamt Böblingen. Flüchtlinge werden zudem über Helferkreise und Arbeitsagenturen angesprochen.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz erläuterten Vertreter der drei beteiligten Institutionen das Modell: „Diese Initiative ist eine große Chance, sowohl für unseren Landkreis als auch für die Flüchtlinge, denen das praxisnahe Studium eine neue Perspektive bietet‘‘, so Böblingens Landrat Roland Bernhard. „In 24 Monaten läuft parallel, was sonst viele Jahre dauert: ein Studium mit deutschem Bildungsabschluss, Praxis- und Berufserfahrung und der Erwerb von ausreichend Deutschkenntnissen, um mittel- und langfristig im Arbeitsalltag zu bestehen.“ Professor Dr. Dr. h.c. Werner G. Faix, geschäftsführender Direktor der SIBE in Herrenberg, ergänzt: „Bei uns können die Studenten dort anknüpfen, wo sie in ihrem Heimatland aufhören mussten und aufbauend auf ihren ersten Studienabschluss in ihrem Heimatland mit unserem Projekt-Kompetenz- Studium in Kooperation mit einem Partnerunternehmen einen Masterabschluss in Management erhalten.“ Wolfgang Wolf, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des LVI, erläutert: „Das Projekt hat einen sehr hohen sozioökonomischen Stellen- und Mehrwert. Nach ihrem Abschluss haben die Absolventen eine große Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und sich ganzheitlich zu integrieren“.

Neben dem Management-Studium erhalten die Teilnehmer zusätzlich intensiven Deutschunterricht und Softskill-Trainings. Mitarbeiter der Hochschule coachen die Studierenden, geben Hilfestellungen, organisieren Lerngruppen und bieten nach Bedarf individuelle Unterstützungsangebote an. Die Seminare werden auf Englisch angeboten und online durchgeführt. Bewerben können sich akademisch vorgebildete Flüchtlinge aller Fachrichtungen mit guten Englischkenntnissen. Sie werden in den Unternehmen als Praktikanten eingestellt, die Unternehmen zahlen ein Gehalt von mindestens 1.300 Euro im Monat und übernehmen die Studiengebühren von monatlich 940 Euro. Auch der Unternehmer und SIBE-Alumnus Oliver Queck vermittelt Flüchtlinge in die Wirtschaft – und zwar unabhängig von ihrem Bildungsstand, von ungelernten Personen bis hin zu promovierten Akademikern. Im vergangenen Jahr hat der 35-Jährige das Social Start-up JobKraftwerk.com gegründet. 2010 schloss er sein Studium an der SIBE ab. Während des Studiums arbeitete er in einer Unternehmensberatung, wechselte anschließend in einen Konzern, wo er unter anderem als Business Mentor selbst eine Studentin an der SIBE betreute. Und auch sonst ist er der Business School verbunden geblieben, für die er heute als Projektdozent tätig ist. Den Wunsch, sich selbstständig zu machen, hegte Oliver Queck schon länger. Als ihm die Geschäftsidee zu JobKraftwerk. com kam, mit der er zugleich ein wichtiges gesellschaftliches Problem angehen konnte, setzte er diese beherzt um und gründete mit zwei Kollegen das Social Start-up. Queck ist davon überzeugt, dass jeder Flüchtling Stärken hat, die im deutschen und europäischen Arbeitsmarkt benötigt werden. Mit dem Wissen aus dem Studium um das Thema Gründen wurde ein Business Model entwickelt, und Queck und seine Kollegen stellten zügig ein Pilotprojekt im Landkreis Reutlingen auf die Beine, um das Modell unter realen Bedingungen zu erproben. Bei der Vermittlung arbeitet JobKraftwerk eng mit Kommunen zusammen. Die Flüchtlinge erstellen mit dem Smartphone online einen Standard-Lebenslauf mit Stärkenprofil in ihrer Muttersprache, wobei Ehrenamtliche die Qualität der Lebensläufe gewährleisten. Unternehmen suchen auf JobKraftwerk nach passenden Profilen und laden die Flüchtlinge direkt zu Vorstellungsgesprächen ein. Das Unternehmen unterstützt auch Unternehmen, beispielsweise bei der Beantragung einer Arbeitserlaubnis. Finanziert wird das Modell von den Kommunen, die durch diesen Service sehr viele Ressourcen sparen können, und durch Sponsoren. Anders als bei der SIBE ist die Vermittlung hier nicht an ein duales Studium gekoppelt.

Das Studium an der SIBE, in dem ein Schwerpunkt auf dem Thema Entrepreneurship liegt, hat Oliver Queck gut auf seine Unternehmensgründung vorbereitet. Aber auch der Austausch mit seinem persönlichen Netzwerk aus der Studienzeit hat das Projekt vorangebracht. Die SIBE und die Gründung ihres Alumnus – heute konkurrieren sie nicht um die Vermittlung von Flüchtlingen, sondern stehen in Gesprächen zur Kooperation in der gemeinsamen Sache.

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