Professor Dr.-Ing. Matthias Stripf spricht mit der TRANSFER über effiziente Energieumwandlung und den momentanen Infrastrukturwandel des deutschen Energiesystems. Er geht auch der Frage nach, welche Herausforderungen dieser Prozess für alle Beteiligten bringen wird.
Herr Professor Stripf, dass Energie nicht gewonnen und vernichtet sondern umgewandelt wird, ist physikalisches Gesetz. Und spätestens seit der Energiewende wird betont, dass diese Umwandlung effizient und umweltfreundlich sein muss. Aber wie soll das funktionieren?
Effiziente Energiewandlung ist seit über 200 Jahren ein Thema, das die Ingenieurwissenschaften stark prägt. So konnte beispielsweise der durchschnittliche Wirkungsgrad der fossilen Kraftwerke in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren um 6% erhöht werden. Mit den dadurch erreichten Einsparungen könnte man den Bruttostromverbrauch von Österreich decken. Eine ähnliche Größenordnung kann man durch den Ersatz aller Glühbirnen durch Energiesparlampen oder LED-Leuchten erreichen.
Während sich also bei der effizienten Erzeugung und Nutzung von elektrischer Energie sehr viel getan hat, sind die Fortschritte in anderen Bereichen, wie z. B. der Bereitstellung von Raum- und Prozesswärme sowie der effizienten Mobilität noch überschaubar. Letztere machen jedoch 80% des Endenergieverbrauchs aus, weshalb sie eigentlich im Fokus der Entwicklungen stehen sollten. Im Bereich der Raumwärmebereitstellung sind viele der bekannten Technologien, wie elektrische Wärmepumpen und solarthermische Anlagen, nicht sinnvoll in der Breite anwendbar, da entweder nicht die notwendigen Dachflächen zur Verfügung stehen, keine modernen Fußbodenheizungen vorhanden sind oder keine Möglichkeit besteht einen Außenluftwärmeübertrager oder eine Erdsonde zu installieren. Neue Technologien, wie Gaswärmepumpen, Brennstoffzellen und kleine Blockheizkraftwerke, stehen in den Startlöchern, sie sind jedoch trotz staatlicher Förderung noch nicht wirtschaftlich gegenüber einer normalen Gastherme.
Zukünftig werden nur solche Technologien eine Chance am Markt haben, die bei steigenden Stückzahlen ein großes Kostensenkungspotenzial aufweisen. Technologien, die auf seltene und teure Materialien angewiesen sind oder Herstellungsprozesse voraussetzen, die schlecht auf große Stückzahlen skalierbar sind, werden keinen signifikanten Beitrag zur weltweiten Energieeinsparung liefern. Insgesamt ist die Energieeffizienz auch nur ein Teilaspekt der gesamten Ökobilanz einer Technologie oder eines Produktes. Die Ökobilanz ist aber entscheidend und sollte in der politischen Diskussion und der Gesetzgebung eine sehr viel größere Rolle spielen. So ist es wenig sinnvoll nur die Energieeffizienz oder den CO2-Ausstoß beim Betrieb eines Produktes heranzuziehen, ohne den Verbrauch aller Ressourcen für dessen Herstellung und Recycling zu betrachten.
Wenn zukünftig die Förderung von effizienten Technologien für die Wärmebereitstellung und den Mobilitätssektor in den Mittelpunkt gerückt wird und dabei die Ökobilanz und das Kostensenkungspotenzial stärker beachten werden als heute, wird die Energiewende sinnvoll zu schaffen sein und Deutschland wird die neuen Technologien auch weltweit exportieren können.
Ihr Steinbeis-Transferzentrum bietet seinen Kunden unter anderem Dienstleistungen auf dem Gebiet der effizienten Energiewandlung an. Warum haben Sie sich gerade auf diesen Bereich spezialisiert?
Seit dem Studium hat mich die Thermo- und Fluiddynamik fasziniert, gleichzeitig hatte ich aber auch Spaß an Elektrotechnik und Informatik. Bei der effizienten Energiewandlung müssen all diese Teilgebiete zusammenspielen. Ich habe es so geschafft einen Teil meiner Hobbys zum Beruf zu machen. Dazu kommt, dass das Steinbeis-Transferzentrum eng mit dem Institut für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik der Hochschule Karlsruhe zusammenarbeitet und wir dort bei Bedarf auf exzellentes Know-how und eine hervorragende Infrastruktur wie moderne Windkanäle und Messtechnik zurückgreifen können. Es sind also beste Voraussetzungen vorhanden.
Durch den momentanen Infrastrukturwandel des deutschen Energiesystems kommen neue Herausforderungen sowohl auf Energieerzeuger und Netzbetreiber als auch auf die Industrie zu. Welche Rolle wird dabei die thermische Energieumwandlung spielen?
Nur 20% des Endenergiebedarfs werden heute in Form von elektrischer Energie benötigt, der Rest für Wärmeerzeugung und mechanische Energie für Antriebe in Form fossiler Energieträger. Mit Ausnahme von Biomasse speisen die erneuerbaren Energien aber direkt elektrische Energie in das Stromnetz ein.
Würden wir alle Heizungen elektrisch betreiben bzw. durch Wärmepumpen ersetzen und vollständig auf Elektrofahrzeuge umstellen, müssten nicht nur die großen Stromübertragungsnetze sondern auch die Nahverteilungsnetze drastisch ausgebaut werden. Wir sehen aber bereits heute, mit welchem Aufwand ein solcher Ausbau verbunden ist, obwohl noch gar kein Anstieg der Stromverbraucher eingeplant ist. Hinzu kommt die ungelöste Speicherung der elektrischen Energie in großen Mengen.
Es wird deshalb auch in Zukunft ein großer Anteil der Verbraucher auf Brennstoffe angewiesen sein. Das Erdgasnetz mit seinen großen Übertragungs- und Speicherkapazitäten kann zukünftig auch mit erneuerbaren Energien genutzt werden, indem elektrische Energie durch Elektrolyse in Wasserstoff und weiter durch Karbonisierung in Methan umgewandelt wird. Da die Umwandlungsprozesse stark verlustbehaftet sind, ist es umso wichtiger, dass die weitere Umwandlungskette, z. B. von Methan zu Wärme in Gaswärmepumpen oder Methan zu mechanischer Energie in Blockheizkraftwerken, immer effizienter wird. Die Anstrengungen im Bezug auf die weitere Verbesserung der thermischen Energieumwandlungsprozesse müssen fortgesetzt werden.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich durch die zahlreichen Fernwärmenetze, die häufig aus Kohlekraftwerken gespeist werden. Im Zuge einer langfristigen Umstellung auf regenerative Energiequellen müssen hierfür neue Lösungen gefunden werden. Diese könnten z. B. der Anschluss großer Industrieunternehmen mit viel Abwärme an die Fernwärmenetze oder der Betrieb von Gas- und Dampfkraftwerken mit erneuerbarem Methan sein. Gleichzeitig müssen die Verbraucher effizienter werden und mit geringeren Temperaturniveaus zurechtkommen. Eine Möglichkeit sind hier Wärmetransformatoren, die die Fernwärme als Antriebsenergie nutzen, um Wärme bei höherem Temperaturniveau bereit zu stellen oder um Kälte zu erzeugen.
Welche zukünftigen Herausforderungen wird dieser Prozess aus Ihrer Sicht für Wissenschaft, Transfer und Lehre bringen?
Die benötigten Technologien für die Energiewende greifen deutlich tiefer in die Trickkiste der Ingenieure. Neue erfolgreiche Produkte in diesem Sektor sind nur noch durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Ingenieurwissenschaften zu erreichen. Ein gut organisierter Wissenstransfer zwischen spezialisierten Steinbeis-Unternehmen, anderen Forschungseinrichtungen und der Industrie kann hier neue Impulse setzen und eine rasche Umsetzung der Ideen in neue Produkte fördern. Noch wichtiger ist aber, dass in Schule und Studium verstärkt ein fundiertes Grundlagenverständnis vermittelt wird. Dieses ist Voraussetzung für das Finden neuer Ideen und für eine reibungslose Zusammenarbeit der Ingenieursdisziplinen. Das verkürzte Abitur und kürzere Studiendauern sind hier ein völlig falsches Signal. Die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung sollte in eine bessere und umfangreichere Ausbildung investiert werden.
Professor Dr.-Ing. Matthias Stripf leitet das Steinbeis-Transferzentrum Thermofluiddynamik und effiziente Energiewandlung an der Hochschule Karlsruhe. Das Steinbeis- Unternehmen ist spezialisiert auf Auslegung und Optimierung von gekühlten und/oder durchströmten Bauteilen sowie Beratung und angewandte Forschung in den Bereichen Abwärmenutzung, effiziente Energiewandlung und Bauteilkühlung.
Professor Dr.-Ing. Matthias Stripf
Steinbeis-Transferzentrum Thermofluiddynamik und effiziente Energiewandlung (Karlsruhe) SU1827@stw.de