Wie Pferde helfen, vertrauen zu lernen

Steinbeis-Experten setzen Pilotprojekt mit der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta um

Wer sich unter pferdegestützter Intervention professionelles Reitenlernen vorstellt, der liegt falsch. Das haben die Experten am Steinbeis- Transfer-Institut Equine Assisted Therapy and Management der Steinbeis-Hochschule Berlin eindrucksvoll deutlich gemacht: Erstmals in Deutschland haben sie die pferdegestützte Intervention zur Resozialisierung junger inhaftierter Frauen eingesetzt. Gemeinsam mit der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta hat Steinbeis-Leiterin Dr. Rosemarie Genn im Rahmen des Studiengangs Social Management B.A. ein Pilotprojekt gestartet.

„Zwar gab es in Vechta bereits tiergestützte Interventionen, aber die Arbeit am und mit dem Pferd gehörte bislang nicht dazu“, erklärt Rosemarie Genn. Die Leiterin des Studiengangs mit dem Schwerpunkt Equine Assisted Therapy and Management lief damit auch beim Leiter des niedersächsischen Frauenvollzuges, Ltd. Regierungsdirektor Oliver Weßels, offene Türen ein.

Auf der Basis eines Projektplans startete das Team im August einen ersten Probelauf mit jungen Straftäterinnen der sozialtherapeutischen Wohnungsgruppe. Die betroffenen Frauen nehmen unter Anleitung einer erfahrenen Diplom-Pädagogin regelmäßig auf der Anlage des Reitvereins Steinfeld-Mühlen zwei Stunden lang an der pferdegestützten Intervention teil. Dabei stehen die Erarbeitung wichtiger sozialer Kompetenzen, wie Vertrauen, Verantwortung, Respekt und Mut auf dem Stundenplan. Diese können beispielsweise durch das Führen des Pferdes, das Getragenwerden vom Pferd und das Lenken des Pferdes in vielfältiger Form erarbeitet werden. In engem Kontakt mit den Vollzugsbediensteten soll der Transfer der im Umgang mit dem Pferd erlernten Fähigkeiten in alle anderen Lebensbereiche gelingen.

Wie nachhaltig dies möglich ist, davon konnten sich die Teilnehmer der Bundestagung Frauenvollzug Ende Oktober in Vechta überzeugen. Die pferdegestützte Therapiegruppe hatte zur Praxisdemonstration nach Steinfeld eingeladen, der alle Tagungsteilnehmer gefolgt waren – vertreten waren Anstaltsleiter von Frauenanstalten aus dem gesamten Bundesgebiet. Unter der Leitung einer Heilpädagogin zeigten die inhaftierten Frauen, welche Fortschritte sie bereits nach kurzer Zeit hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenzentwicklung durch die pferdegestützte Intervention erlangt hatten. Eine besondere Anerkennung der Leistungen zollte ihnen dabei der Leiter ihrer Einrichtung, Oliver Weßels: Er erklomm selbst einmal den Rücken eines der Therapiepferde und ließ sich führen.

„Die Ergebnisse der nunmehr abgeschlossenen Pilotphase sind beeindruckend und eine gute Basis für die Fortsetzung der weiteren Zusammenarbeit“, erklärt Rosemarie Genn, die sich nun mit ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin im Rahmen einer Doktorarbeit an eine wissenschaftlich fundierte Weiterentwicklung des Projekts und die wissenschaftliche Begleitung begibt. Schließlich ist ein wichtiges Ziel des von ihr initiierten staatlich anerkannten Studiengangs der Einsatz von pferdegestützten Interventionen, ihre Evaluation und Professionalisierung.

Kontakt

Dr. med. Rosemarie Genn
Steinbeis-Transfer-Institut Equine Assisted Therapy and Management (Berlin/Vechta)

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