Das digitale Gedächtnis erhalten

Steinbeis-Experten stellen die Nachhaltigkeit von Digitalisierungsprojekten sicher

Das Speichern von Daten stellt heute kein Problem mehr dar. Die spannende Frage ist vielmehr, wie man die Massen an gespeicherten Daten auch in Zukunft noch sicher und zugreifbar aufbewahrt. Mit dieser Frage der Verwaltung digitaler Dokumente und Archivinformationen beschäftigt sich das Rostocker Steinbeis-Transferzentrum Datenbanken, Suchmaschinen und Digitale Bibliotheken (DBIS) seit über zehn Jahren. Das Zentrum beteiligt sich an zahlreichen Forschungsprojekten, insbesondere an Digitalisierungsprojekten, bei denen Massen von digitalen Dokumenten entstanden sind.

Auch digitale Dokumente haben einen sogenannten Life Cycle: Sie werden erstellt, begutachtet und überarbeitet, freigegeben und publiziert, werden klassifiziert und verbreitet, mit Metadaten angereichert und recherchiert, werden archiviert und eines Tages vielleicht ausgemustert und gelöscht. Ein Life Cycle kann sehr kurz sein wie bei schnelllebigen Web- Seiten, er kann auch hunderte Jahre andauern, wie bei alten Schriften.

Während der Inhalt einer Steintafel aber mehrere tausend Jahre überdauert, ist so manche Diskette aus den 80er- oder 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts schon nicht mehr lesbar. Die Bits und Bytes eines Dokuments sind die erste Hürde: Sind diese auf dem Datenträger überhaupt noch physisch lesbar? Selbst im Fall der physischen Lesbarkeit ist die Nutzbarkeit der Daten noch nicht gewährleistet. Die Daten werden einem bestimmten Daten- oder Dokumenttyp genügen, den man nach Jahren noch kennen muss. Darüber hinaus müssen auch die Software-Werkzeuge vorhanden sein, die mit diesem Daten- oder Dokumenttyp etwas anfangen können. Standard-Software ist dabei oft sogar die langlebigste Variante mit Möglichkeiten, alte Datentypen in aktuelle zu transformieren. Oftmals werden aber gerade in Forschungsprojekten spezialisierte und komplexe Verfahren zur Verarbeitung der digitalen Dokumente und Daten von nur wenigen Experten entwickelt. Besonders schwierig wird es, wenn das Projekt zu Ende ist und die Entwickler nicht mehr erreichbar sind.

Damit Anwender solcher Archivlösungen mit Spezialsoftware an der Universität Rostock auch in Zukunft mit ihren Daten arbeiten können, wurde das so genannte Rostocker Modell entwickelt. Dieses Modell ist eine Erklärung aller an der Nachhaltigkeit Beteiligten und Interessierten, bestimmte Aufgaben zu übernehmen und die Zusammenarbeit zu organisieren. Das Modell wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Methode zur Förderung der Nachhaltigkeit von Forschungsergebnissen anerkannt.

Im Rostocker Modell haben sich Anwender digitaler Archivlösungen, die Universitätsbibliothek, das Universitätsrechenzentrum sowie der Lehrstuhl für Datenbank- und Informationssysteme zusammen mit dem Steinbeis-Transferzentrum DBIS zu einzelnen Aufgaben für einen nachhaltigen Betrieb bekannt. Neben konkreten Handlungsplänen gibt es insbesondere eine aufgeteilte Verantwortlichkeit der technischen Aufgaben. Die Experten am Steinbeis-Transferzentrum übernehmen die technische Wartung der in den Digitalisierungsprojekten entstandenen Spezialsoftware. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl Datenbank- und Informationssysteme der Universität Rostock werden die für die Forschung benötigten Funktionen für die nachhaltige Nutzung analysiert, adaptiert und falls notwendig auf eine aktuelle Plattform transferiert. Die universitären Partner können diese langfristigen Wartungsaufgaben schon aus haushaltstechnischen Gründen nicht übernehmen, da für sie eine beliebige Hintereinanderschaltung jeweils befristeter Projekttätigkeiten aus kleinteiligen Wartungsaufträgen nicht möglich ist.

Das Rostocker Modell wurde bereits in ersten Projekten getestet und umgesetzt: Im Projekt „eNoteHistory“ aus dem Jahr 2003 wurden Notenhandschriften digitalisiert, über mehrere Spezialfunktionen identifizierte die genutzte Software den Schreiber der Handschrift. Dieses für die Musikwissenschaft sehr wichtige Projekt steht vor dem Problem, diese komplexe Methodik auch ohne die ursprünglichen Entwickler verfügbar zu halten. Hier übernimmt das Steinbeis-Transferzentrum DBIS nicht nur die Überwachungsfunktion, sondern versucht auch die Funktionen auf neue Hard- und Softwareplattformen zu migrieren. Im Projekt der Mecklenburgischen Jahrbücher wird die Aufgabe aufgrund der engen Kopplung an die Digitale Bibliothek der Universität Rostock kooperativ zwischen dem Steinbeis-Transferzentrum und der Universitätsbibliothek gelöst.

Im Projekt „WossiDiA“ wurde das große Zettelarchiv des Mecklenburger Volkskundlers Richard Wossidlo digitalisiert und über Spezialzugänge Forschern und weiteren Interessierten verfügbar gemacht. Wesentlich für den Erfolg des Projekts war, dass alle im Projekt Involvierte bereits in der Entwicklungsphase am Projekt beteiligt sind – keine Selbstverständlichkeit. Dies hat den Vorteil, dass nicht wie in früheren Projekten Knowhow erst mühselig durch Reengineering gewonnen werden musste und einige wesentliche Designentscheidungen auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit getroffen werden konnten.

In einem weiteren aktuellen Projekt wird eine Sammlung von Liedgut aus dem 15. Jahrhundert digitalisiert und online als „Digitales Archiv Rostocker Liederbuch“ verfügbar gemacht. Auch diesen Spezialzugang betreuen die Steinbeis-Experten nach Projektende, um das Archiv nachhaltig auch bei Plattformwechseln zu erhalten.

Seite teilen