Lessons Learned: Der Weg in die Selbstständigkeit läuft anders als geplant…

Auszüge aus einem Gründungstagebuch

Am Anfang unserer Gründung war uns eigentlich nur die Idee klar, das ist uns aber erst in der Rückbetrachtung bewusst geworden. Nämlich die Idee, eine Plattform für erlebnisorientiertes Lernen zu gründen, die sich grundsätzlich von dem unterscheidet, was der Markt aktuell anbietet. Bis diese Idee Realität wurde, lag noch ein langer und manchmal schwieriger Weg vor uns, auf dem uns Steinbeis professionell begleitet hat. Uns, das sind Sonja Johanna Döring und Alex Müller, Gründer der no/academy in Stuttgart.

Als Gründer ist man viel unterwegs und versucht möglichst viele Menschen kennen zu lernen, die sowohl die Idee interessant finden, als auch hilfreich zur Seite stehen, wenn es um die unerlässlichen Formalitäten geht wie Gründung, Kapital, Kooperationspartner, Zulieferer und letztendlich auch Kunden, die man ja auch noch finden muss. Die Thematik ist von Anfang an komplex, da man nicht weiß, wo man anfangen soll, und für die ersten Phasen in der Gründung gibt es verschiedene Angebote am Markt.

Jeder, der etwas in die Start-up Szene hinein geschnuppert hat, wird feststellen, dass es vielerlei Initiativen, Acceleratoren, Investoren, Business Angels, Gründungsberater, Banken und Empfehlungen gibt, um die man sich am besten gleichzeitig kümmern sollte. Unsere erste Erkenntnis war: Es gibt irgendwie keinen Fahrplan, der spontan auf uns passt. Und am Anfang hatte sich das nicht sehr komfortabel angefühlt, da uns mit jedem Gespräch noch klarer geworden ist, was wir eigentlich nicht wissen.

Wir haben uns in den vergangenen zwölf Monaten mehrfach die Frage gestellt, was eigentlich an unserer Gründung so speziell oder anders ist, dass wir eine Frage stellen und uns niemand einfache und klare Antworten geben kann. Frei nach dem Motto: „In diesem Land gründen sich zigtausende Unternehmen im Jahr, und warum weiß gerade jetzt keiner eine Antwort darauf, ob das Geld vor dem Gang zum Notar auf dem Konto sein muss, oder man erst beim Notar gewesen sein muss, um ein Konto zu eröffnen?”. Dies nur als Beispiel. Alleine auf diese für uns einfache Frage gab es viele unterschiedliche Antworten. Wir waren mehrfach in dieser Situation und völlig überrascht, womit wir uns fundamental auseinandersetzen müssen.

Letztendlich sind wir mit all diesen vielen offenen Fragen auf Steinbeis zugegangen, haben dort einen Existenzgründer (EXI)-Gutschein erhalten und so unseren Existenzgründer-Berater Mario Buric getroffen, der uns bis heute begleitet. Über den EXI-Gutschein erhielten wir Unterstützung in der Vorgründungsphase. In der Beratung wurden zahlreiche Themen gemeinsam erarbeitet. Begonnen wurde mit der Geschäftsmodellsuche, auch mit Hilfe von Business Model Canvas, über die strategische Positionierung bis hin zur Finanzierungsstrategie, basierend auf einem intensiven Vergleich der Finanzquellen, der zu einem optimalen Finanzkonzept führte. Aufbauend auf der Unternehmensstrategie wurde das Produktportfolio durchdacht, angepasst und bepreist. Die Struktur des Businessplans wurde intensiv diskutiert. In dieser Zeit wurde das beiderseitige Netzwerk erheblich erweitert, bei verschiedenen Veranstaltungen und Intros zu verschiedenen Akteuren in der Start-up-Szene in Stuttgart und Karlsruhe. Letztlich ist es uns gelungen, das Gründungsvorhaben zu realisieren und den vorgesehenen Kapitalbedarf wesentlich zu minimieren, so dass ein Start mit geringen finanziellen Mitteln, finanziert über Kunden und ein sehr kostenbewusstes Vorgehen, möglich ist.

Wir haben im Mai dieses Jahres gegründet. Mit einem Vorhaben, das sich seit der Ideenfindung noch zwei Mal konzeptionell gedreht hat. Mit einem schlanken Business-Canvas, mit einer harten Kalkulation und mit vielen, bereichernden Erkenntnissen, die wir gerne mit allen Gründern teilen würden. Weniger als Empfehlung, es genauso zu machen, sondern viel mehr um die vielfältigen Impulse zu teilen, die in unserer Gründung wichtig waren und die uns immer noch inspirieren und begleiten. Unsere Gründung wurde ab da erfolgreich, als wir erkannt haben, dass tatsächlich „unser“ Weg das Ziel ist. Unsere eigenen Erfahrungen zu machen, ein Gefühl für unsere Berater, Konzepte, Methoden und Kunden zu bekommen, hat uns entscheidend weiter gebracht. Und ja, es gab einen Punkt, an dem wir erkannt haben, dass es um unsere eigenen Erkenntnisse und um unsere eigene Entwicklung geht. Unabhängig davon, was andere meinen. Wir haben diese Herangehensweise tief verinnerlicht.

Eine grundsätzliche Ergebnisoffenheit und Flexibilität sind Kern dessen, wie wir unsere Produkte entwickeln, wie wir mit Kunden reden oder wie wir selbst die Sache angehen. Situationen neu zu sehen, sich dauernd zu hinterfragen und nichts als gegeben anzusehen. Weder die tolle Chance, noch die Ausweglosigkeit sind ein Teil oder Hindernis unserer ursprünglichen Idee geworden, sondern vielmehr das flexible Hinterfragen, die Perspektive zu wechseln, neue Methoden auszuprobieren und letztendlich nicht alles perfekt machen zu wollen. Wir haben gelernt, uns darauf zu besinnen, ein Team zu sein, und bei all dem nicht die Idee aus den Augen zu verlieren. Wir würden heute keine einzige, wenn auch noch so schwierige Situation missen wollen. „Entrepreneurship" ist für uns, bei den vielfältigen Herausforderungen bei uns zu sein.

Was haben wir noch auf unserem Weg mit Steinbeis und Mario Buric gelernt:

  • Wie wir die Gründung angehen können, auch nebenberuflich.
  • Wie wir mit schwierigen Entscheidungen umgehen, auf unsere Intuition und auf unseren Bauch vertrauen können. Wenn wir ein schlechtes Gefühl haben, dann machen wir es nicht.
  • Wie wir aus vermeintlich negativen oder frustrierenden Situationen etwas Positives mitnehmen. Am Ende des Tages ist eine Absage oder Misslingen eher ein Hinweis darauf, dass du es anders tun solltest - und sei es nur die Perspektive zu wechseln.
  • Wie wir unseren Eigenkapitalbedarf schonen können. Und zwar nicht nur, um auch eventuelles Fremdkapital zu reduzieren, sondern wie wir uns jeden Tag, bei jeder Entscheidung die Frage stellen, ob wir das brauchen und falls ja, wer es uns denn eventuell leihen oder es selbst besser kann als wir.
  • Wir können unser Start-up eigenständig und von Grund auf selbst finanzieren.
  • Wir waren ganz normale Gründer und als diese muss man sich in Deutschland all den vielen Auflagen, Regularien, Bestimmungen, Rechten und Pflichten stellen. Klar war auch, dass wir dabei auf eine Menge an Hilfen und Beratungen zurückgreifen können.
  • Wir haben als Gründer auch gelernt, dass wir uns wirklich gut mit unseren originären Talenten und Fähigkeiten ergänzen können, und die waren ganz andere, als wir dachten. Es ging nicht nur um fachliche Kompetenzen, sondern viel mehr um Empathie, Inspiration, Durchhaltevermögen und ein gemeinsames Mind-Set oder Verständnis. Wir haben gelernt, dass eine Gründung auf Vertrauen basiert und auf einer gemeinsamen Idee, und wenn wir uns unsicher sind, dann fragen wir einander. Diese Kultur der Offenheit und Achtsamkeit würden wir gerne weiter vermitteln.
  • Wir konnten auch lernen, dass der ergebnisoffene und flexible Ansatz unserer Gründung sich darauf auswirkt, wie wir das gesamte Konzept, die Produkte aber auch die Beziehungen zu unseren Kunden und Stakeholdern gestalten wollen: Wir entwickeln nicht im „Elfenbeinturm”, sondern gestalten mit ihnen gemeinsam von Beginn an die Produkte, mit Erfolg und ersten Aufträgen!
  • Ergebnisoffen heißt für uns auch, dass es bei uns Produkte geben wird, die nicht zu 100% geplant sind, sondern in Interaktion mit unseren Teilnehmern reifen, nicht durch Aufgreifen von Marktforschungsdaten. Jedes Produkt wird im Kern eine „ergebnisoffene Komponente” haben und über Interaktion weiter entwickelt.
  • Dass sich eine anfängliche „Angst vorm Scheitern“ auf dem gemeinsamen, auch ungewöhnlichen Weg auflöste und sich dort zeigte, wofür no/academy auch antritt: Neues Lernen - es beginnt mit dir.

Kontakt

Diplom-Ökonom Mario Buric  (MBA, CSP, Bankkaufmann) ist  Gründerberater am Steinbeis-Beratungszentrum  Existenzgründung  und hilft Start-ups bei der Geschäftsmodellsuche  sowie der  Businessplanerstellung und Gründungsfinanzierung.  Als Mitgründer  von CROWD NINE berät er  zum Crowdfunding, -investing  und -lending sowie zu anderen  Crowd-Themen. Er ist Lehrbeauftragter  und als  dozent an vielen Hochschulen aktiv. In seiner Rolle als Mentor und Coach unterstützt  er Start-ups in zahlreichen Programmen verschiedener Acceleratoren  und Inkubatoren sowie der EU. Er ist Gründungsmitglied von Startup  Stuttgart e.V. und des German Crowdfunding Networks.

Sonja Johanna Döring und Alex Müller sind die Gründer von no/academy,  einer Plattform für erlebnisorientiertes Lernen mit Trainings, Coachings  und Events. Gemeinsam mit ihren Partnern trainieren und begleiten  sie Menschen im People Business: Mit disruptiven Formaten und  Methoden unterstützen Sonja Johanna Döring und Alex Müller die Entwicklung  von neuen Perspektiven und Fähigkeiten und sind Impulsgeber  für den persönlichen Wandel in eine neue Arbeitswelt sowie für eine  achtsame und wertschätzende Zusammenarbeit mit anderen - vom  Start-up bis zum etablierten Unternehmen.

Mario Buric
Steinbeis-Beratungszentrum Existenzgründung (Stuttgart)
mario.buric@stw.de

Sonja Johanna Döring
Alex Müller

no/academy UG (haftungsbeschränkt) (Stuttgart)
sjd@noacademy.de

And the winner is…

Wahl des besten TRANSFER-Beitrags 2016

Auch dieses Jahr haben Sie gewählt: Die „Auszüge aus dem Gründertagebuch“haben die Wahl zum besten Beitrag 2016 gewonnen. Wir gratulieren herzlich den Autoren Mario Buric vom Stuttgarter Steinbeis-Beratungszentrum Existenzgründung sowie Sonja Johanna Döring und Alex Müller von no/academy, ebenfalls aus Stuttgart.

Das E-Mail-Postfach der TRANSFER-Redaktion hatte geglüht – mehr als 600 Leser haben sich an der Wahl des besten Beitrags beteiligt. Und die Wahl fiel deutlich aus: 101 Leser stimmten für den Beitrag „Lessons Learned: Der Weg in die Selbstständigkeit läuft anders als geplant…“, der zum Fokusthema Entrepreneurship in der Ausgabe 3/2016 erschienen war. Sonja Johanna Döring und Alex Müller, Gründer von no/academy, und Mario Buric, Gründerberater am Steinbeis-Beratungszentrum Existenzgründung, beschreiben den langen und manchmal schwierigen Weg von der Idee bis zum eigenen Start-up.

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