Kleinräumige Wanderungsströme zwischen Stadt- und Landkreisen machen rund 70% der demografischen Entwicklung von Städten und Gemeinden aus, also den wesentlichen Teil ihrer zukünftigen Entwicklung. Da die Stärke sowie die demografische und gesellschaftliche Zusammensetzung der Wanderungsströme unter anderem Faktoren des Bevölkerungswachstums sind, werden grundlegende wirtschaftliche und soziale Bereiche der Gesellschaft direkt beeinflusst: Das betrifft beispielsweise die Steuereinnahmen, den Bedarf eines Krankenhauses, Arbeitsplätze, den benötigten Wohnraum und damit Bodenpreis- und Mietentwicklung. Gleichzeitig erweist sich die Wanderungsmobilität als sehr stark altersabhängig, die Mobilität von Auszubildenden und Studierenden ist rund zehnmal höher als die der Senioren. Die STASA Steinbeis Angewandte Systemanalyse GmbH analysiert diese Tendenzen mit dem regionalen Chancenmonitor RCM.
Ob eine Stadt oder Gemeinde unterm Strich Bevölkerung gewinnt oder verliert, ist aus der amtlichen Statistik bekannt. Dagegen sind die Gründe für Umzüge vielschichtig und stark abhängig von der Altersgruppe. Auszubildende und Studierende ziehen in die Städte mit dem besten Ausbildungsangebot, suchen aber gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum. Nach Ausbildung oder Studium ist das Arbeitsplatzangebot wesentlicher Faktor für einen Umzug, oft in Ballungszentren. Die Gründung einer Familie führt häufig zu weiteren Umzügen, vorwiegend in den ländlichen Raum oder die Außenbereiche der Metropolen. Mit den Lebenszyklen ändert sich auch die Nachfrage nach regional erhältlichen Leistungen. Dies betrifft etwa das regionale Mobilitätsangebot, Dienstleistungen wie Kitas, das Ärzteangebot oder auch Einkaufsmöglichkeiten.
Ebenso spielen strukturelle lokale und überregionale Verflechtungen eine bedeutende Rolle für die Umzugsentscheidung. Diese Verflechtungen entscheiden darüber, mit welchen Alternativen sich eine Stadt oder Gemeinde messen lassen muss. Großstädte sind über wirtschaftliche Netzwerke wie Konzernniederlassungen sehr stark untereinander verflochten, so dass diese in direktem Wettbewerb untereinander stehen. Kleinere Städte und Gemeinden, die stärker von einer lokalen Verflechtungsstruktur geprägt sind, können als Wohnort mit „Insel-Charakter“ attraktiv sein und sich teilweise von Wettbewerberstädten abkoppeln, laufen aber gleichzeitig Gefahr aufgrund der demografischen Entwicklung Bevölkerung zu verlieren, wenn es nicht gelingt, deren regionale Attraktivität zu stärken.
Die zuverlässige Messung der Präferenzen sowie der Stärke der regionalen Verflechtung für Städte und Gemeinden basiert auf dem international bewährten entscheidungsbasierten Wanderungsmodell von Weidlich und Haag. Auf Basis einer deutschlandweiten Wanderungsmatrix können Indexwerte zur regionalen Präferenz bis auf Gemeindeebene ausgegeben werden. Die Ströme sind nach Altersgruppen differenziert und ermöglichen detaillierte Aussagen zu beispielsweise Bildungswanderungen oder Arbeitsplatzwanderungen. Auf Kreisebene gehen etwa 160.000 Wanderungsströme in die Berechnung ein, auf Gemeindeebene zusätzlich rund 22.000 Zu- und Abwanderungsströme.
Die laufend aktualisierten Ergebnisse der Wanderungsanalyse fließen in den von STASA entwickelten regionalen Chancenmonitor RCM ein. Der RCM teilt die über das Wanderungsmodell ermittelten Präferenzen in über- und unterdurchschnittlich ein und ordnet die zugehörigen Wanderungssalden zu, wie etwa „Zuwanderung überwiegt Abwanderung“ (positiver Saldo) oder umgekehrt (negativer Saldo). Hieraus ergeben sich vier Felder, die Zugehörigkeit einer Gemeinde zu einem bestimmten Feld führt zu spezifischen Handlungsempfehlungen. Mit dem RCM erhalten regionale Entscheidungsträger und Wirtschaftsförderer ein wirkungsvolles Instrument zur Positionierung und strategischen Ausrichtung ihrer Region (Kreis, Stadt oder Gemeinde) an die Hand.
Folgende vier Felder, innerhalb denen sich die Region positioniert, unterscheidet das STASA-Team:
Chancenraum:
Ein negativer Wanderungssaldo verbunden mit einer überdurchschnittlichen Präferenz zeigt, dass die Stadt oder Gemeinde zwar Bevölkerung verliert, dennoch deutliche Chancen bestehen, durch geeignete Strukturmaßnahmen und gegebenenfalls Kooperationen mit anderen Städten und Gemeinden zu einer positiven Zuwanderung zu gelangen.
Risikoraum:
Ein positiver Wanderungssaldo ist kein Garant für eine günstige Entwicklung in der Zukunft. Wenn die Präferenz der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Regionen unterdurchschnittlich ist, kann ein positiver Wanderungssaldo nicht dauerhaft bestehen. Hier gilt es, durch eine frühzeitige Analyse der Ursachen rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.
Top-Level-Region:
Positiver Wanderungssaldo und positive Präferenz sind die besten Voraussetzungen für eine langfristig günstige Gesamtentwicklung einer Region. Aber auch hier kann eine tiefergehende Analyse von Strukturindikatoren helfen, sich auch weiterhin positiv gegenüber anderen Regionen zu positionieren.
Low-Level-Region:
Low-Level-Regionen verbinden einen negativen Wanderungssaldo mit einer unterdurchschnittlichen Präferenz. Für diese Regionen stellt die zukünftige Entwicklung eine besondere Herausforderung dar. Hier sollten Strukturanalysen durchgeführt und Entwicklungsbereiche identifiziert werden. Dies ist durch eine detaillierte Analyse der Ist-Situation, d.h. der Präferenzen und weiterer Strukturindikatoren im Vergleich zu anderen Regionen, möglich. Ziel ist dabei die mittel- bis langfristig gegenüber anderen Städten und Gemeinden bestehenden Defizite abzubauen.
Die Abbildung links zeigt den RCM auf Ebene der Stadt- und Landkreise in Deutschland sowie auf Ebene der Gemeinden für die Bevölkerung insgesamt. Deutlich ist die regionale Strukturierung auf Kreis- und Gemeindeebene erkennbar. Der RCM typisiert zunächst die Region hinsichtlich der genannten Kriterien. Die Hintergründe und Ursachen der Typisierung sind vielschichtig und können durch eine tiefergehende Analyse einer Vielzahl an regionalen Strukturdaten sowie Erreichbarkeiten analysiert werden. Benchmarkanalysen mit ähnlichen Regionen sind ebenfalls hilfreich und fließen in die Handlungsempfehlungen ein.
In der Abbildung auf dieser Seite ist die Stadt Stuttgart herausgegriffen: Während für die junge Bevölkerungsgruppen der 18-25-Jährigen und der 25-30-Jährigen sowohl die Wanderungssalden als auch die Präferenzen hoch sind und Stuttgart für diese Bevölkerungsgruppen damit zu den Top-Level-Regionen zählt, dreht mit zunehmendem Alter der Wanderungssaldo ins Negative und die Präferenz nimmt gleichzeitig ab. Insgesamt wird Stuttgart im RCM als Risiko-Region klassifiziert, da zwar ein positiver Gesamtwanderungssaldo vorliegt, die Präferenz aber insgesamt leicht unterdurchschnittlich ist.
STASA arbeitet in der Analyse eng mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Consult GmbH (IW-Consult) in Köln zusammen. Das Steinbeis- Team erstellt detaillierte Regionalanalysen basierend auf den Ergebnissen des RCM, die um weitere regionale Wirtschafts- und Strukturindikatoren angereichert werden. Die erstellten Regionalprofile dienen der Stärkenund Schwächenanalyse und der Erstellung regionenbezogener Handlungsempfehlungen. Die Ergebnisse können von STASA in interaktiven Landkarten und Diagrammen als Web-Apps zusammengestellt und aufbereitet werden, so dass über die klassischen Berichte hinaus modernste Präsentations- und Analysewerkzeuge zur Verfügung gestellt werden.