„Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physikern und Geowissenschaftlern ist gefragt“

Im Gespräch mit Prof. Dr. Mario Trieloff, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums AstroGeomaterials

Prof. Dr. Mario Trieloff erklärt im Interview, warum gerade die Geowissenschaft wichtig für die Erforschung des Universums ist. Er geht auch der Frage nach dem Ursprung unseres Sonnensystems, der Erde und des Lebens nach und denkt über die zukünftige Entwicklung der Weltraumforschung und die daraus resultierenden Herausforderungen für sein Steinbeis-Unternehmen nach.

Herr Professor Trieloff, die Raumfahrt verbindet man häufig mit spektakulären Missionen wie zuletzt von „New Horizons“ und imposanten Bildern aus dem Weltall. Sie beschäftigen sich mit einem für einen Laien eher unbekannten Aspekt des Weltraums, nämlich mit Astro- und Geomaterialien. Welche Themen werden hier von Ihnen behandelt?

Die Erkundung ferner Himmelskörper wird oft als Domäne der Physik angesehen. Für klassische astronomische Beobachtungen wird mit Teleskopen die elektromagnetische Strahlung extraterrestrischer Körper untersucht, und zwar generell aus sehr großer Entfernung. Raumfahrtmissionen verfolgen eine andere Strategie. Hier wird eine relativ kleine Nutzlast wissenschaftlicher Instrumente zu einem Zielkörper in unserem Sonnensystem gebracht, um diesen aus der Nähe zu studieren. Hier sind vor allem Ingenieure - für Flugfähigkeit und Robotik - und Physiker oder Chemiker für die Durchführung der Experimente beteiligt.

Wenn es sich um einen Planeten mit fester Oberfläche wie z. B. den Mars oder den Erdmond oder Kleinkörper wie Asteroiden und Kometen handelt, müssen jedoch Gesteine oder Minerale untersucht werden. Dabei ist geowissenschaftliche Expertise gefragt: Um Ergebnisse zu interpretieren, aber auch schon im Vorfeld, um die Instrumente so zu bauen, dass geowissenschaftlich relevante Fragestellungen angegangen werden können, oder um Labortypen wissenschaftlicher Instrumente an geeigneten Gesteinen und Mineralen zu testen – hier sprechen wir von Astro- oder Geomaterialien.

Wie werden die Erkenntnisse aus der Erforschung von Astrogeomaterialien konkret umgesetzt? Und welche Dienstleistungen bietet Ihr Steinbeis-Transferzentrum AstroGeomaterials auf diesem Gebiet an?

Um beurteilen zu können, welche Art von Gesteinen oder Mineralen auf Asteroiden, Kometen, Mars oder Erdmond prinzipiell erwartet werden und von einer Raumfahrtsonde zu analysieren sind, haben wir bereits erstaunlich gute Informationen durch die Analyse von Meteoriten. Meteorite sind typischerweise Zentimeter bis mehrere Meter große Gesteinsbruchstücke, die mit sehr großer Geschwindigkeit (etwa mehrere 10 km/sec) auf die Erde fallen. In den stetig wachsenden terrestrischen Sammlungen gibt es rund 50.000 Meteorite, die meisten von Asteroiden, darüber hinaus sehr kleine Staubpartikel von Kometen, außerdem je etwa 100 Meteorite vom Erdmond und dem Planeten Mars. Auf diese Art und Weise „beproben“ wir sehr viel mehr planetare Körper als z. B. durch „Sample return“-Missionen, wie etwa Apollo, Stardust oder Hayabusa.

Naheliegend ist der Gedanke, einfach Proben dieser Meteorite als Versuchsmaterial oder Kalibrationsmaterial für Experimente zu nutzen. Da es sich aber um sehr komplexe bzw. multimineralische Gesteine handelt, ist es besser, zunächst Tests mit einzelnen Mineralen durchzuführen, aus denen diese Gesteine bestehen. Das Problem ist dabei oft, dass man zur erfolgreichen Mineralabtrennung relativ große Gesteinsmengen benötigt, oder beispielsweise die Kalibration der Raumfahrtexperimente große Material-Mengen erfordert. Da extraterrestrische Proben aber sehr selten, teilweise extrem teuer und oft gar nicht von Kuratoren für solche Zwecke zur Verfügung gestellt werden, muss man auf terrestrische Analogmaterialien ausweichen, die in ausreichend großer Menge verfügbar sind. Das Steinbeis-Transferzentrum AstroGeomaterials berät konkret bei der Auswahl solcher Gesteine, um zu gewährleisten, dass das ausgewählte Analogmaterial zur Eichung spezifischer Raumfahrtexperimente optimiert ist.

Im Rahmen Ihrer Forschungstätigkeit an der Universität Heidelberg beschäftigen Sie sich mit der Frage nach der Entstehung des Sonnensystems. Was hat Ihnen der interstellare Staub bisher über die Urmaterie und das Sonnensystem verraten? Welche Auswirkungen können diese Erkenntnisse aus Ihrer Sicht auf die weitere Entwicklung der Raumfahrt haben?

Das Ziel vieler Raumfahrtmissionen, wie derzeit Rosetta, ist ein besseres Verständnis des Ursprungs unseres Sonnensystems, der Erde und des Lebens. Diese Fragen studieren wir auch anhand von Untersuchungen an Meteoriten. Wir wissen heute, dass alle Körper in unserem Sonnensystem vor 4,6 Milliarden Jahren aus einer interstellaren Wolke aus Gas und Staub entstanden. Im solaren Urnebel, also der protoplanetaren Scheibe um unsere damals gerade entstandene Ursonne, bildeten sich durch kurzzeitige Aufheizprozesse die ersten Millimeter bis Zentimeter großen Festkörper, und in einem Zeitraum wenige Millionen Jahre später Schwärme von Kleinplaneten, deren Nachfahren die heutigen Asteroide sind. Es dauerte wiederum einige zehn Millionen Jahre, bis sich die Vorläufer der heutigen terrestrischen Planeten bildeten. In Meteoriten finden wir noch Relikte der ersten Festkörper in unserem Sonnensystem, darüber hinaus sogar seltene mikrometergroße Sternenstaubkörner, die vor unserem Sonnensystem in den Winden alter Sterne entstanden. Ohne Meteorite wüssten wir nicht das genaue Alter der Erde, und würden ihren Stoffbestand nicht so präzise kennen. Meteorite enthalten erstaunlich komplexes präbiotisches Material wie beispielsweise Aminosäuren und könnten eine bedeutende Rolle bei der Entstehung des Lebens auf der Erde gespielt haben.

Es schlagen jedoch nicht nur metergroße Meteorite auf der Erde ein. Sehr viel seltener, aber auch gefährlicher sind kilometergroße Objekte, die in der Erdvergangenheit signifikant Geo- und Biosphäre verändert haben, so wird das Massensterben an der Kreide-Paläogen-Grenze und das Ende des Dinosaurierzeitalters mit einem Meteoriteneinschlag in Mexiko vor 66 Millionen Jahren in Verbindung gebracht. Konzepte künftiger Raumfahrtmissionen kümmern sich auch darum, wie man solche für uns gefährlichen Asteroide rechtzeitig ablenken kann, oder wie man Asteroide für den Aufbau einer Weltraumindustrie nutzen kann.

Können Sie heute abschätzen, welche Herausforderungen die zukünftige Entwicklung der Weltraumforschung für Ihr Steinbeis-Unternehmen bringen wird und wie diese Ihr Dienstleistungsangebot beeinflussen könnten?

Bei zukünftigen Raummissionen ist die Priorität nicht mehr – wie in der Pionierzeit – die reine Flugfähigkeit, also eine Sonde erfolgreich zu starten, und von der Erde zu einem Zielobjekt zu manövrieren und dort zu landen. Solche Missionen sind nur noch dann vertretbar, wenn der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn deutlich die Vorgängermissionen übertrifft. Insbesondere ist hier mehr professionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physikern und Geowissenschaftlern gefragt. Dies wird umso mehr dann der Fall sein, wenn es um „sample return“-Missionen geht, beispielsweise bei der Auswahl geeigneter Landeplätze. Wenn wir die Erde wie einen unbekannten Planeten erkunden wollten, dann wissen gerade Geowissenschaftler, dass es von großer Bedeutung ist, wo wir die ersten Proben sammeln, um etwas über den Planeten zu erfahren.

Kontakt

Prof. Dr. Mario Trieloff leitet das Steinbeis-Transferzentrum AstroGeomaterials an der Universität Heidelberg. Das Steinbeis- Unternehmen bietet seinen Kunden astromineralogischgeowissenschaftliche Expertise zur Beteiligung bei Planung und Durchführung von Raumfahrtexperimenten sowie Beratung bei der Beschaffung und Analyse von Astro-/Geomaterialien.

Prof. Dr. Mario Trieloff
Steinbeis-Transferzentrum AstroGeomaterials (Heidelberg)
SU1583@stw.de

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