Keine Verbindung ohne dieses Paket

Steinbeis-Team untersucht VoIP-Terminals

Ohne Internet-basierte Netze (IP-Netze) ist moderne Kommunikation nicht mehr denkbar. Doch auch wenn diese Technik weit entwickelt ist, kommt es immer wieder zu unerwartet langen und stark schwankenden Laufzeiten, auch sporadische Paketverluste treten auf. Diese Störungen resultieren aus kurzzeitigen Belastungszuständen im Netz. Die klassischen Internet-Anwendungen verwenden das Transmission Control Protocol (TCP), hier werden Paketverluste durch wiederholte Sendungen aufgefangen. Die Nutzer bemerken den auftretenden Paketverlust daher kaum. In der Echtzeitkommunikation, wie der Telefonie (Voice over IP, VoIP), wird meist das User Datagram Protocol (UDP) verwendet, hier ist keine Wiederholung von fehlenden Informationen vorgesehen. Doch auch in diesem Umfeld ist es möglich, etwas gegen den Paketverlust zu unternehmen. Verschiedene Verfahren versuchen, den Paketverlust im Vorfeld, während oder nach der Übertragung der Nutzinformationen in den Terminals auszugleichen. Der Frage, wie gut dies gelingt und wie die verschiedenen im Markt befindlichen Geräte sich verhalten, ist das Stuttgarter Steinbeis-Transferzentrum Technik der Netze in Zusammenarbeit mit dem VAF Bundesverband Telekommunikation e.V. in Hilden mit exemplarischen Untersuchungen nachgegangen.

Am gleichen Netz mit den gleichen Bedingungen verhalten sich die verschiedenen Terminals sehr unterschiedlich. Während manche Geräte auch bei höheren Paketverlustraten noch als sehr gut wahrgenommene Sprachqualität lieferten, stellte sich dies bei anderen Geräten deutlich schlechter dar. Zwei Benutzer am selben Netz können die Verbindungseigenschaften mit unterschiedlichen Terminals also völlig anders einordnen. Was für den einen eine sehr gute Verbindung ist, stellt sich für den anderen Benutzer als eine Zumutung mit häufigen Unterbrechungen und einer nur schwer verständlichen Kommunikation dar. Probleme mit der Verständigung werden häufig pauschal auf das Übertragungsnetz geschoben, dies ist aber nach den vorliegenden Untersuchungen nicht immer zutreffend.

Um die Untersuchungen durchführen zu können, entwickelten die Steinbeis-Experten im ersten Schritt zusammen mit dem VAF das Testgerät „PacketRaptor“, das von der Flensburger Nextragen GmbH realisiert wurde. Das Gerät erlaubt die gezielte Simulation von bestimmten Netzbelastungen: Ein VoIP-Terminal wird über eine Ethernet-Schnittstelle an eine IP-Telekommunikations-Anlage angeschlossen und ein Generator zugeschaltet, der einen kontinuierlichen Sinuston abgibt. Durch den „PacketRaptor“ können die IP-Pakete in beide Richtungen in der Zustellung beeinflusst werden. Das mit dem System verbundene Telefon erhält nun in der Echtzeit-Übertragung nicht alle Pakete. Ebenso können Sprachproben in das Testsystem eingespeist und der Output für den akustischen Vergleich aufgezeichnet werden.

Grundsätzlich konnte das Projektteam zwei Kategorien von Terminals identifizieren: Die einen reagieren nicht, damit fehlt ein Paket mit Sprachinformationen (RTP-Paket); die anderen versuchen das fehlende Paket zu ersetzen. Bei Terminals, die nicht reagieren, sind die Lücken durch die fehlenden Pakete deutlich zu hören. Im Signalverlauf sieht man das fehlende Paket durch eine erkennbare Lücke. Bei Terminals, die ein fehlendes RTP-Paket ersetzen, liegt im Signalverlauf keine klare Unterbrechung vor. Die Korrektur im Verlauf fällt grafisch als gute Näherung an das Ausgangssignal aus. Die grafisch immer noch erkennbare Abweichung zum Originalton kann in der Hörprobe nicht wahrnehmbar sein. In der dritten untersuchten Signaldarstellung sind sowohl Frequenzänderung als auch zusätzliche Peaks auf dem Signal erkennbar. Besonders die veränderte Frequenz des Ursprungssignals wirkt sich störend in der Kommunikation aus und beeinträchtigt die Verständlichkeit.

Die vom Steinbeis-Team und dem VAF durchgeführten Untersuchungen zeigen eine überraschende Variabilität mit der verschiedene VoIP-Terminals auf Paketverlust, Laufzeitverzögerung (Delay) sowie Laufzeitschwankungen (Jitter) reagieren. Manche VoIP-Terminals vertragen Paketverlust nur sehr schlecht, andere bieten selbst bei großen Paketverlusten im Übertragungsnetz den Benutzern sehr gute Sprachqualitäten. Ein und das gleiche Netz mit identischen Netzeigenschaften und gleichem Paketverlust kann sich für zwei Benutzer mit unterschiedlichen Endgeräten völlig unterschiedlich darstellen. Auch schlechte Netze mit großen Paketverlusten und langen Laufzeiten können sich also mit guten Terminals als Netze mit durchaus brauchbaren Übertragungsqualitäten darstellen. Überlegungen zur Qualitätssicherung einer VoIPLösung sollten somit nicht allein auf das Design des Übertragungsnetzes (LAN/WAN) ausgerichtet werden. Die Tests von VoIP-Telefonen zeigen, dass der Einsatz leistungsfähiger Endgeräte einen nicht zu unterschätzenden, positiven Einflussfaktor für die Gesamtqualität der VoIP-Installation darstellt.

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