Wie geraten ein alter Esel, ein ausgemusterter Hund, eine jammernde Katze und ein krakeelender Hahn in modernes Stadtmarketing? Nicht nur die Bremer Selbstironie, sondern auch ein gehöriges Maß an Gelassenheit und Lebenserfahrung sind dafür nötig. Die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten – eines der meist gelesenen und bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm weltweit – passt nämlich zu Bremen: Mut, Furchtlosigkeit, Aufbruchsstimmung, Lebensfreude, Weitblick und Teamwork, mit diesen Eigenschaften charakterisiert sich die Stadt im hohen Norden. Ausgangspunkt für das Steinbeis-Transferzentrum i/i/d Institut für Integriertes Design, das das Markenbild der Stadt weiterentwickelt hat.
Das Bundesland Bremen – bestehend aus den beiden Städten Bremen und Bremerhaven – ist Standort der Seefahrt und des Handels, der Automobil-, Schiffbau-, Stahl-, Elektronik- und Nahrungsmittelindustrie, der Logistik sowie der Luft- und Raumfahrt. Mit 550.000 Einwohnern ist die Stadt Bremen die zehntgrößte Stadt in Deutschland, sie ist ein exzellenter Universitäts- und Wissenschaftsstandort und beliebtes Tourismusziel. Das Bundesland Bremen gehört entgegen der allgemeinen Wahrnehmung zu den wirtschaftsstärksten und produktivsten Bundesländern Deutschlands und ist bei der Exportquote sogar Spitzenreiter.
Deutschlandweit stehen 76 Großstädte im Wettbewerb, bevorzugter Standort und Lebensraum zu sein und Steuern zahlende (Neu)Bürger, qualifizierte Arbeitskräfte, Investoren und zahlungsfreudige Touristen anzuziehen. Und um in dem Wettbewerbsfeld bestehen zu können oder gar die Nase vorn zu haben, brauchen Städte heutzutage ein markantes Profil, eine unverwechselbare Identität, eine Marke. Eine starke Marke erleichtert sowohl die Kommunikation als auch die Identifikation und baut Image nach innen wie nach außen auf. Das Markenbild Bremens, weiterentwickelt vom Steinbeis-Transferzentrum i/i/d Institut für Integriertes Design, setzt sich zusammen aus einem visuellen Baukasten, der neben dem Markenzeichen der Stadtmusikanten weitere Elemente für Typografie und Claims aufweist. Wiederkehrende charakteristische Farbgebung, eine neue Text- und Bildsprache sowie ein ausgetüfteltes Kommunikationsmuster für alle Print- und Onlinemedien hat das Steinbeis- Team einer anwendungsfähigen Markensystematik zu Grunde gelegt. Denn die Experten wissen: Erfolg einer Marke entsteht nicht allein durch Kreativität, sondern durch Kontinuität, nicht durch Willkür, sondern durch konsequente Wiederholung, nicht durch Varianz, sondern durch Konsequenz.
Wichtiges, nach außen sichtbares Element ist das Markenzeichen mit hohem Wiedererkennungswert. Und das haben die Gebrüder Grimm den Bremern mit den sympathischen, weltweit bekannten und unverkennbaren Stadtmusikanten geliefert. Und so hat das Steinbeis-Team die vier Freunde im Markenzeichen für Bremen zum Einsatz gebracht. Die formale Struktur des zweigeteilten Markenlabels aus Quadrat und Rechteck leitet sich aus der Bremer Landesflagge (der sogenannten Speckflagge) ab. Bremerhaven als zweite Stadt im Zwei-Städte-Staat erhält wegen der Schifffahrts-Tradition ein Quadrat in Marine-Blau und auch ein neues Zeichen: Der Großsegler steht für Aufbruch, Weitsicht, Abenteuerlust und Entdeckung und stellt ein ebenso wirksames Pendant zu den Stadtmusikanten.
Für Bremen gilt weiterhin als touristischer Hauptclaim „Bremen erleben!“, für Bremerhaven „Meer erleben!“. Bei gemeinsamen Auftritten von Bremen und Bremerhaven stehen vor dem Rechteck beide Quadrate mit dem entsprechenden Claim: „Zwei Städte. Ein Land.“ Neben den tourismusbezogenen Hauptclaims hat das Projekt-Team einen eigenen Claimpool für bereichs- oder aktivitätsbezogenes Marketing aufgebaut, so dass die Claims Bezug nehmen können auf die lokalen Eigenheiten Bremens und Bremerhavens und auf den jeweils zu bewerbenden Anlass, die jeweilige Aktion.
Um die Marke in die Welt zu tragen, bedarf es der aktiven Mitwirkung aller Bremer Akteure, Institutionen und Unternehmen, die am Stadtmarketing im engeren oder weiteren Sinne mitwirken. Eine Besonderheit des Bremer Stadtmarketings ist das Prinzip des „Co-Brandings“, ein Ansatz, der insbesondere in Zeiten, in denen Geld für Bedeutsameres benötigt wird, eine besonders kluge und wirksame Konstruktion darstellt. Unter Beibehaltung der inhaltlichen und gestalterischen Souveränität transportieren Institutionen und Einrichtungen durch die Nutzung des Markenlabels immer ein Stück Bremen oder Bremerhaven mit – Branding im ursprünglichsten Sinne!
Die neue Markenarchitektur erhält ergänzend Kommunikationsregeln für die Grundzüge eines Corporate Designs für Printmedien. Das Kommunikationsmuster mit hohem Wiedererkennungswert und verständlichen Anwendungsregeln für Layout und Gestaltung wird künftig zu einer größeren Vereinheitlichung und Souveränität Bremer Druckwerke führen, ohne den Spielraum der Anwender zu begrenzen.
Und last but not least wird Bremen in Kürze ein ganz neues und zur Identität des Markenbildes passendes und zentrales digitales Stadtportal erhalten, das die bisher auf unterschiedlichen Websites präsentierten Angebote und Darstellungen der Stadt bündelt. Das Portal wird erstes Informationsmedium für Bremen für sämtliche Zielgruppen sein, ganz gleich ob einheimisch oder fremd, ob Studienbewerber oder Tagesbesucher, Urlauber oder Kunstinteressierter, Investor oder Mitarbeiter in einem der vielfältigen Bremer Unternehmen oder Wissenschaftseinrichtungen.
Ein derart umfangreiches, anspruchsvolles Projekt, in dem viele Einzelbausteine ein sorgsam aufeinander abgestimmtes Großes und Ganzes bilden, kommt heutzutage nur in die Welt durch transparente Beteiligungsprozesse, durch vielfältige Abstimmungen und Präsentationen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, durch Einbeziehung von Bürgern und Interessenten und natürlich der betroffenen zukünftigen Anwender. Dass ein solcher Prozess gelingt, ist neben der starken Marke selbst die wertvollste Erfahrung. Das Steinbeis-Transferzentrum i/i/d Institut für Integriertes Design hat im Projekt einmal mehr gezeigt, dass es Experte ist in der Durchführung komplexer Projekte mit einer Vielzahl von Akteuren, sei es für Auftraggeber im öffentlich-rechtlichen Kontext, wie Städte und Gemeinden, sei es für Forschungsverbünde und Netzwerke oder für Konzerne und Unternehmensgruppen.
Prof. Detlef Rahe
Steinbeis-Transferzentrum i/i/d Institut für Integriertes Design (Bremen)
su0417@stw.de