Die Nutzung der Sonnenenergie wird in Deutschland meist mit der Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen verbunden. Die Erzeugung von Wärme durch Solarkollektoren ist dagegen in der öffentlichen Diskussion nur Nebensache, auch wenn weltweit die Solarwärme mehr zur CO2-Emissionsreduzierung beiträgt als die Photovoltaik. Die Solarisierung von Wärmenetzen und großen Energieerzeugungsanlagen ist eine der Schlüsseltechnologien zur Energiewende im Wärmebereich. Das Steinbeis-Forschungszentrum Solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) führt hierzu zahlreiche nationale und internationale Forschungs- und Marktentwicklungsarbeiten durch.
Ein bundesdeutscher Haushalt benötigt durchschnittlich 57% seines Endenergiebedarfs für Wärme, 33% für den eigenen PKW-Verkehr und nur 10% für Strom (BMWi Energiedaten 04/2014). Dies verdeutlicht die Bedeutung des „schlafenden Riesen“ Wärme.
Gut 95% der in Deutschland verkauften Solarwärmeanlagen werden derzeit noch auf Ein- und Zweifamilienhäusern installiert. Der Markt ist in den letzten Jahren jedoch leicht rückläufig, auch durch die zunehmende Konkurrenz der Photovoltaikanlagen. Diese konnten in den letzten Jahren preislich zu den Solarwärmeanlagen aufschließen und werden zudem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz [EEG] wesentlich besser unterstützt als die Solarwärme. Über 50% des Potentials der Solarwärme im Wohnungsmarkt liegt jedoch im Bereich der Mehrfamilienbauten. Zusätzlich zeigen nicht nur Gewerbe- und Industriebetriebe, sondern insbesondere die Fernwärmeversorger zunehmendes Interesse an der Solarwärme: Mit solarisierten Nah- und Fernwärmenetzen können ganze Quartiere, Dörfer und Städte mit Wärme aus erneuerbaren Energien und hocheffizienter Energieerzeugung versorgt werden. Und auf kommunaler Ebene bieten sich hier weitere Chancen für Stadtwerke oder Energiegenossenschaften für Bürgerbeteiligungs- und Bürgerfinanzierungsmodelle.
Auch in Europa wächst das Interesse an deutschem System-Know-how in großem Maßstab: Gefördert durch EU-Vorhaben (Pimes, Einstein und Pitagoras) entstehen in Polen, Spanien, Norwegen, Ungarn, Italien und Österreich erste Pilotanlagen, die auf die Technologien der in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre realisierten Pilotanlagen zur solaren Nahwärme mit saisonalem Wärmespeicher zurückgreifen.
Betriebe und insbesondere Fernwärmeversorger betreiben oft Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), in denen aus meist fossilen Energien Strom erzeugt und die dabei entstehende Abwärme zur Wärmeversorgung im eigenen Betrieb oder in Fernwärmenetzen verwendet wird. Reduziert eine Solarwärmeanlage durch ihren Wärmeeintrag die Laufzeit der Kraft- Wärme-Kopplung, kann diese weniger Strom erzeugen. Wird die dann fehlende Strommenge aus dem deutschen Stromnetz bezogen, hat diese Strommenge derzeit noch eine durchschnittlich höhere CO2-Emissionsbelastung. Dies kann dazu führen, dass durch die Solarwärmeanlage bilanziell keine Reduktion der CO2-Emissionen erzielt werden kann.
Durch die Energiewende und den damit verbundenen starken Ausbau der Stromerzeugung aus regenerativen Energien wie Wind, Photovoltaik und Biogas nehmen allerdings mittelfristig die CO2-Emissionen des in Deutschland produzierten Stroms ab. Zusätzlich wird der Betrieb der fossil befeuerten KWK-Anlagen über die Sommermonate stetig unwirtschaftlicher, da das Stromnetz zunehmend mit regenerativ erzeugtem Strom versorgt wird. Dieser hat gesetzlich vorgegeben Vorrang vor fossil erzeugtem Strom. Kann die fossil befeuerte KWK-Anlage keinen Strom mehr in das Stromnetz liefern, muss sie abgestellt werden. Die Wärmeerzeugung muss dann durch andere Quellen erfolgen.
Hierzu stehen fossil befeuerte Gaskessel ebenso zur Verfügung wie regenerative Energien, vor allem Biomassekessel und Solarwärmeanlagen. Strategisch betrachtet wird Biomasse vermehrt zur Produktion von Kraft- und Werkstoffen notwendig sein. So bleibt die Solarwärme, wenn diese wirtschaftlicher als fossil befeuerte Gaskessel ist. Die Nutzung von Erdwärme durch geothermische Systeme zeigt langfristig ebenso wie die Solarwärme großes Marktpotential. Zurzeit wird hier mit Förderung des Umweltministeriums Baden-Württemberg unter Führung von Solites die Qualitätssicherung bei der Erstellung von Erdwärmesonden detailliert erforscht.
Im Vergleich zu Deutschland hat Dänemark schon einen wesentlich höheren Anteil regenerativer (Wind-)Energie im Stromnetz. Da insbesondere an windreichen Sommertagen die dänische Stromversorgung vollständig regenerativ gedeckt werden kann, müssen die fossil befeuerten KWK-Anlagen abschalten und die vielen dänischen Fernwärmesysteme benötigen einen Ersatzwärmeerzeuger. Solarwärmeanlagen im Megawatt- Bereich stellen in Dänemark mit Kosten unter 50 Euro/MWh die kostengünstigste Wärmeerzeugung dar. Bis heute wurden europaweit ca. 82 große Solarwärmeanlagen mit einer Nennleistung über 1 MWth realisiert. Die insgesamt europaweit installierte Leistung an solarthermischen Großanlagen beträgt 433 MWth (Stand Dezember 2013). Der Zubau allein im Jahr 2013 betrug 31,6%.
Wird zusätzlich ein großer Multifunktions-Wärmespeicher in das System integriert, kann dieser nicht nur Solarwärme vom Sommer bis in den Winter speichern, sondern stets die Abwärme der entsprechend den Kursen der Strombörse betriebenen KWK-Anlagen aufnehmen und bei Bedarf Überproduktionsmengen regenerativen Stroms als Wärme entsorgen. Erste Pilotanlagen solcher „smarten“ Fernwärmesysteme wurden mit wissenschaftlicher Unterstützung von Solites z.B. in Marstal auf der Insel Aerö oder in Braedstrup (Dänemark) realisiert.
Das Steinbeis-Forschungsinstitut Solites arbeitet mit einem breiten Aufgabenspektrum an der Energiewende im Strom- und insbesondere im Wärmebereich: Grundlegende F+E-Arbeiten zur Systementwicklung, simulationsgestützte technisch-wirtschaftliche Konzipierung von flexiblen, solarisierten Systemen zur gekoppelten Wärme- und Stromproduktion, die Begleitung von Pilotvorhaben, Wissenstransfer, Marktentwicklungsvorhaben und Beratung von Politik und Verbänden sind Beispiele, in denen das Expertenwissen von Solites national und international gefragt ist.
Dirk Mangold leitet das Steinbeis-Forschungszentrum Solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites). Zusammen mit Thomas Pauschinger ist er seit 1990 in der Forschung, Entwicklung und Anwendung solarthermischer Systeme, solarthermischer Großanlagen, von energiesparendem Bauen, solarer Nahwärmesysteme und von Speichertechniken zur saisonalen Wärmespeicherung aktiv.
Dirk Mangold, Thomas Pauschinger
Steinbeis-Forschungszentrum Solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) (Stuttgart)
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