Bereit für PLM?

Steinbeis hilft Unternehmen die Durchgängigkeit des Engineerings zu gestalten

Produktentstehung ist komplex und wird mit der kommenden Diskussion um smarte Produkte und Industrie 4.0 noch komplexer werden. Sind mit der steigenden Komplexität zwangsweise auch steigende Kosten im Produktentstehungsprozess verbunden? Nein, vielmehr ist die Notwendigkeit zur Optimierung des Produktentstehungsprozesses (PEP) dringlicher denn je, sagen die Experten des Karlsruher Steinbeis- Transferzentrums für Rechnereinsatz im Maschinenbau (STZ-RIM).

Entwicklungsarbeit wird heute virtuell und in Form von Simultaneous Engineering durchgeführt: Viele Personen aus unterschiedlichen Abteilungen arbeiten gleichzeitig am selben Produkt. Dies macht eine geeignete Synchronisation unzähliger Informationen über Modell- und Abteilungsgrenzen hinweg notwendig. Denn wenn nicht bedacht wird, welchen Einfluss eine Änderung auf alle am Prozess beteiligten Systeme hat, entstehen schnell hohe Folge- und Korrekturkosten. Die Steinbeis- Experten machen dies an einem Beispiel deutlich: Bei einem Automobilzulieferer wurde eine vom Kunden geforderte Konstruktionsänderung in den Konstruktionsmodellen angepasst, jedoch nicht in den Modellen der Qualitätssicherung. Gutteile wurden daher aufgrund veralteter Unterlagen der Qualitätssicherung als Ausschuss deklariert und verschrottet. Der entstandene Schaden ging in die Millionen. Dokumentiert werden solche Fälle selten. Oft werden sie unter den Teppich gekehrt und erreichen selbst das Management im eigenen Unternehmen nicht.

Bisher wird meist versucht, diese Problematik mit Hilfe einer reinen technischen Rationalisierung – zumeist durch die Einführung von Product Lifecycle Management (PLM)-Systemen – zu lösen. Die Gestaltung des PEP im Sinne einer organisatorischen Rationalisierung wird ausgeklammert, bestehende Prozesse werden nicht hinterfragt. Von der Installation einer Software wird eine Selbstoptimierung aller bisherigen Prozesse erwartet. Doch genausowenig, wie der Kauf eines Schranks schon das fehlende Ordnungssystem seines Nutzers löst, kann die Software ein nicht vorhandenes Semantik-, Struktur- und Organisationskonzept ersetzen. Die Gestaltung des PEP ist bei Einführung von PLM-Systemen unbedingt notwendig. Wichtig ist es, diese als echte Chance zur organisatorischen Rationalisierung zu begreifen und sie im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses gezielt umzusetzen.

Die Siemens Industrie Software hat gemeinsam mit dem Steinbeis-Transferzentrum Rechnereinsatz im Maschinenbau den Do(PLM)Con Beratungsansatz entwickelt, der bei der organisatorischen Rationalisierung in der Produktentstehung hilft. Einer der Leitgedanken bei seiner Entwicklung war, bewährte Ansätze des Lean Managements auf die Gestaltung der Produktentstehung zu übertragen. So folgt er der Wirklogik kontinuierlicher Verbesserung, indem mit einer PLM-Informationsflussanalyse der Ist-Zustand der Produktentstehung für alle Beteiligten transparent gemacht wird. Ist dies geschehen, beginnt die Entwicklung eines verbesserten Soll-Zustandes mit Hilfe der Do(PLM)Con Gestaltungsrichtlinien. Dieser Zustand besteht aus einem Struktur- bzw. Semantikkonzept gepaart mit einem organisatorischen Konzept. Im dritten Schritt wird ein PLM-Technologiekonzept entwickelt, das die technische Grundlage zur Realisierung des Soll-Zustands schafft und eingeführt werden kann.

Vergleichbare Ansätze scheitern oft an der Komplexität des PEP. Bisher war es kaum möglich, den Ist- und Soll-Zustand so zu visualisieren, dass er verständlich für alle Beteiligten ist. Im Do(PLM)Con Ansatz wurde daher das „Lifecycle Mapping“ als ein dem Wertstromdesign im Produktionsmanagement vergleichbares Werkzeug geschaffen. Mit ihm ist es möglich, eine Landkarte des Produktentstehungsprozesses aufzunehmen. Es ist frei von komplizierter IT-Terminologie und für Mitarbeiter leicht verständlich. Der Einsatz des Do(PLM)Con Beratungsansatzes ist besonders während des Auswahlprozesses für oder begleitend zur Einführung eines PLM-Systems hilfreich. Seine Anwendung bringt jedoch auch unabhängig von der PLM-Einführung einen großen Mehrwert, da die organisatorische Rationalisierung des PEP oftmals auch auf Basis vorhandener Systemlandschaften möglich ist. Für ein Projekt mittlerer Komplexität kann mit einem Aufwand von 10-15 Beratungstagen kalkuliert werden.

Das Steinbeis-Team hat den Do(PLM)Con Ansatz bei einem Unternehmen eingesetzt, das Werkzeugmaschinen in Auftragsfertigung herstellt. Eine PLM-Informationsflussanalyse hat eine Reihe von Schwachstellen im PEP des Unternehmens aufgezeigt. Dem Unternehmen gelang es unter anderem nicht, die technischen und warenwirtschaftlichen Produktmodelle synchron zu halten. Häufig wurden falsche Teile bestellt, was hohe Folgekosten verursachte. Ein weiteres Problem waren die sich daraus ergebenden langen Durchlaufzeiten bei Aufträgen mit hohem Neuentwicklungsanteil. Die Konkurrenz konnte oft schneller liefern, regelmäßig gingen wichtige Aufträge verloren. Um die Ursachen der Probleme zu lokalisieren, analysierte Steinbeis den Informationsfluss der Produktinformationen mit Hilfe von Lifecycle Mapping: Mit Eingang eines neuen Auftrags erstellt der verantwortliche Produktmanager eine erste Produktstruktur für das Neuprodukt im TDMSystem und verteilt die Konstruktionsaufgaben an die beteiligten Konstrukteure. In der weiteren Produktentwicklung klären dann die Konstrukteure mit den Warenwirtschaftlern ad hoc, in Meetings oder telefonisch die Materialentsprechungen für angepasste und/oder neue Teile. Vor Abschluss der Konstruktionsphase initiiert der Produktmanager die manuelle Erstellung einer Stamm-Stückliste im ERP-System, die er manuell von der Produktstruktur im TDM-System ableitet. In der PEP-Analyse zeigte sich dieses Zusammenspiel als wesentliche Ursache für das beschriebene Problem. Die Verknüpfung zwischen Materialstamm und einer konkreten Produktstruktur ist gewachsen, jeder Beteiligte löst die Kommunikation zwischen den Systemen individuell. Es existiert weder eine abgeglichene Datensemantik noch ein organisatorisches Konzept, um die Stamm-Stücklisten und den Materialstamm mit den Daten der Produktstruktur synchron zu halten. Die Verbindung der IT-Systeme ist manuell. Veränderungen in den jeweiligen Modellen werden daher oft nicht oder fehlerhaft kommuniziert.

Das Steinbeis-Team löste zuerst die semantischen und im Anschluss die organisatorischen Probleme. Nach einer ersten Analyse stellten sie fest, dass eine 1:1-Zuordnung der Teile zwischen Produktstruktur, Materialstamm und Stammstückliste möglich ist. Um diese zu realisieren, wurde die gewachsene, funktionale Struktursemantik der Produktstruktur in die logistisch orientierte Semantik der Stamm-Stückliste überführt. Dazu mussten Baugruppenumfänge verändert werden, damit in jedem Fall eine eindeutige Entsprechung dieser im Materialstamm des ERP-Systems sichergestellt war. Um diese Eindeutigkeit zu realisieren, wurden alle relevanten Zuordnungsfälle zwischen den Modellen herausgearbeitet und jeweils spezifisch gelöst. Nun konnten der Materialstamm und die Stamm-Stückliste über die Produktstruktur gesteuert werden. Die Produktstruktur wurde als führende Informationsquelle definiert. Nun kann jederzeit von der Produktstruktur auf das Material geschlossen werden. In einem nächsten Schritt wurde die Organisation des PEP neu gestaltet. Bei Anlage der Produktstruktur bestimmt der Produktmanager sowohl auf Konstruktions- als auch auf Warenwirtschaftsseite Teile- bzw. Komponentenverantwortliche. Die Kommunikation zwischen diesen erfolgt über einen definierten Freigabeprozess, den der Konstrukteur auslöst. Nach erfolgreicher Freigabe findet die Datenübergabe zwischen den Systemen statt. Zur technischen Unterstützung der Lösung wurde ein PLM-System eingeführt, das das TDM-System ersetzte. Es trägt alle Produktstrukturen. Damit war es möglich, den zuvor definierten Prozess an wesentlichen Stellen zu automatisieren. PLM- und ERPSystem wurden über eine Schnittstelle verknüpft. So kann eine automatische Übertragung der Teileinformation ins ERP-System erfolgen.

Der Do(PLM)Con Beratungsansatz und sein Werkzeug, das Lifecycle Mapping, machen den PEP einer organisatorischen Rationalisierung zugänglich. Insbesondere vor dem Hintergrund von Industrie-4.0-Szenarien wird diese Methode eine zunehmende Relevanz erfahren. Industrie- 4.0-Ansätze stellen viel höhere Anforderungen an die Integration und das Management der Informationen über den gesamten Produktlebenszyklus, die sich mit Do(PLM)Con lange vor einer Softwareeinführung einfach und präzise planen lassen.

So hinterfragen Sie die Produktentstehung in Ihrem Unternehmen:

  • Gab es Projekte, in denen der Umgang mit Produktinformationenüber den Lebenszyklus diskutiert und gestaltet wurde?
  • Können die Akteure im PEP Mehrwert und Zweck der Rechnermodelle,die sie aufbauen, benennen?
  • Ist bekannt, in welcher Granularität die Informationen in diesen Modellen gebraucht werden?
  • Ist bekannt, wann welche IT-Modelle notwendig sind?
  • Sind die Quell- und Zielmodelle des jeweiligen Modells bekannt?
  • Können die Informationen so erzeugt werden, dass sie genaudann vorhanden sind, wenn sie gebraucht werden?
  • Können die Akteure aufzeigen, wie die Informationen imzeitlichen Verlauf des PEP zwischen den Modellen fließen?

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Jörg W. Fischer, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Hoheisel, Prof. Dr.-Ing. Ute Dietrich
Steinbeis-Transferzentrum Rechnereinsatz im Maschinenbau (STZ-RIM) (Karlsruhe)
su0061@stw.de | www.steinbeis.de/su/61

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