Abrasivstrahlen unter dem Wassermantel-Schutzschirm

Steinbeis-Verfahren bindet giftige Feinstäube

Das Strahlen mit Abrasivkörnern ist ein seit vielen Jahren gängiges Verfahren in der industriellen Fertigung und im Bauwesen. Es entfernt Oxid-, Schutz- und Schmutzschichten auf mechanischem Wege und wird darüber hinaus auch für Oberflächenveredelungen und Entgraten feiner Grate eingesetzt. Allerdings entstehen beim abrasiven Strahlverfahren mit Hartpartikeln durch den Abtragprozess Stäube, die je nach bearbeitetem Werkstoff nicht nur in gefährlicher Feinstform wirken, sondern auch sehr giftig sein können. Ziel eines Forschungsprojekts des Steinbeis-Transferzentrums Verfahrensentwicklung und der mps Strahltechnik GmbH im Rahmen der Innovationsgutscheine des Landes Baden-Württemberg war es, ein Verfahren zu entwickeln, bei dem die Feinstäube mit Hilfe eines Wassertröpfchenmantels gebunden werden und so nicht in die Umgebung gelangen können.

Charakteristisch für alle Strahlverfahren ist die Staubbildung während des Prozesses. Dabei sind die zum Strahlen eingesetzten Partikel nicht das Problem, weil diese in der Regel einen Durchmesser von 50 my bis 200 my aufweisen und sich einfach binden oder abscheiden lassen. Problematisch sind die Abtragpartikel vom bearbeiteten Werkstück aufgrund der Selbstzerkleinerung des Strahlguts, so dass ein Größenspektrum der Feinstäube von 1 my bis 20 my entstehen kann. Diese Feinstäube entweichen durch den Blasdruck in die Umgebung. Mit Filtereinrichtungen gelangt man aufgrund der hohen Mengen an Abluft sehr schnell an technologische Grenzen. Darüber hinaus ist trotz Schutzmaßnahmen die Belastung für die Mitarbeiter sehr hoch.

Aus verfahrenstechnischer Sicht handelt es sich bei der Entwicklung des Steinbeis-Transferzentrums Verfahrensentwicklung um eine Freiformeinwirkung mit hartem Strahlgut wie Bimsstein, Glasperlen, Aluminiumoxid, Stahlkies, Sand oder Nusskernschrot auf Werkstückoberflächen. Die Partikel werden mit hoher Geschwindigkeit mit Hilfe von Druckluft auf die Werkstückoberfläche geschleudert. Verfahrensparameter sind neben der Art der Abrasivkörner im Wesentlichen die Auftreffgeschwindigkeit, die Partikelmenge und vor allem die Einwirkzeit.

Mit der Weiterentwicklung haben die Steinbeis-Experten das Staubproblem gelöst, indem sie um den Abrasivkegel einen Wassermantel aus feinsten Wassertröpfchen legten und so ein Schutzschirm um die Staubquelle entstand. Realisiert wurde dies mit sechs oder acht Düsen aus der neuesten Sprinkler-Technik, alternativ mit Hohlkegeldüsen, die sich auch mit dem üblichen Haushalts-Wasserdruck betreiben lassen. Die Wasserdüsen wurden koaxial in einem Ringgehäuse um die Abrasivdüse angeordnet. Die Einrichtung lässt sich an jede handelsübliche Strahldüse adaptieren.

Die Strahlversuche des Steinbeis-Teams zeigten, dass die Staubbindung die Erwartungen übertraf und dass gleichzeitig die Abtragrate am zu bearbeitenden Werkstück merklich anstieg. Dies war nicht erwartet worden, weil eine Partikelbindung nur möglich ist, wenn zwischen dem schnellen Abrasivpartikel und dem langsameren Wassertröpfchen unterschiedliche Geschwindigkeiten herrschen.

Der Strömungsmechanismus im Verfahren ist so komplex, dass zur Klärung ein Strömungsmodell erarbeitet und Computer-Simulationen durchgeführt wurden, gefolgt von verifizierenden Versuchen. Das Ergebnis war so frappierend wie logisch: Beim Abrasivstrahlen ohne Wassermantel bildet sich auf der Werkstückoberfläche ein Druckpolster mit vielen kleinen Abtragpartikeln, in der die einfliegenden Partikel abgebremst werden. Im Falle des Wassermantels wird ein Großteil der bremsenden Feinstpartikel absorbiert, so dass die Abrasivkörner ungebremst zum Erosionsprozess auf der Werkstückoberfläche auftreffen können. Das Ergebnis ist also eine Reduzierung der Umweltbelastung bei gleichzeitiger Leistungssteigerung des Bearbeitungsvorgangs.

Kontakt

Prof. Karl Schekulin
Steinbeis-Transferzentrum Verfahrensentwicklung (Reutlingen)
su0076@stw.de | www.steinbeis-transferzentren.de

M. Pfefferle
mps Strahltechnik GmbH (Balingen)

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