Dringend gesucht: Effektive Informationssysteme

Steinbeis-Team testet modulares Software-Tool im Verbund

Mit dem Trend zur Digitalisierung der Wirtschaft verbindet sich die Erwartung eines erheblichen Produktivitätssprungs durch die durchgängige IKT-Unterstützung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen. Als zentrale Herausforderung erweist sich dabei die Bereitstellung geeigneter flexibler Informationssysteme, denn die Anforderungen sind hoch. Dr. Holger Gast, Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Agile Entwicklung von Informationssystemen, bietet seinen Kunden mit seinem innovativen Software-Tool eine Möglichkeit, eine individuelle Webanwendung aus flexiblen Einzelmodulen je nach Bedarf zusammenzustellen und zu konfigurieren.

Moderne Informationssysteme müssen zwei zentrale Anforderungen erfüllen. Zum einen muss eine Softwarelösung präzise auf die Prozesse eines Unternehmens abgestimmt werden. Zum anderen muss sie mandantenfähig sein: Jeder Benutzer darf nur auf die Daten zugreifen, die er für seine Aufgaben tatsächlich benötigt. Beide Ziele sind häufig nur durch Individualsoftware zu realisieren, die lange Realisierungszeiten mit entsprechend hohen Kosten nach sich zieht.

In der betrieblichen Praxis führt das Fehlen von Informationssystemen häufig dazu, dass die benötigten Daten in Excel-Tabellen und speziellen Ordnerstrukturen abgelegt sind. Dies ist jedoch die schlechteste aller Lösungen: Jeder Benutzer muss die vollständige Struktur kennen und sich beim Zugriff mit anderen abstimmen. Nicht selten können nur bestimmte Mitarbeiter überhaupt mit den Daten umgehen, die anfallenden Opportunitätskosten in Form von Arbeitszeit werden ausgeblendet.

Holger Gast setzt dieser Problematik einen innovativen Ansatz zur Software- Erstellung entgegen, bei der der Software-Entwickler zum Software- Ingenieur wird. In einer CAD-ähnlichen graphischen Oberfläche konstruiert er aus flexiblen Grundelementen ein funktionales Modell der benötigten Software. Ein spezielles Software-Tool erzeugt aus dem Modell eine Web-Anwendung auf Basis des Industriestandards JavaEE. Der Grundsatz lautet „Modellieren statt Programmieren“. In Referenzprojekten konnte Gast die Entwicklung um einen Faktor 6-8 beschleunigen. Damit lässt sich eine typische Benutzermaske je nach Komplexität in maximal 30 Minuten realisieren, inklusive einer passenden relationalen Datenbank. Die Umsetzung kann damit mit der Erstellung komplexer Excel- Tabellen konkurrieren. Für Spezialaufgaben benötigte Informationssysteme könnten so beinahe ad-hoc nach wenigen Wochen verfügbar sind.

Auf Herz und Nieren geprüft wurde das neue Tool in einem gemeinsamen Projekt von Holger Gast und seinem Beratungszentrum mit den Kollegen des Steinbeis-Beratungszentrums Existenzgründung. Letztere unterstützen Gründer unter anderem mit der Beantragung von „Exi- Gutscheinen“ aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds ESF und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg. Sie geben Gründern die Möglichkeit, ihre Geschäftsidee mit Experten weiterzuentwickeln. Die neu erstellte Softwarelösung sollte die Verwaltung der Gutscheine im Zentrum effizienter gestalten, Fehlerquellen ausschließen und den Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten bei den jährlich über 350 Beratungen reduzieren.

Im ersten Schritt bewerben sich Gründer um die Förderung. Dies geschieht nun in einem Online-Fragebogen, in dem die Gründer neben ihren persönlichen Daten auch Informationen zur Geschäftsidee und -planung angeben. Ein Steinbeis-Mitarbeiter evaluiert die Informationen online und entscheidet über die Bewilligung des Antrags. Gleichzeitig wird dem Gründer ein Berater zugeordnet und der Umfang der freigegebenen Beratungsstunden festgelegt. Gründer und Berater werden daraufhin per Knopfdruck über die Entscheidung informiert und erhalten Zugang zu den Projektdaten. Sie können nun gemeinsam an der Weiterentwicklung des Gründungsvorhabens arbeiten.

Ein Vorteil einer integrierten Software-Lösung besteht darin, dass das System alle relevanten Daten zusammenführt und arbeitsintensive Schritte automatisiert. Bisher mussten die Angaben von Gründern aus Papierformularen übertragen werden; jetzt lädt der Gründer die Formulare als ausgefüllte Dokumente herunter und unterschreibt nur noch. Auch die Abrechnung erfolgt vollständig automatisiert. Schließlich können zum Jahresabschluss die Nachweise an die Fördergeber in vereinheitlichte Excel-Vorlagen exportiert werden.

Das Projektbeispiel zeigt auch die Wichtigkeit der Mandantenfähigkeit und der Abstimmung auf die einzelnen Arbeitsprozesse. Gründer, Berater und Steinbeis-Mitarbeiter können nur auf diejenigen Daten zugreifen, die für ihre Rolle notwendig sind. Dabei werden sie in den Arbeitsschritten durch genau passende Benutzermasken unterstützt.

Der neue Ansatz zur Software-Entwicklung erlaubt auch die Umsetzung von Sondermasken für spezielle Situationen. So können die Steinbeis- Mitarbeiter nun beispielsweise in der Projektsteuerung wesentlich einfacher als bisher Beratungsprojekte und deren eventuelle Verzögerung über separate Masken nachverfolgen. Für den schnellen Zugriff auf einen Projektdatensatz kann nach den relevanten Merkmalen gesucht werden. Solche Speziallösungen sind dann kosteneffizient, wenn der Erstellungsaufwand vernachlässigbar ist, in diesen Fällen lag er bei 20- 30 Minuten – ein Bruchteil der anfallenden Arbeitszeit ohne die Nutzung des Tools bei der Verwaltung.

Gleichzeitig greift das System den aktuellen Trend zur Self-Service- IT auf. Daten sollen dezentral dort erhoben werden, wo sie anfallen und Prozesse werden dezentral angestoßen. Ein typisches Beispiel hierfür sind Urlaubsanträge im Unternehmen. Konventionell muss die Human Resources Abteilung die Angaben vom Papierformular in die Verwaltungssoftware übernehmen. Bietet das System dem Mitarbeiter eine Erfassungsmaske, kann sich die HR-Abteilung auf ihre eigentlichen Planungs- und Entscheidungsaufgaben konzentrieren. In der neuen Softwarelösung von Steinbeis-Experte Holger Gast werden die umfangreichen Statistikdaten und die Rechnungsdaten dezentral von Gründern und von Beratern eingegeben. Dabei werden auch die teils komplexen Querbeziehungen zwischen Fragen im Antragsformular direkt geprüft, so dass sich weniger Rückfragen und Korrekturen ergeben.

Das Steinbeis Projekt-Team unterstrich den Gewinn durch beinahe adhoc verfügbare Informationssysteme: Nach einem Planungsvorlauf von drei Wochen konnte das System in sechs Wochen umgesetzt und getestet werden. Der Erstellungsaufwand erwies sich dabei als Bruchteil des Aufwandes, den die Pflege der Daten bisher erfordert hatte – ein Mehrwert für alle am Projekt Beteiligten!

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