Zeit- und kosteneffizient testen

Vernetzungs- und Integrationstests für die Automobilindustrie

Fahrzeugnetzwerke bilden das Rückgrat der Automobilelektronik. Damit ihr Zusammenspiel einwandfrei funktioniert, sind umfangreiche Untersuchungen während der Entwicklungsphase notwendig. Dabei durchläuft jedes Steuergerät eine Reihe von Integrationstests. Zunächst wird jede einzelne Schnittstelle getestet, anschließend erfolgt die Integration in die einzelnen Fahrzeugnetzwerke und schließlich in den Gesamtfahrzeugverbund. Alle diese Tests laufen zunächst unter Laborbedingungen ab, bevor die Integration ins Fahrzeug erfolgt. Derartige Vernetzungstests werden am Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik (TZM) in Göppingen durchgeführt.

Seit mit Einführung des CAN-Busses Anfang der 1990er-Jahre mit der Vernetzung elektrischer und elektronischer Komponenten in Kraftfahrzeugen begonnen wurde, hat die Komplexität elektronischer Anwendungen im Automobilbereich erheblich zugenommen. Beschränkte sich die Vernetzung anfänglich noch auf die Motorelektronik, hat sie sich inzwischen auf die gesamte Fahrzeugelektronik ausgedehnt. Mit der Entwicklung von komplexen Fahrerassistenz-, Sicherheits- und Komfortsystemen in modernen PKWs hat die Zahl der Steuergeräte und damit das Datenaufkommen stark zugenommen. Dies macht einen immer schnelleren aber gleichzeitig fehlerfreien Datenaustausch zwischen den einzelnen Steuergeräten notwendig. In modernen Kraftfahrzeugen kommen neben CAN außerdem LIN, MOST und FlexRay zum Einsatz, um diese Anforderungen erfüllen zu können. Auch das aus der IT sowie industriellen Kommunikation bekannte Ethernet gehört inzwischen zum Stand der Technik.

Bedenkt man, wie viele Steuergeräte sich in modernen Fahrzeugen befinden – in Oberklassefahrzeugen sind es mittlerweile über 100 verschiedene Steuergeräte – und berücksichtigt man außerdem die enorme Variantenvielfalt, die einige Automobilhersteller im Angebot haben, wird der enorme Aufwand ersichtlich, der für eine umfassende Absicherung notwendig ist. Damit ein reibungsloser Ablauf gewährleistet werden kann und die Vernetzungstests zeit- und kosteneffizient durchgeführt werden können, muss ein klarer Prozess etabliert werden.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist ein hoher Grad bei der Testautomatisierung. Auf diese Weise können Testfehler auf ein Minimum beschränkt und die Durchlaufzeiten der zu testenden Steuergeräte erheblich reduziert werden. Die Herausforderung besteht dabei darin, die Testabläufe und Testfälle soweit als möglich zu standardisieren, gleichzeitig aber die unterschiedlichen Komplexitäten der Steuergeräte zu berücksichtigen. So müssen sowohl in ihrer Komplexität einfache LINSlaves als auch hochkomplexe Gateways, die mehrere, teils verschiedene Busse miteinander verbinden, getestet werden können.

TZM hat sich bei der Realisierung der erforderlichen Testsysteme für die Produkte der Vector Informatik GmbH entschieden. Die Testaufbauten für die Vernetzungstests basieren auf Vector‘s VT System. Dabei können alle Bussysteme zeitgleich erfasst und ausgewertet werden. Die Verwaltung der Steuergeräte erfolgt mittels Datenbank, in der sämtliche, für die Tests erforderliche Daten hinterlegt sind. Auch der aktuelle Teststatus und die Ergebnisse liegen in der Datenbank. Ein am Steuergerät angebrachter Laufzettel dient der eindeutigen Identifizierung sowie der Zuordnung zum zugehörigen Datenbankeintrag. Die Testumgebung ist so gestaltet, dass die Testimplementierung und der Testparametersatz vollständig voneinander getrennt sind. Mit den Informationen aus der Datenbank wird zu Beginn eines Testdurchlaufs eine Parameterdatei im XML-Format erstellt, mit der die Testumgebung parametriert werden kann.

Während der Testdurchführung werden alle notwendigen Tests in einer sinnvollen Reihenfolge abgearbeitet. Das heißt, die Testumgebung prüft zunächst die einzelnen Busschnittstellen und schaltet, nachdem eine Schnittstelle getestet wurde, auf die nächste Schnittstelle um und führt mit ihr die Tests erneut durch. Dabei werden im Testreport alle Umgebungsparameter und das Testergebnis dokumentiert, um eine Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Die Steuergeräte werden sowohl einzeln als auch im Verbund getestet. Dabei wird verifiziert, ob sich alle Steuergeräte gemäß der Netzwerk-Spezifikation verhalten, beispielsweise hinsichtlich des Netzwerkmanagements oder des Wake up-Verhaltens.

Der hohe Grad der Testautomatisierung wird erreicht, indem die Testumgebung in der Lage ist, verschiedene Steuergeräte nacheinander zu prüfen. Sind alle Schnittstellen eines Steuergeräts getestet, schaltet die Testumgebung automatisch auf das nächste Steuergerät um. Die Testumgebung arbeitet die Steuergeräte nach dem Prinzip einer FIFO-Warteschlange ab. Es ist jederzeit möglich, bereits getestete Steuergeräte zu entnehmen und neue Steuergeräte an das Testsystem anzuschließen. Im Idealfall kann das Testsystem somit ohne Unterbrechung die Integrationstests durchführen.

Bei der anschließenden Testauswertung werden Auffälligkeiten dahingehend bewertet, ob tatsächlich ein Fehlverhalten des Steuergeräts vorliegt oder ob diese beispielsweise auf eine falsche Parametrierung der Testumgebung zurückzuführen sind. In letztgenanntem Fall muss die Testvorbereitung überprüft und der Test nochmals durchgeführt werden. Anhand der in der Testauswertung festgestellten und bewerteten Ergebnisse erfolgt die Dokumentation. Auffälligkeiten werden in der Fehlerdatenbank dokumentiert. Nach Durchführung dieses Prozessschrittes ist der Vernetzungstest abgeschlossen.

Mit diesem und weiteren Projekten ist TZM seit 1991 erfolgreich am Markt tätig. Rund 90 Mitarbeiter bearbeiten in den Geschäftsbereichen Engineering & Development, Embedded Systems und Software Engineering vielfältige Projekte in den Branchen Medizintechnik, Automobil und Automatisierungstechnik. Das erläuterte Projekt wurde im Geschäftsbereich Embedded Systems durchgeführt, deren Fokus neben Vernetzung & Bussysteme auf zwei weiteren Kernthemen – Embedded Software sowie der Aufbau von Testsystemen – liegt.

Kontakt

Christoph Königs (Bereichsleiter Embedded Systems), Tobias Streitberger (Teamleiter Testing) und Marc Pejga (Teamleiter Fahrzeugvernetzung) sind Mitarbeiter des Steinbeis-Transferzentrums Mikroelektronik in Göppingen. Seit über 20 Jahren bietet das Steinbeis-Unternehmen erfolgreich Engineering-Dienstleistungen für Unternehmen aus der Automobil-, Medizin- und Automatisierungsbranche. Das Steinbeis- Transferzentrum Mikroelektronik wurde 2007 mit einem Sonderpreis des Transferpreises der Steinbeis-Stiftung ausgezeichnet.

Christoph Königs
Tobias Streitberger
Marc Pejga

Steinbeis-Transferzentrum Mikroelektronik (Göppingen)

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