„Internationalisierung ist auch für die Wirtschaft längst keine Einbahnstraße mehr“

Im Gespräch mit Jürgen Oswald, Geschäftsführer von Baden-Württemberg International

Herr Oswald, dass die Internationalisierung der deutschen Wirtschaft voranschreitet, wissen Sie als Geschäftsführer von Baden- Württemberg International (bw-i) nur zu gut. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in Baden-Württemberg? Welche besonderen Hürden müssen sie aus Ihrer Sicht nehmen?

Wie groß die Chancen der Internationalisierung sind, erlebe ich immer wieder auf unseren Delegationsreisen ins Ausland. Zum einen erschließen sich die Unternehmen dadurch neue Absatzmärkte und zusätzliches Wachstum. Zum anderen können sie vor allem in den Schwellenländern von den niedrigeren Kosten bei der Produktion und Beschaffung oder vom Zugang zu Rohstoffen profitieren. Ein Vorteil ist mir besonders wichtig: Internationaler Wettbewerb fördert die Innovationskraft im Unternehmen. So betreiben Firmen mit Auslandsaktivitäten einen fast doppelt so hohen Aufwand für Forschung und Entwicklung wie Firmen ohne Auslandsverflechtung. Letztendlich sichern die Unternehmen mit dem Schritt ins Ausland ihre Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze am Standort Deutschland. Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen stellt die Internationalisierung aber auch eine Herausforderung dar. Der erhöhte Aufwand des Managements für die Entwicklung und Umsetzung der Internationalisierungsstrategie darf nicht unterschätzt werden: Es müssen Zielmärkte definiert, die Spezifika des jeweiligen Marktes herausgearbeitet und Risikoanalysen erstellt werden. Die Finanzierung dieses Schrittes muss gestemmt werden. Problematisch sind auch die bürokratischen Hürden, Genehmigungsprozesse und das Thema Schutzrechte in den jeweiligen Zielländern. Das ist für eine Firma mit 150 Mitarbeitern nicht so leicht zu handhaben. Deshalb hat bw-i in einem der wichtigsten Wachstumsmärkte – in China – auch ein eigenes Büro am Standort Nanjing eingerichtet, um die baden-württembergischen Mittelständler bei der Markterschließung zu unterstützen.

2014 hat bw-i ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert?

Unsere Gesellschaft wurde 1984 als Exportstiftung Baden-Württemberg gegründet – mit dem Ziel, kleinere und mittlere Unternehmen bei ihren Exportaktivitäten zu unterstützen. Im Laufe der Zeit kamen neue Aufgabenfelder hinzu. Zuletzt im Jahr 2004, als wir den Auftrag erhielten, den Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Landes bei der Internationalisierung zu helfen. Mit dieser Kombination aus Wirtschaft und Wissenschaft sind wir übrigens einzigartig in Deutschland. Was die Un- terstützung der Unternehmen angeht, hat sich unser Fokus verschoben: Ging es zunächst darum, den Mittelständlern bei der Erschließung neuer Auslandsmärkte zu helfen, stehen heute die Kooperationsanbahnung zwischen baden-württembergischen und ausländischen Unternehmen sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Vordergrund unserer Aktivitäten. Zudem leistet bw-i mit ihren Programmen einen Beitrag zum intensiveren Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Nicht nur die Wirtschaft, auch Wissenschaft und Forschung stehen stärker denn je im globalen Wettbewerb. bw-i unterstützt die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg bei deren Internationalisierung. Welche Herausforderungen bringt dieser Prozess für das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem mit sich?

Im Zuge der Globalisierung stehen unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Tat immer stärker im Wettbewerb um die besten Köpfe und die besten Kooperationspartner. Da mehr als 90 Prozent des weltweiten Wissens außerhalb Deutschlands entsteht, müssen wir dieses Wissenspotenzial für unsere Forschung erschließen und mit den besten Wissenschaftlern und innovativsten Forschern in aller Welt zusammenarbeiten. Gleichzeitig gilt es, die Attraktivität des Standortes für ausländische Wissenschaftler, Professoren und Studenten zu erhöhen. Daraus ergibt sich als weitere Herausforderung die Internationalisierung unserer Ausbildung: Sowohl Wissenschaft als auch Wirtschaft brauchen gut ausgebildeten und international versierten Nachwuchs – und für diesen Bedarf müssen die Hochschulen entsprechende Studienangebote machen und sich in allen Bereichen internationalisieren. Das reicht vom Aufbau internationaler Kooperationen und Austauschbeziehungen, der Beteiligung mit internationalen Partnern an grenzübergreifenden Projekten, die Integration internationaler Bestandteile in die Curricula bis hin zur Rekrutierung international erfahrenen Personals. bw-i unterstützt und begleitet mit ihren Angeboten die Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Landes bei diesem Internationalisierungsprozess, stellt relevante Informationen bereit und kann so auch institutionenübergreifende Impulse geben.

Wenn man von der Internationalisierung spricht, darf man Technologietransfer nicht vergessen. Welcher Aspekt ist dabei aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

Internationalisierung ist auch für die Wirtschaft längst keine Einbahnstraße mehr. In bestimmten Bereichen ist es unübersehbar, dass der gezielte Aufbau eigener technologischer Kompetenz in Ländern wie China, Indien oder Korea schon so erfolgreich war, dass die Themenführerschaft auf wichtigen Zukunftsfeldern wie etwa der Elektromobilität längst nicht mehr wie selbstverständlich in den westlichen Industrieländern liegt. Dies hat zur Konsequenz, dass es für deutsche Unternehmen zunehmend wichtiger wird, in technologisch anspruchsvollen Bereichen gezielt den Austausch mit ausländischen Partnern zu suchen. Das ist erfahrungsgemäß für die Konzerne deutlich einfacher als für unsere Mittelständler. Wie ich vorhin schon beschrieben habe, gehört die Vermittlung von Kooperationen im Ausland für kleinere und mittlere Unternehmen im Südwesten inzwischen zu unserem Kerngeschäft. Mit unseren Veranstaltungen im In- und Ausland stellen wir Plattformen zur Verfügung, die Technologietransfer ermöglichen und Innovationsprozesse anstoßen können.

Steinbeis und bw-i verbindet eine jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit in zahlreichen Projekten. Wie kann sich die Kooperation Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln, insbesondere im Hinblick auf Technologietransfer?

Beide Organisationen haben bereits in den vergangenen Jahren vor allem in strategisch wichtigen Projekten erfolgreich zusammengearbeitet. So haben wir zum Beispiel im Rahmen der Projekte MicroTEC Worldwide und Pro-Excellence die Internationalisierung des Spitzenclusters Micro- TEC Südwest vorangetrieben. Die Erkenntnisse aus diesen Forschungsprojekten waren auch eine wichtige Grundlage für die Ausschreibung der ClusterAgentur Baden-Württemberg (CABW). Diese vom Ministerium für Wirtschaft und Finanzen Ende 2014 neu gegründete Agentur hat sich die weitere Professionalisierung des Clustermanagements zum Ziel gesetzt und wird gemeinsam vom VDI/VDE, Steinbeis und bw-i getragen. Zum Thema Technologietransfer zeichnet sich zukünftig im Rahmen der CABW eine weitere Zusammenarbeit ab. Ausgehend von den verschiedenen Technologien und Anwendungsfeldern ergeben sich zahlreiche potentielle clusterübergreifende Aktivitäten, die zum Teil – wenn sie über die Landesgrenzen hinausgehen – Steinbeis und bw-i gemeinsam umsetzen werden.

Kontakt

Jürgen Oswald ist seit 2012 Geschäftsführer von Baden- Württemberg International (bw-i), dem Kompetenzzentrum des Landes Baden-Württemberg zur Internationalisierung von Wirtschaft und Wissenschaft. Zuvor leitete der Politikwissenschaftler im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden- Württemberg die Referate Standortmarketing, Clusterpolitik und Außenwirtschaft.

Jürgen Oswald
Baden-Württemberg International
Gesellschaft für internationale wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit mbH (Stuttgart)
info@bw-i.de

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