Energetisch sanieren, nur: wer zahlt’s?

Steinbeis-Studie analysiert Überwälzbarkeit der Sanierungskosten von Mietwohnungen

Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Überwälzbarkeit von Investitionskosten zur Modernisierung von Mietwohnungen von bisher 11% auf 10% der anrechenbaren Kosten zu senken und auf den Zeitraum bis zu deren Amortisation zu beschränken. Diese Regelung wird aktuell vom Justizministerium umgesetzt. Sie geht allerdings von falschen Voraussetzungen über die tatsächlich erzielbaren Renditen der Vermieter bei Modernisierungen aus – diese Auffassung vertreten die Experten am Steinbeis-Transfer-Institut Center for Real Estate Studies der Steinbeis-Hochschule Berlin. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Heinz Rehkugler und Prof. Dr. Marco Wölfle haben sie eine Studie durchgeführt, die zu dem Ergebnis kommt, dass durch die Beschränkung auf die Amortisation der Sanierungskosten die Renditen der Vermieter stark nach unten gezogen, meist sogar negativ werden. Die Neuregelung hätte damit weitaus stärkere Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Vermieter als die heiß diskutierte Mietpreisbremse.

Grundlage des Projektes ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Wirtschaftlichkeit von vor allem energetischen Sanierungsmaßnahmen. Auf Basis verschiedener möglicher Szenarien der Miethöhe entwickelten die Forscher am Institut ein Berechnungsmodell, um die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen mit verschiedenen Referenzwertkonstellationen zu simulieren. Sowohl aus Sicht des Vermieters als auch aus Sicht des Mieters lässt sich so abschätzen, welchen Einfluss Energiekostensteigerungen, Sanierungskosten, die Steigerung der Vergleichsmiete, das Niveau der Ausgangsmiete, die Finanzierungs- und Fördermittelstruktur bei den durchgeführten Maßnahmen sowie die Dauer des Mietverhältnisses nach der Sanierung haben. 

Das Rechenmodell zeigt, dass mit einer Überwälzungsmöglichkeit von 11%, möglicherweise künftig nur noch 10% der Sanierungskosten, in fast keinem praktisch relevanten Fall eine Rendite von 11%/10% einhergeht. Vielmehr ergibt sich im Basismodell vor und nach Steuern ein interner Zins von rund 5,5%, was einer relativ langen Amortisationsdauer von etwa 22 Jahren entspricht. Besonders drastisch wirkt sich aus, wenn, der Realität entsprechend, eine durchschnittliche Mietdauer von 10-15 Jahren angenommen wird. Denn dann lohnt sich für einen Vermieter die energetische Sanierung praktisch nie, falls die bei der Wiedervermietung erzielbare Marktmiete unterhalb des Zuschlags für die energetische Sanierung liegt. Dagegen hat der Vermieter in den Fällen, bei denen die Mieten bei einer Wiedervermietung deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, einen starken Anreiz, die Mieter durch „Androhung“ hoher Mietaufschläge nach der Sanierung zu vertreiben und hohe Folgemieten zu erzielen, die er bei Fortführung des Mietverhältnisses nicht realisieren könnte.

Auf Mieterseite stehen den überwälzten Sanierungskosten die erzielbaren Einsparungen an Heizkosten gegenüber. Selbst bei wirtschaftlich sinnvollen energetischen Sanierungen übersteigen die Mieterhöhungen für viele Perioden die Heizkosteneinsparungen deutlich und belasten den Mieter finanziell. Da die Höhe der Überwälzung nicht an seine Einsparung gekoppelt ist, wird er in vielen Fällen auch langfristig keine Nettoeinsparung erzielen. Wiederum sticht hier besonders das Argument der meist kurzen Mietdauern: Der Mieter zahlt für mögliche spätere Einsparungsvorteile, von denen er aber nie profitieren wird. Aus Sicht des Mieters gilt daher grundsätzlich das Gleiche wie für den Vermieter: Wer innerhalb von 10-15 Jahren nach der Sanierung aus einer Wohnung auszieht, hat bei Ausnutzung der zulässigen Überwälzung der Sanierungskosten in aller Regel über die gesamte Zeit mehr Mietzuschlag zu bezahlen als seinen Einsparungen an Energiekosten entspricht.

Am Mietmarkt bildet sich dieses Dilemma ab. Die faktische Überwälzung der Sanierungskosten bleibt daher im Durchschnitt deutlich unter der gesetzlich erlaubten Höhe zurück und erreicht in etwa das Niveau der Warmmietenneutralität, also des Ausgleichs der Mieterhöhung durch die aktuell erzielbare Heizkosteneinsparung. Bei dieser Höhe der Überwälzung kann der Vermieter aber keine angemessene Rendite auf sein Kapital erzielen.

Die Steinbeis-Studie zeigt daher auf, dass die wesentlichen Schwächen der derzeitigen Regelung zur Überwälzung von Sanierungsmaßnahmen auch durch die Gesetzesnovellierung nicht beigelegt werden: Sie löst das Vermieter-Mieter-Dilemma auch nicht ansatzweise, würgt die Anreize zu energetischen Sanierungen für Vermieter fast völlig ab, verhindert aber dennoch keine unangemessene Belastung der Mieter und keinen Missbrauch der Sanierung zur Entmietung. Dies liegt daran, dass die Überwälzbarkeit der Sanierungskosten weiterhin völlig vom Sanierungserfolg abgekoppelt ist.

Aus Sicht der Steinbeis-Experten wäre daher ein radikal anderer Ansatz der Zulässigkeit von Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen notwendig. Das Proportionalmodell, das die Überwälzbarkeit der Sanierungskosten an den tatsächlichen Sanierungserfolg koppelt, würde die angesprochenen Probleme weit besser lösen. Es würde sicherstellen, dass

  • nur wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen durchgeführt werden,
  • Vermieter auf eine angemessene Verzinsung ihrer Kapitaleinsätze kommen,
  • die energetische Sanierung nicht zur Entmietung missbraucht wird und der Mieter damit nicht ausgebeutet werden kann.

Zur weiteren Förderung der energetischen Sanierungen erschiene es außerdem zweckmäßig, den Vorteil aus der Inanspruchnahme der öffentlichen Fördermodelle als Anreizkomponente beim Vermieter zu belassen.

Kontakt

Für Interessierte ist die Langfassung der Studie auf der Website des Instituts abrufbar.

Prof. Dr. Marco Wölfle
Steinbeis-Transfer-Institut Center for Real Estate Studies (CRES) (Berlin/Freiburg)
su1477@stw.de

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