„Die ältere Generation muss die Aufgabe des Motivators und Möglichmachers übernehmen“

Im Gespräch mit Professor Dr. Carsten H. Hahn, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Innovation Engineering & Entrepreneurship // i2e, Professor an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft und Mitarbeiter der SAP SE

Professor Dr. Carsten H. Hahn erläutert im Interview, welche Aufgabe die ältere Generation zu erfüllen hat, um die Jugendlichen bei der Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen. Er diskutiert die „Action Learning“-Methode in der Lehre und fragt sich, wie die Hochschulen die Studierenden auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten können.

Herr Professor Hahn, Ihre Studierenden an der Hochschule Karlsruhe halfen dem Schülerteam „CreaBotic“ ein Geschäftsmodell für ihren Roboter zu entwickeln, der Meerstrände von Plastikmüll befreit. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

„CreaBotic“ ist eine Projektgruppe aus Neustadt an der Weinstraße, die im Frühjahr dieses Jahres in der Deutschlandausscheidung der World Robot Olympiad gewonnen hatte. Die SAP ist einer der Hauptsponsoren der World Robot Olympiad und bietet den Gruppen Mitarbeiter als Mentoren an. So wurde ich gebeten die „CreaBotic“- Gruppe zu übernehmen. Während der ersten Gespräche und Treffen mit der Gruppe wurde mir sofort klar: Das ist ein typischer Lead-User Fall. Der von Eric von Hippel vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Lead-User Ansatz ist ein Innovationsprozess zur Identifizierung von neuartigen Produkten. Dabei beobachtet man Erfinder, die für ihre Zwecke neue Produkte adaptieren. Das prominenteste Beispiel einer Lead-User Innovation ist das Mountain Bike, das nicht von einem Fahrradhersteller erfunden wurde, sondern von Individualisten, die normale Straßenfahrräder in offroadtaugliche Geräte umgebaut haben.

Ich erkannte das Potenzial des Roboters von „CreaBotic“, sah aber unbedingt Nachholbedarf im Bereich Geschäftsmodelle: Wie vermarktet man eine solche Innovation? Deshalb habe ich Studierenden der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät die Aufgabe gegeben, einen Design Thinking- Workshop mit dem „CreaBotic“-Team und weiteren Experten zu organisieren. Das Ergebnis wird dem Team sicherlich auch helfen, das World Final der World Robot Olympiad in Delhi Ende November zu bestreiten und zu gewinnen.

Dass es der Jugend an Ideen nicht mangelt, zeigen Schülerwettbewerbe wie „Jugend forscht“ oder „Jugend gründet“. Wie aber bekommen die Jugendlichen Unterstützung von der älteren Generation, damit eine erfolgreiche Umsetzung gelingt?

Prinzipiell muss die ältere Generation die Aufgabe des Motivators und Möglichmachers (facilitators) übernehmen. Das heißt: Die junge Generation ist nur selten in der Lage, selbst Initiative zu ergreifen. Auch hier ist „CreaBotic“ ein vorbildliches Beispiel: Sergei Buragin ist ein sehr ambitionierter Lehrer in Neustadt, der diese Rolle einnimmt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Gruppe immer wieder von neuem Impulse bekommt, um solche Erfindungen wie den Roboter in vielen gemeinsamen Arbeitsstunden entstehen zu lassen. Diese Gruppe ist übrigens schon mehrmals in derartigen Initiativen aktiv geworden: So hatte sie schon zum zweiten Mal einen eigenen Ausstellungsstand auf der weltweit einmaligen „gamescom“ in Köln, der Spezialmesse für Spiele.

Sie binden die Methode „Action Learning“ in Ihre Lehre an der Hochschule Karlsruhe mit ein. Welchen Nutzen haben die Studierenden davon?

Meine Dozententätigkeit hat mich bereits mehrere Male an das MIT in Cambridge gebracht, wo ich mit den MBA-Studierenden der Sloan School of Management sogenannte Hackathons - übrigens die Herkunft des Begriffs des Hackers - durchführte. Ein Hackathon ist ein Format, in dem eine Gruppe eine besondere Herausforderung bekommt, die sie in kurzer Zeit, meist zwei bis drei Tage, zu lösen hat. Oft kommt es vor, dass in Hackathons Tag und Nacht an der Herausforderung gearbeitet wird. Das MIT legt darauf Wert, dass die bearbeitete Herausforderung aus der Realität der Industrie stammt. Das MIT bezeichnet diesen Ansatz als „Action Learning“: Eine Methode, wie Studierende an realen Problemstellungen lernen, diese zu lösen. Diesen Ansatz möchte ich an der Hochschule in Karlsruhe etablieren. Dabei gehen wir noch einen Schritt weiter, dass wir nicht nur reale Problemstellungen aus der Industrie miteinbeziehen, sondern den Studierenden unternehmerisches Handeln vermitteln wollen, indem wir sie in eine Start-up-Situation bringen. Hier erarbeiten sie, basierend auf Forschungsergebnissen, ganzheitlich neue innovative Geschäftsmodelle gemeinsam mit dem Mittelstand.

Wir haben diese Vorgehensweise erfolgreich bei einer Ausschreibung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst in Stuttgart platziert. In den nächsten drei Jahren stehen uns Mittel für Mitarbeiter und Räume zur Verfügung, um den „Action Learning“-Ansatz interdisziplinär, also über die Fakultäten der Hochschule hinweg, zu etablieren. Hervorzuheben ist, dass wir bereits sehr konstruktive Gespräche mit Steinbeis führen, wie das Steinbeis-Haus Karlsruhe mit einem Coworkingspace-Konzept den Ansatz unterstützen kann. Das auf drei Jahre ausgelegte Projekt hat zum Ziel, nach der Förderphase den Mittelstand für eine nachhaltige Fortführung des Ansatzes zu gewinnen.

Den Hochschulen kommt die Aufgabe zu, junge Erwachsene fit für die Zukunft zu machen. Welche Methoden sind hierfür aus Ihrer Sicht erfolgreich und welche Herausforderungen bringt der aktuelle Digitalisierungstrend mit sich?

Zuerst einmal stelle ich fest, dass die jungen Menschen, die ich in meiner Zeit an der Hochschule kennengelernt habe, hohes Kreativpotenzial haben. Aber auch hier gilt, dass dieses Potenzial abgerufen werden muss. Kreativität ist meines Erachtens eine der wichtigsten Eigenschaften des unternehmerischen Handelns. Deshalb müssen wir Methoden anwenden, die dieses Potenzial abrufen. Durch meine Tätigkeit bei der SAP habe ich vor zehn Jahren eine Methode aus dem Silicon Valley kennengelernt, die bereits Kulturbestandteil der SAP geworden ist. Unser Gründer Hasso Plattner hat die Methode Design Thinking entdeckt, wie sie beispielsweise bei Apple zur Produktentwicklung bekannter Produkte wie iPhone und iPad verwendet wurde. Er adaptierte sie für die Softwarewelt und brachte sie nach Europa. Design Thinking hat sich in den letzten Jahren als Kreativmethode in Forschung und Praxis etabliert und wird nicht nur für Produkte und Software verwendet, sondern auch für Prozesse und Strategien. Wir haben die Design Thinking-Methode an der Hochschule nicht nur erfolgreich in das Curriculum aufgenommen, sondern auch weiterentwickelt und erarbeiten damit innovative Geschäftsmodelle. Die Resonanz der Studierenden ist außergewöhnlich positiv. Gerade die Digitalisierung erfordert das Potenzial der kreativen Generation Y. Denn diese Generation ist mit den digitalen Medien aufgewachsen und hat einen ganz anderen Zugang zur Digitalisierung. Gepaart mit der kreativen Methodik des Design Thinking können wir den zukünftigen Arbeitgebern, vor allem auch dem Mittelstand, einen hervorragenden Nachwuchs ausbilden.

Kontakt

Professor Dr. Carsten H. Hahn ist Professor an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft und Mitarbeiter der SAP SE und leitet das Steinbeis- Transferzentrum Innovation Engineering & Entrepreneurship // i2e. Zu den Schwerpunkten des Steinbeis-Unternehmens gehören Methoden und Lösungen für die Innovationsfähigkeit in Unternehmen, Impact neuer Technologien auf Geschäftsmodelle sowie Plattformen für technologie- und datengetriebene Innovationen und Ökosysteme.

Professor Dr. Carsten H. Hahn
Steinbeis-Transferzentrum Innovation Engineering & Entrepreneurship // i2e (Karlsruhe)
carsten.hahn@stw.de

Seite teilen