Forschung für die Produktion in der Luft- und Raumfahrt

Bauteilbezogene Fertigungsoptimierung

In der Luft- und Raumfahrt ist die Qualitätssicherung von Prozessen und Bauteilen wesentlicher Bestandteil der Produktion. Die hohen Qualitätsstandards resultieren aus den extremen technischen Anforderungen an die Komponenten. Die Folge ist, dass neben umfangreichen Funktionstests von Bauteilkomponenten vor dem eigentlichen Betrieb bereits bei der Herstellung der Bauteile besondere Anforderungen gestellt werden. Das Steinbeis-Transferzentrum Produktionstechnik & Werkzeugmaschinen und das Steinbeis-Beratungszentrum Hochdruck-Wasserstrahltechnik bieten hierfür bauteilbezogene Fertigungsoptimierungen und Technologieentwicklungen an.

Um die Funktion eines Bauteils in der Luft- und Raumfahrt sicherzustellen, sind nur geringe Toleranzen beispielsweise hinsichtlich Maßgenauigkeit oder Werkstoffgefüge erlaubt. Auch hohe Bauteilkosten machen es im Laufe der Wertschöpfungskette essentiell, eine ausreichende Prozesssicherheit zu gewährleisten.

So stellte bei der Fertigung von Triebwerken der Ariane5-Trägerrakete vor allem der Prozess des Kühlkanalfräsens eine besondere Herausforderung dar. Sowohl Genauigkeiten, aber auch Oberflächen und Gefügeeinflüsse spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein Schwerpunkt ist daher das Fräsen der Kühlkanäle (12 mm Tiefe, 0,7 mm Breite, Restwandstärke 0,6 mm) an der Brennkammer aus der Kupferlegierung CuAgZr mittels der Hochleistungszerspanung (HLZ). Ziel war es, gerade die Fertigung der Brennkammer durch den Einsatz gesteigerter Werkzeugdrehzahlen (Ziel: 20.000 1/min) wirtschaftlicher zu gestalten. Die Herstellung von Trägerraketen unterliegt einem erheblichen internationalen Wettbewerb und damit einem starken Kostendruck. Die Einführung neuer Fertigungstechnologien ist deshalb erschwert, da die bisherige Fertigung eines solchen erprobten Baumusters eine erhebliche Anzahl von Zulassungsprozeduren zu durchlaufen hat. Änderungen der Herstellweise in einem laufenden Programm sind daher äußerst sensibel und müssen mit entsprechenden Nachweisen und Qualitätsprüfungen abgesichert werden. Ein Zeitspanvolumen von 1 cm3/min auf 7 cm3/min zu erhöhen und eventuell Potenziale von 29 cm3/min anzuvisieren, schien auch für Raketenbauer schier unmöglich. Doch die EADS Space Transportation hat in Zusammenarbeit mit dem Steinbeis-Transferzentrum Produktionstechnik & Werkzeugmaschinen einen solchen Quantensprung verwirklicht und damit gezeigt, dass HLZ-Bearbeitung selbst bei kritischen Produkten möglich ist. Für die Fertigung von Brennkammern müssen aufgrund der Störkonturen Werkzeugaufnahmen mit einer Auskraglänge von mindestens 300 mm und Scheibenfräser mit 63 mm Durchmesser und einer Blattstärke von 0,6 mm eingesetzt werden. Die Projektpartner haben beide Komponenten für die extremen Drehzahlsteigerungen optimiert. Gleichzeitig erprobten sie die Trockenzerspanung mit Minimalmengenschmierung. Da für die Funktionsfähigkeit der Brennkammern die Frage der Gefügebeeinflussung durch die Zerspanung von elementarer Bedeutung ist, wurden auch hierfür entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass generell alle Kristalle bzw. Körner eindeutig durch die Schneiden glatt getrennt werden. Die beeinflusste Randzone ist im akzeptablen Bereich kleiner 10 μm. Die Untersuchungen machten deutlich, dass gegenüber der bisherigen konventionellen Zerspanung bei um 2.000 1/min eine erhebliche Leistungssteigerung, soll heißen Rationalisierung mit Drehzahlen zwischen 12.000 und 19.000 1/min möglich wird. Dies ist gleichbedeutend mit einem Rationalisierungseffekt um den Faktor 6 bis 10.

Ein weiteres Beispiel der Entwicklung neuartiger Fertigungsmethoden zeigen die Tests zum Einsatz der ultraschallunterstützten Zerspanung in der Fertigung von Triebwerkbauteilen aus hochwarmfesten Werkstoffen. Entgegen bisherigen Einsatzgebieten arbeiteten die Steinbeis-Experten mit der Technologie nicht mit Werkzeugen aus undefinierten Schneiden und Advanced Materials, sondern es kamen Werkzeuge mit klassischen definierten Werkzeuggeometrien zum Einsatz. Beim Ultraschallbohren mit Schnittunterbrechung zeigten sich dem Team folgende Potenziale: eine verringerte Randzonenbeeinflussung durch geringere lokale Zerspanungskräfte und damit geringere lokale Temperaturen sowie die Einbringung von gezielten Druckspannungen in die Bohrungswand durch die Ausbildung einer Schutzfase am Werkzeug. Außerdem gab es keine Materialaufschweißungen auf der Schneide durch deren oszillierende Bewegung. Die Ultraschall (US)-Auswirkungen auf den Fertigungsprozess Fräsen (Schlichten, radiale Zustellung 0,5 mm) zeigen eine Kraftreduktion und im Gegensatz zur US-freien Bearbeitung eine Oberfläche ohne Rattererscheinungen. Zum einen wird durch die kombinierte Kinematik aus Werkzeugrotation und axialer US-Bewegung ein Schälschnitt forciert und zum anderen ändern sich die Wirkrichtungen auf die Umfangschneide, so kommt es zu Be- und Entlastungsphasen des Werkzeugs. Eine weitere Anwendung des Ultraschalls ist das Walzhämmern. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine Oberflächenverdichtung, die nicht mehr wie beim Glasperlenstrahlen eine stochastische Verteilung aufweist, sondern bei der das Werkzeug ganz gezielt in die zu verdichtenden Bereiche eines Werkstücks mit NC-geführten Bewegungen gebracht werden kann. Dabei sind mit den Variablen statische Vorlast, Ultraschallamplitude, Bahngeschwindigkeit und Zeilenabstände variable Verdichtungen bis hin zur Streckgrenze erzielbar.

Neuartige Fertigungsmethoden kommen auch bei der Optimierung der Fertigung von Integralbauteilen aus Aluminium und Titan zum Einsatz. Die erfolgreiche Zerspanung ist nicht nur eine Frage der Zerspanungsparameter, sondern vor allem abhängig von einem auf die Wertschöpfung abgestimmten System. Erfolgsfaktoren sind eine optimierte Maschine, abgestimmte Werkzeug- und Zerspanungsparameter sowie geeignete Programmierstrategien. Deutlich wird dies bei der Fertigung von Integralbauteilen für Flugzeuge mit einem Zerspangrad größer 90%. Bei der Aluminium-Zerspanung kommen Hochgeschwindigkeitsfräsmaschinen mit Werkzeugdrehzahlen um 24.000 1/min zum Einsatz, so dass Zeitspanungsvolumina bis zu 3.000 cm³/min realisiert werden. In mehreren Arbeitsschritten wird bei einer solchen Prozessoptimierung die Maschinenleistungsfähigkeit bestimmt und optimiert, die hohen Vorschubgeschwindigkeiten (9 bis 15 m/min) werden in kleinen Geometrieelementen umgesetzt, die Leistungsgrenzen des Spindelsystems und der Werkzeuge ermittelt und die adäquaten Bearbeitungsstrategien und Prozessparameter werden in die NC-Programme eingearbeitet. Bei der Fertigung von Intergralbauteilen für den Airbus A 380 konnten so erhebliche Zeiteinsparungen umgesetzt werden.

Bei der Zerspanung von langfaserverstärkten Kunststoffen birgt der Werkstoff durch seinen speziellen Lagenaufbau gewisse Eigenheiten, die ganz andere Herausforderungen an den Fertigungsprozess stellen. Bei nicht optimierten Werkzeugen und Prozessparametern kommt es an der bearbeiteten Werkstückkante sowohl beim Fräsen als auch beim Bohren zu Delaminationen und Faserüberständen. Beides ist in der Luftfahrt nicht tolerabel. Hierzu bieten Werkzeughersteller für die Bohr- und Fräsbearbeitung von Composite Strukturen die unterschiedlichsten Werkzeuggeometrien an, um ein optimales Zerspanungsergebnis zu erzielen. Neben der Werkzeuggeometrie ist allerdings vor allem die Spannstrategie des Werkstücks ein ausschlaggebendes Kriterium für die erfolgreiche Zerspanung. In einem aktuellen Projekt untersucht das Steinbeis-Team den Bohrprozess einer zu bearbeiteten labilen CFKStruktur. Es gilt in Abhängigkeit der Einflussfaktoren entsprechende Labilitäts-Grenzwerte für akzeptable Bohrlochqualitäten zu ermitteln, die sowohl durch statische als auch durch dynamische Faktoren beeinflusst werden. Die ausgeübte axiale Vorschubkraft Fz bewirkt in Folge der Nachgiebigkeit des Werkstücks dessen Verformung, wodurch entsprechend dem Kräftegleichgewicht eine Kraftkomponente Ff in Z-Richtung auftritt. Beim Durchstoßen der letzten Lage führt diese Federkraft zu einem Rückschnellen des Werkstückes und begünstigt somit die Delamination. Letztlich stellt dies einen Ansatz dar, um eine Berechnungsmöglichkeit zur gezielten Abstützung von labilen CFK-Strukturen zu erarbeiten. Das Ergebnis wird unter Beachtung der Spannstrategie, der Zerspanungsparameter sowie des Verschleißzustands des Werkzeuges beurteilt. Bewertungskriterien sind dabei der Grad der Delamination bzw. der Faserüberstände und die Maß- und Formgenauigkeit der bearbeiteten Geometrie.

Sowohl für die Vorbearbeitung, also für den Rohlingszuschnitt aus den typischen Plattenmaterialien der Luftfahrt, als auch zur Fertigbearbeitung von CFK-Strukturen ist das abrasive Wasserstrahlschneiden eine Alternative. So stehen des Öfteren beide Verfahren im Wettbewerb und im Steinbeis-Beratungszentrum Hochdruck-Wasserstrahltechnik werden bauteilbezogene Verfahrensvergleiche hinsichtlich Produktivität und Qualität durchgeführt. Des Weiteren wird aktuell an einer Online- Prozessüberwachung während des Wasserstrahlschneidens von div. CFK-Materialien gearbeitet. Ziel ist es, den Prozess derart zu überwachen, dass im Hinblick auf Delaminationen und instabile Bearbeitungssituationen verlässliche Überwachungsparameter eine ausreichende Prozesssicherheit ermöglichen.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Michael Kaufeld ist Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Produktionstechnik & Werkzeugmaschinen und des Steinbeis-Beratungszentrums Hochdruck-Wasserstrahltechnik an der Hochschule Ulm. Die Tätigkeitsschwerpunkte beider Steinbeis-Unternehmen liegen im Bereich Produktionstechnik, Werkzeugmaschinen, Werkzeugtechnologie sowie Qualitäts-/ Fertigungsmesstechnik.

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