Das Lernen will gelernt sein

Steinbeis-Team entwickelt Weiterbildungsstrategien für fertigungstechnische Unternehmen

Lernen findet in deutschen Unternehmen am häufigsten in informellen Lernsettings statt. Damit dies für die Mitarbeitenden einen Mehrwert bringt, ist es unerlässlich, gezielte Lernstrategien anzuwenden. Am Steinbeis-Transferzentrum Institute for Transfer Technologies and Integrated Systems SITIS an der Hochschule Karlsruhe werden didaktische Konzepte für Weiterbildungsmaßnahmen in fertigungstechnischen Unternehmen entwickelt.

Deutsche Unternehmen setzen auf Weiterbildung [1]. Fast drei Viertel der Unternehmen bieten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeitenden an, der Maschinenbau [2] liegt dabei mit 80% über dem Durchschnitt. Hier betrug die Teilnahmequote bei Weiterbildungsangeboten 58,6%, die Branche ist Spitzenreiter, was die Beteiligung an den Weiterbildungsmaßnahmen angeht. [3]. Bei internen Lehrveranstaltungen finden die meisten Weiterbildungsmaßnahmen (66%) in informellen Settings statt, das heißt Lernen findet häufiger durch Informationsveranstaltungen, Job-Rotation und selbstgesteuertes Lernen als in Lehrgängen und Kursen statt [4].

Wenig bekannt ist allerdings, wie effektiv und effizient diese Form des betrieblichen Lernens ist. In den internen Lehrveranstaltungen und insbesondere in informellen Settings werden die Lernprozesse meist durch die Mitarbeitenden gesteuert, die sich entweder durch ihr fachliches Wissen auszeichnen und/oder einer höheren Hierarchieebene angehören. Ein Vorteil dieser informellen Lernszenarien ist die große Praxisnähe, die Probleme sind real, die Güte der Problemlösung ist unmittelbar erfahrbar und die Interaktion findet dort statt, wo sie auch gebraucht wird. Die Vorteile dieser informellen Lernszenarien können sich aber sehr schnell auch als Nachteile entpuppen. Die Unmittelbarkeit der realen Probleme erfordert häufig schnelle Lösungen, das erlaubt kein Ausprobieren oder Abwägen verschiedener Alternativen. Zudem kommt hinzu, dass eine erfolgreiche Gestaltung der Lernprozesse nicht nur fachliche sondern auch pädagogisch-didaktische Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, die in der Regel bei den Mitarbeitenden nicht vorhanden sind. Außerdem findet die Kommunikation zwischen den Akteuren statt, die in ihrer spezifischen Rolle im Unternehmen behaftet sind und eine Perspektive auf der Meta-Ebene, die für die Moderation der Gespräche oder Diskurse erforderlich ist, nicht einnehmen können. Dies sind nur drei Gründe, warum Lernprozesse in informellen Settings häufig nicht den gewünschten Erfolg aufweisen, obwohl sie einige gute Voraussetzungen für ein gelingendes Lernen erfüllen. Zeitverlust, Verzögerungen in den unternehmerischen Prozessabläufen und die damit verbundenen Kosten sind nur einige Folgen dieser Weiterbildungsmaßnahmen.

Die Steinbeis-Experten betonen, dass die Potenziale, die sich in den informellen Lernszenarien verbergen, nicht achtlos verschenkt werden dürfen. „Hier verbirgt sich eine noch nicht ausreichend erschlossene Ressource der innerbetrieblichen Weiterbildung“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Haas, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Institute for Transfer Technologies and Integrated Systems (SITIS). Allerdings geschieht Lernen nicht von selbst, sondern erfordert der Situation angemessene und den Fragestellungen entsprechende Methoden und Strategien. Um didaktische Konzepte für Weiterbildung in fertigungstechnischen Unternehmen zu entwickeln sind fundierte Kenntnisse der Weiterbildungssituation vor Ort erforderlich. Aus diesem Grund führt das Team des Steinbeis-Transferzentrums SITIS in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe eine Interviewstudie in fertigungstechnischen Unternehmen in Baden-Württemberg durch. Zur Zielgruppe gehören Geschäftsführer und Führungskräfte aus der Fertigung. Die vorläufige Auswertung der Interviews zeigt, dass betriebsinterne Fortbildungsangebote und Lernen am Arbeitsplatz die häufigste Form der Weiterbildung sind und von den Teilnehmern auch als besonders gewinnbringend angesehen werden [5]. Darüber hinaus betrachtet die Mehrheit der Befragten eine verbesserte Kommunikation als notwendige Voraussetzung für die Optimierung der Prozessabläufe. Als Grund für eine unzureichende Kommunikation wurden vor allem die hohe Arbeitsbelastung und die Vielfalt der Aufgaben genannt. So ist die Mehrheit der Führungskräfte mit der Einweisung der Mitarbeitenden betraut, die noch nicht über die erforderliche Erfahrung und Kenntnisse verfügen, und gleichzeitig mit vielfältigen anderen Aufgaben, die oft zeitgleich zu erledigen sind. Fortbildungsbedarf wurde über alle Hierarchiestufen hinweg im Hinblick auf soziale und pädagogisch-didaktische Kompetenzen geäußert. Die Ergebnisse der Studie fließen in die Entwicklung zertifizierter Weiterbildungsangebote ein, die das Steinbeis-Transferzentrum SITIS gemeinsam mit dem Institute of Materials and Processes (IMP) der Hochschule Karlsruhe und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe anbieten wird.

Quellen

[1] Die Daten beziehen sich auf die Vierte Europäische Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS4).
[2] Neben Maschinenbau zählen hierzu noch weitere Branchen: Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen, elektrischen Ausrüstungen, Reparatur und Instandsetzung von Maschinen und Ausrüstungen.
[3] Statistisches Bundesamt (Hg.) (2013): Weiterbildung 2013. Wiesbaden.
[4] Vollmar; Meike (2013): Berufliche Weiterbildung in Unternehmen 2010. Methodik und erste Ergebnisse. Hg.: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik. Statistisches Bundesamt. Wiesbaden.
[5] Armbruster, Christine; Jeretin-Kopf, Maja (2015 in Bearbeitung): Intergenerationelles Lernen in fertigungstechnischen Unternehmen.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Rudiger Haas
Steinbeis-Transferzentrum Institute for Transfer Technologies and Integrated Systems SITIS (Karlsruhe)
su1289@stw.de 

Dr. Maja Jeretin-Kopf
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft Institute of Materials and Processes (IMP) (Karlsruhe)
maja.jeretin-kopf@hs-karlsruhe.de 

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