Spanende Bearbeitung von Naturfaserkunststoffen

Steinbeis-Team forscht an biobasierten Kunststoffen

Biobasierte Kunststoffe stehen seit Jahren im Fokus der anwendungsorientierten Forschung des Berliner Steinbeis-Forschungszentrums Umweltbewusstes Bauen und Baustoffe. Laut nova-Institut wird für die Produktionskapazitäten biobasierter Polymere prognostiziert, dass sich ihr Anteil an der Gesamtproduktion der (Konstruktions-)Polymere bis 2020 gegenüber 2011 verdoppelt. Zu diesen Polymerwerkstoffen gehören auch solche, die durch Naturfasern verstärkt sind. Während ihre werkstoffspezifischen Eigenschaften zum großen Teil bekannt sind, wurde ihrer spanenden Bearbeitbarkeit bisher geringe Aufmerksamkeit zuteil. Diesen Fragestellungen widmet sich ein aktuelles Projekt des Steinbeis-Forschungszentrums.

An technischen Kunststoffen schätzen Fachleute besonders Eigenschaften wie ihre geringe Dichte (enorme Gewichtsreduzierung im Leichtbau), ihre Verschleißfestigkeit, eine gute Schall- und Schwingungsdämpfung, den Widerstand gegenüber korrodierenden Medien, gute elektrische Isolierungsfähigkeit und ihre teilweise sehr guten Gleiteigenschaften. Im Maschinenbau beispielsweise reicht ihr Einsatz von Zahnrädern, Gleitlagern, Kupplungselementen, Lagerbuchsen und Schiffsschrauben über Werkstoffe für Fermenter und Autoinnenverkleidungen bis hin zur Luft- und Raumfahrttechnik oder zu Rotorblättern von Windkraftanlagen.

Da diese Anwendungen oftmals hohe Festigkeiten gegenüber unterschiedlichen mechanischen Beanspruchungen und geringe Wärmedehnungen erfordern, sind viele im Bereich des Maschinenbaus relevante Kunststoffe faserverstärkt. Dabei übernehmen die festen, steifen Fasern die einwirkenden Kräfte und die Kunststoffmatrix sorgt dafür, dass die einzelnen Fasern miteinander verbunden und die von außen wirkenden Kräfte auf die Fasern übertragen werden. Ferner schützt die Matrix die verwendeten Fasern vor schädlichen Umgebungseinflüssen wie Verschleiß, Strahlung und Feuchtigkeit.

Naturfaserverstärkte Kunststoffe (dazu zählen auch die Wood Plastic Compounds [WPC]) erhalten in diesem Zusammenhang ihre Daseinsberechtigung durch die Erdölverknappung und ihre CO2-Neutralität. Neben den bereits genannten WPC, in denen Holzfasern bzw. -mehl verarbeitet wird, werden inzwischen Produkte mit Verstärkungsfasern wie Flachs, Hanf, Cellulose (Viskose) oder Lignin diverser Hersteller vermarktet oder befinden sich im Stadium der Weiterentwicklung.

Trotz ihres hohen Leichtbaupotentials mit guten Steifigkeiten und ausreichenden Festigkeiten, ausgezeichneten Dämpfungs- und Crasheigenschaften sowie ihrer Herstellbarkeit aus einheimischen nachwachsenden Rohstoffen, zögert die Industrie beim Einsatz dieser Werkstoffe. Das hängt teilweise mit den deutlich höheren Kosten gegenüber petrobasierten Kunststoffen und ihren im Vergleich zu glas- und kohlefaserverstärkten Kunststoffen niedrigeren Festigkeitswerten zusammen. Ein weiteres Hemmnis sind die nicht ausreichenden Untersuchungen zur Weiterverarbeitung der meist extrudierten oder spritzgegossenen Bauteile aus Naturfaserkunststoff. Deren spanende Bearbeitung ist oftmals unumgänglich, um hochwertige, einbaufähige Bauteile herzustellen, Dabei müssen für die innovativen Naturfaserwerkstoffe individualisierte Bohr- und Frästechnologien zu den jeweiligen Faser-Matrix-Verbünden entwickelt werden, das bedeutet, dass die spanenden Verfahren ausgesprochen schonend gegenüber der Werkstoffstruktur agieren müssen. Anderenfalls ist mit mechanischer oder thermischer Bauteilschädigung zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund hat das Steinbeis-Forschungszentrum ein CNCBearbeitungszentrum mit umfangreicher Messtechnik ausgestattet. Es ermöglicht vielfältige Untersuchungen mit dem Ziel, Bearbeitungsstrategien mit minimiertem Bauteilschädigungspotenzial bei möglichst hoher Produktivität zu entwickeln. Die Ergebnisse vergleichbarer Untersuchungen an glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) lassen sich nur bedingt übertragen, weil die Eigenschaften von Naturfaserkunststoffen wesentliche Unterschiede zu denen von Glas- und Kohlefasern aufweisen. Als Beispiel sei hier die Werkzeugbeanspruchung beim Trennen der Fasern erwähnt.

Die Schwerpunkte des Forschungsprojekts waren zunächst werkstoffmechanische Aspekte der Bohr- und Fräsprozesse. Das Steinbeis-Team untersuchte beispielsweise das Verhalten des Faser-Matrix-Verbunds bei unterschiedlichen Eingriffsverhältnissen, die für das jeweilige Bohroder Fräsverfahren und die gewählte Bearbeitungsstrategie charakteristisch sind. Das vorrangige Anliegen bestand darin, mit geringen und zudem schadensminimiert gerichteten Kräften zu fertigen. Über den Test verschiedenster Bearbeitungsstrategien hinaus erfassten die Steinbeiser die Kräfte im Prozess und stellten sie für vergleichende Bewertungen bereit. Bei der Bohrbearbeitung standen vor allem mögliche Probleme der Delamination an der Austrittsseite von Durchgangsbohrungen sowie Ausfaserungen im Fokus. Hier wie auch bei scharfkantigen Fräskonturübergängen zeigte sich, dass bei entsprechender Eingriffsstrategie der Werkzeugschneide ein Separieren von Fasern und Matrix vermeidbar ist.

Erwartungsgemäß ist das Trennen der Fasern – ausreichend großen Vorschub vorausgesetzt – weniger problematisch, als man dies insbesondere von CFK kennt. Aus spanungstechnischer Sicht stellt die geringere Festigkeit der Naturfasern dabei einen Vorteil dar. Das schlägt sich auch, verglichen mit der CFK-Bearbeitung, in erheblich moderateren Anforderungen an die Scharfkantigkeit der Werkzeugschneiden nieder.

In thermischer Hinsicht setzt bei der Bearbeitung von Naturfaserkunststoffen nicht das Werkzeug, sondern eher der Werkstoff die Grenzen. Das entlastet den Anwender vom Einsatz hochpreisiger Schneidstoffe, erfordert aber erhebliche Kompetenz im Hinblick auf thermisch unkritische Bearbeitungsstrategien. Diesem Problemkreis will sich das Forscher- Team in Zukunft verstärkt zuwenden – die Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen und deren konkreten Problemstellungen ist dabei ausdrücklich sehr willkommen.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Volker Huth
Steinbeis-Forschungszentrum Umweltbewusstes Bauen und Baustoffe (Berlin)
su0989@stw.de

Prof. Dr.-Ing. Reimund Klunder, Dr. rer. nat. Solveyg Gebhardt
HWR Berlin, FB 2, Fachrichtung Maschinenbau
reimund.kluender@hwr-berlin.de

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